IST DER RUF ERST RUINIERT...
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Welcher Filmfan kennt ihn nicht – den Klassiker der Nouvelle Vague: Außer Atem. Neben einem blutjungen Jean Paul Belmondo war damals Jean Seberg mit auf der Flucht. Der Ausgang der Geschichte ist kein Geheimnis. Seit diesem Zeitpunkt war Sebergs aparter Kurzhaarschnitt auch keines mehr. Von Jeanne d ‚Arc also zur Gangsterbraut ohne rosige Zukunft, inklusive Staatsgewalt im Nacken. Die Ironie des Schicksals: rund 10 Jahre später (Francois Truffaut drehte seinen Klassiker bereits 1959) sollte ihr die Staatsgewalt tatsächlich im Nacken sitzen, nämlich in Form des FBI unter J. Edgar Hoover, der mit seiner Abhöreffizienz der ostdeutschen Stasi um nichts nachstand. Mehr noch: potenzielle Unbequeme der Regierung konnten mit dem sogenannten Counterintelligence Program, kurz COINTELPRO, gnadenlos überwacht und letzten Endes auch mit gezielter Verleumdungstaktik „neutralisiert“ werden. In schlimmstem Fall trieb diese Vorgehensweise psychisch labile Personen in den Selbstmord. In dieser umtriebigen Zeit also, zwischen Vietnamkrieg und Black Power-Bewegung, war Jean Seberg als gutgläubige Idealistin mit Geld in der Tasche wie ein argloses Bambi, dass sich an fremden Gemüsegärten labt. Ihre Verbindung mit dem Aktivisten Hakim Jamal alleine war Grund genug, die Schauspielerin ins Fadenkreuz zu nehmen.
Was wie ein grimmiger Spionagethriller klingt, ist vorrangig das gestreckte Psychogramm einer egozentrischen Weltverbesserin, die ihre Bekanntheit nutzt, um Dinge zu bewegen. Prinzipiell mal egal wofür, Hauptsache für eine gute Sache. Jene mit der Black Power-Bewegung scheint ihr passiert zu sein. Ex-Twilight-Bella Kristen Stewart spiegelt diese Attitüde eines sich selbst überschätzenden Stars ganz gut wider. Der Kurzhaarschnitt, der saß schon meilenweit unter dem Meer bei Underwater, und sie trägt ihn immer noch sichtlich mit Stolz, wobei sie noch eins draufsetzt und mit ihrer Franchise-Vergangenheit ebenso brechen will wie Robert Pattinson, in dem sie sogar das eine oder andere Mal die Hüllen fallen lässt. Kristen Stewart will nun mit Seberg gänzlich im Arthouse-Charakterfach angekommen sein. Schauspielerisch bleibt dennoch Luft nach oben – statt Jean Seberg wirklich zu sein, bleibt ihr der sichtbare Eifer haften, die biographische Figur nur sein zu wollen. Doch sie bemüht sich. Und man sieht ihr trotzdem gerne dabei zu.
Zwischendurch allerdings bleibt die prinzipiell durchaus aufreibende True Story im gern zitierten 60er-Zeitkolorit stecken, verlustiert sich in stilvollen Settings und will manchmal so sein wie ein Film von Tom Ford – gemächlich, stilvoll, unterlegt mit zeitgenössischen Musikstücken, oftmals ein Gläschen Hochprozentigen in der Hand. Mit einem Zuviel an diesen durchaus netten Bildern verwässert Regisseur Benedict Andrews sein emotionales Drama zu einem porösen Biopic mit einer leidenschaftslosen FBI-Komponente, die die Routine ihrer Bespitzelungsarbeit auf das Ensemble überträgt – Ulrich Mühe (Das Leben der Anderen) ist Agent Jack O’Connell nämlich wirklich keiner. Viele Nebenrollen bleiben auch wirklich nur Staffage, die sich einer Retro-Optik unterordnen, mit der Jean Seberg – Against All Enemies als Erzähl-Tool alleine klarkommen möchte. Das bleibt dann doch etwas kraftlos.
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