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    Lloronas Fluch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Lloronas Fluch

    Der 6. Film im "Conjuring"-Universum

    Von Christoph Petersen

    Das Gute am um die Erzählungen des realen Geisterjäger-Ehepaares Lorraine und Ed Warren gestrickten „Conjuring“-Franchise ist ja, dass man in dem so entstandenen Horror-Shared-Universe eigentlich alles machen kann: So fühlen sich nicht alle Neuzugänge gleich an, stattdessen haben die Macher einen erstaunlich großen Spielraum nicht nur beim Tonfall, sondern auch beim Setting (örtlich wie zeitlich).

    Das Schlechte am „Conjuring“-Franchise ist ja, dass man in ihm eigentlich alles machen kann: Denn so lässt sich – vergleichbar in etwa mit dem „Cloverfield“-Franchise – jeder denkbare Stoff noch irgendwie mit der Reihe verbinden, um es dann später etwas leichter beim Marketing zu haben (selbst wenn man die Verbindung wie nun im Fall von „Lloronas Fluch“ erst mal geheim hält und die Bombe erst bei der Premierenvorführung auf dem Hype-Festival South by Southwest platzen lässt).

    Die inhaltliche Verknüpfung von „Lloronas Fluch“ zum „Conjuring“-Mutterschiff besteht nämlich lediglich darin, dass der in zwei Szenen als Erklärbär auftretende Priester Perez (Tony Amendola) es im „Conjuring“-Spin-off „Annabelle“ auch schon mit der titelgebenden dämonischen Puppe aufgenommen hat. Das ist nicht nur vollkommen beliebig, es ist für den Plot von „Lloronas Fluch“ auch absolut unerheblich. Zugleich schürt die Verbindung aber Erwartungen, die das vergleichsweise kleine Spielfilm-Regiedebüt von Michael Chaves einfach nicht erfüllen kann. Selbst wenn man im selben Moment durchaus versteht, warum „Conjuring“-Mastermind James Wan („Aquaman“) sich im Anschluss an die Dreharbeiten entschieden hat, Chaves gleich auch noch die Regie des für 2020 erwarteten Trilogie-Abschlusses „Conjuring 3“ anzuvertrauen.

    Linda Cardellini, Jaynee-Lynne Kinchen und Roman Christou fürchten sich in und vor "Lloronas Fluch".

    Die Legende besagt, dass La Llorona (Marisol Ramirez) im Jahr 1773 in einem mexikanischen Dorf nach einem Seitensprung ihres Ehemannes erst ihre zwei Kinder und anschließend sich selbst in einem Fluss ertränkt hat. Genau 200 Jahre später bekommt es in Los Angeles die Jugendamt-Sachbearbeiterin Anna Tate-Garcia (Linda Cardellini) mit dem Fall einer mexikanisch-stämmigen Mutter (Patricia Alvarez) zu tun, die ihre zwei Söhne in einer Abstellkammer eingesperrt hat und behauptet, das nur getan zu haben, um ihre Kinder vor „ihr“ zu beschützen. Trotzdem lässt Anna die Jungen vorsichtshalber erst mal in einem Krankenhaus unterbringen. Noch in derselben Nacht werden die Jungen tot aufgefunden, ertrunken in einem nahegelegenen Fluss. Natürlich fällt der Verdacht zunächst auf die Mutter der Kinder, doch die hat ein – entschuldigt bitte den Wortwitz – wasserfestes Alibi. Stattdessen geschehen plötzlich auch im Haushalt der alleinerziehenden Sozialarbeiterin Anna und ihrer Kinder Samantha (Jaynee-Lynne Kinchen) und Chris (Roman Christou) unerklärliche Dinge...

    Die Qualität liegt im Detail (aber auch nur dort)

    „Lloronas Fluch“ bietet – anders als die meisten anderen „Conjuring“-Filme – keine großgedachten, unvergesslichen Schauersequenzen. Stattdessen entpuppt sich der auf einer in Mexiko weitverbreiteten Legende basierende Schocker als relativ bescheidene, in konsequent-klassischen Bahnen verlaufende Gruselmär. Aber zumindest in den Details erkennt man trotzdem, was Michael Chaves als Regisseur wirklich draufzuhaben scheint – und warum er nun eben auch den sehr viel größer angelegten „Conjuring 3“ inszenieren darf: zwei Jungen, ein Krankenhausflur, ein kleiner Spiegel an der Decke, eine Pfütze auf dem Boden – Chaves beschränkt sich gleich bei seinem ersten größeren Jump Scare auf das Ein-mal-Eins des Gruselkinos. Aber an den gewagten Kamerawinkeln sowie der präzisen Schnittfolge lässt sich trotzdem erahnen, wie viele Überlegungen in diese vermeintlich simple Szene hineingeflossen sind. Noch besser ist später eine Sequenz am Pool, wo Samantha die dämonische Kindermörderin nur durch ihren mit durchsichtigem Plastik bespannten Regenschirm sehen kann.

    Dass man das Gelingen dieser Szenen trotz ihrer bescheidenen Zutaten ruhigen Gewissens fast vollständig Chaves (und seinem Cutter Peter Gvozdas, „Brightburn“) zuschreiben darf, liegt auch daran, dass „Lloronas Fluch“ weitestgehend ohne Computereffekte auskommt. In dieser Hinsicht ist der Film ebenso erfrischend altmodisch wie bei seinem Look (Kamera von Michael Burgess, „Annabelle 3“), der glaubhaft die düster-körnige Optik der 1970er Jahre heraufbeschwört, ohne es – wie etwa James Wan in den ersten beiden „Conjuring“-Teilen – bis in die auffällig-stilisierte Künstlichkeit hinein zu treiben. Chaves arbeitet ganz selbstverständlich mit der Ästhetik einer Ära, ohne es dem Zuschauer bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Eine erfreuliche Haltung angesichts des anhaltenden, oftmals unangenehm-offensiven Retro-Trends.

    Im Englischen wird La Llorona auch The Weeping Woman genannt.

    Zumindest die Filme der „Conjuring“-Kernreihe selbst sind aber eben nicht nur handwerklich herausragende Horrorfilme, sondern auch deshalb so schockierend, weil sie die übernatürlichen Gruselelemente mit geerdeten persönlichen Dramen verknüpfen. Die Charakterarbeit in „Conjuring“ und „Conjuring 2“ ist mindestens genauso stark wie die perfekt sitzenden Jump Scares. Diese Qualität, die zuletzt im Spin-off „The Nun“ bereits sträflich vernachlässigt wurde, hätte man nun in „Lloronas Fluch“ eigentlich gut wieder zurückbringen können, denn ein potenziell starkes Fundament wird gleich zu Beginn gelegt: Die sagenhafte Mördermutter, die aus purer Verzweiflung immer mehr Kinder zu sich ins nasse Grab zieht, schockiert ohnehin weniger mit ihrer schrecklichen Visage, sondern vielmehr durch die in ihrer Geschichte tiefverankerten Tragik.

    Dazu passt dann auch perfekt Annas Job beim Jugendamt. Als Sachbearbeiterin muss sie immer wieder eigentlich unmögliche Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls treffen, wobei sie – trotz allerbester Absichten – auch Schuld auf sich lädt. Wenn sich das Blatt dann wendet und plötzlich ihre eigene Befähigung als alleinerziehende Mutter in Frage gestellt wird, ist das natürlich eine Steilvorlage für eine tiefergehende Beschäftigung mit Themen wie Trauer oder Verantwortung. Aber statt auch den Zuschauer zwischenzeitlich mal an Anna zweifeln zu lassen, wird dieser Aspekt nur in einer alibihaften Szene ohne jeden emotionalen Ausschlag abgehandelt. Stattdessen gleitet der Film sofort in ein kompetent gemachtes, aber wenig überraschendes Gruselfinale über, das dermaßen abrupt und antiklimaktisch endet, dass man sich beim Rollen des Abspanns erst Mal die Frage stellt: „Was, das soll es jetzt schon gewesen sein?“

    Fazit: Solider Jump-Scare-Gruselfilm, der zumindest in Ansätzen offenbart, dass hier aber eigentlich noch (viel) mehr möglich gewesen wäre.

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