Känguru-Kult im Kino
Von Björn BecherErst auf der Bühne, dann als Podcast, schließlich als Buchreihe (nicht nur gedruckt, sondern vor allem auch in Audioform): Mit seinen „Känguru“-Geschichten schuf Marc-Uwe Kling eine Erfolgsmarke – da ist der Schritt auf die Leinwand als nächste Stufe nur logisch. Also kommt nun „Die Känguru-Chroniken“ von Regisseur Dani Levy („Alles auf Zucker!“) ins Kino. Dass Kling dabei als Drehbuchautor selbst intensiv mitgewirkt hat, merkt man der Komödie immer wieder an. Doch die rund um seine launigen und pointierten Känguru-Erzählungen gestrickte Geschichte kann mit der Brillanz der Vorlagen ebenso wenig mithalten wie der eher platte Zitate-Zug einmal quer durch die Filmgeschichte.
Bevor es mit dem Film so richtig losgeht, müssen Marc-Uwe Kling (spricht sich als Erzähler selbst) und das Känguru (spielt sich selbst, klingt wie von Marc-Uwe Kling gesprochen) erst einmal im Off klären, wie sie ihre gemeinsame Geschichte eigentlich erzählen wollen – und vor allem von welchem Zeitpunkt an. Nach einigen Diskussionen beginnt dann alles damit, dass das Känguru vor der Tür des meist im Schlafanzug in den Tag hineinlebenden Marc-Uwe (gespielt von Dimitrij Schaad) steht – und ehe der es sich versieht, hat der Künstler in seiner Kreuzberger Wohnung einen neuen Beuteltier-Mitbewohner. Da das Känguru nicht nur überzeugter Kommunist ist, sondern auch sonst allerlei merkwürdige Spleens hat, gestaltet sich das Zusammenleben nicht immer einfach. Doch als man sich nach einer Weile in der ungewöhnlichen WG endlich irgendwie arrangiert hat, droht auch schon neuer Ärger – und zwar in Form des rechtspopulistischen Immobilienhais Jörg Dwigs (Henry Hübchen), der den ganzen Kiez plattmachen und mitten in den Görlitzer Park seinen eigenen Trump äh… Dwigs Tower setzen will…
Unterstützt von Nachbarin Maria ermitteln Marc-Uwe und das Känguru undercover.
Wer es bisher geschafft hat, in den vergangenen Jahren am grassierenden Känguru-Phänomen vorbeizukommen und sich nun trotzdem ins Kino wagt, wird schon nach wenigen Minuten feststellen, ob er etwas mit Klings Humor anfangen kann oder nicht: Wer beim Kennenlernen des Autors und des Kängurus nicht mindestens einmal lachen muss, kann eigentlich gleich wieder gehen. Alle anderen genießen das direkt aus der Buchvorlage übernommene, wunderbar skurrile Zusammentreffen, das damit beginnt, dass das Känguru Eierkuchen machen will, aber keine Eier hat – und eine ganze Reihe weiterer Utensilien fehlen ihm auch noch…
Känguru-Fans werden diese Szene feiern und auch später im Film immer wieder viel Spaß haben – nicht nur bei den vielen Anspielungen auf die Bücher (siehe auch die Abspannszene), sondern allgemein immer dann, wenn Klings Wortwitz aus den Vorlagen präsent ist – ob es die Diskussion um den Singular von Graffiti ist (Graffito natürlich) oder die Frage, wie weit man welche Hunderasse treten kann (für Tierschützer natürlich problematisch, wenn ein Känguru einen Nazi-Hund tritt, kann man da aber vielleicht auch einfach mal drüber hinwegsehen). Die legendären Sprüche, die wie „Ein Idiot in Uniform ist immer noch ein Idiot“ oder „Gesunder Patriotismus klingt für mich wie gutartiger Tumor“ längst viel zitierter Teil der Popkultur sind, bleiben natürlich im Film immer noch so gut wie in den Vorlagen.
Zudem erweist sich Hauptdarsteller Dimitrij Schaad („Tatort: Vielleicht“) gerade in diesen Momenten als perfekte Besetzung des genervt-trägen „Kleinkünstlers“. Da muss man einfach dem Känguru danken, dass es dem echten Marc-Uwe erklärt hat, dass er ein schlechter Schauspieler sei und sich daher nicht selbst spielen könne. Ein weiteres schauspielerisches Highlight ist daneben Rosalie Thomass („Beste Zeit“), die mit ihrer Ausstrahlung einmal mehr zeigt, warum sie in den vergangenen Jahren zu Recht fast alle bekannten deutschen Schauspielpreise abräumen konnte. Und selbst wenn sie teilweise nur kurze Auftritte haben, sind auch die aus den Vorlagen bekannten Kultfiguren wie die türkischstämmigen Späti-Besitzer Friedrich-Wilhelm und Otto von sowie Eckkneipen-Wirtin Herta (Wir sagen nur: „Du glaubst vielleicht, du bist hart, aber ich bin Herta!“) auch dank ihrer Darsteller gut getroffen.
In Klings erstem Buch fehlt noch eine richtige Geschichte, stattdessen gibt es nur lose zusammenhängende Erzählungen. Die für den Film drumherum gestrickte Story um den Kampf gegen einen rechten Immobilienspekulanten passt zum antikapitalistischen Kampf des Beuteltiers und bietet witzige Momente wie den Running Gag um die immer wieder zerstörten Porsche-Luxuskarossen des Antagonisten oder die entwaffnenden „Gespräche“ des Kängurus mit trotteligen Nazi-Schlägern. Doch insgesamt bleibt der Plot spürbar ein bloßes Mittel zum Zweck. Henry Hübchen gibt dem Affen zwar ordentlich Zucker, doch am Ende ist sein AzD-Politiker (Alternative zur Demokratie) dann doch nur platte Trump-Kopie (in einigen Szenen sogar mit blondem Haar und orangener Haut), die sich zudem noch ihren persönlichen Penis-Ersatz (mit Eiern!) mitten in Berlin erbauen will.
Dwigs und seine Nazi-Schläger.
Auch der Ritt durch die Kinogeschichte ist nicht gelungen. Zu oft beschränkt sich der Witz der Zitate darauf, „Fight Club“, „Forrest Gump“ und Co. einfach nur zu wiederholen oder zu erwähnen. Und eine Parodie auf die berühmte Uhrenszene von „Pulp Fiction“ wird auch nicht dadurch komisch, dass der goldene Zeitanzeiger Platz für eine Hasenpfote macht, die zwei Mal zwei Jahre im Arsch verschiedener Männer verbracht hat – da kann Gaststar Markus Hering („Whisky mit Wodka“) noch so sehr einen auf Christopher Walken machen. Deutlich amüsanter sind dagegen der Überraschungs-Cameo eines Kult-Komikers als Fitnesstrainer sowie eines in den „Känguru-Chroniken“-Vorlagen immer wieder verehrten Haudrauf-Duos (gelungener Double-Einsatz!) – auch weil diese Szenen nicht nur reine Insider-Gags für Buchkenner bleiben.
Abschließen würden wir die Kritik ja gerne noch mit einem ausführlichen Lob dafür, wie erstklassig (mit Hilfe des Motion-Capture-Verfahrens und des Schauspielers Volker Zack) das Känguru animiert wurde, wie hervorragend es sich in die Hintergründe einfügt und vor allem wie detailreich es gestaltet ist. Das können wir aber nicht. Denn wie uns ausdrücklich versichert wurde, stammt der antikapitalistische Frontkämpfer nicht aus dem Rechner, sondern hat sich gegen eine geheim bleibende Anzahl an Schnapspralinen dazu überreden lassen, sich selbst zu spielen. Also müssen wir das Lob anders formulieren: Das Känguru selbst sieht natürlich spitze aus und ist ohnehin so großartig, dass es die im Skript nicht gerade rar gesäten Flachwitze zumindest merklich aufwertet.
Fazit: „Die Känguru-Chroniken“ macht immer dann am meisten Spaß, wenn sich Klings Wortwitz auch im Kino zeigt. Aber das ist viel zu selten der Fall – stattdessen gibt es einen wenig witzigen Filmplot, der dem Känguru letztlich nur den Raum zum Glänzen nimmt.