Die echten Vorbilder für die Kriegerinnen aus "Black Panther"
Von Lutz GranertIm Frühjahr 2020 traf sich Produzentin und Hauptdarstellerin Viola Davis („Suicide Squad“) zum ersten Mal mit Filmemacherin Gina Prince-Bythewood („The Old Guard“), um mit ihr über die Inhalte des gemeinsamen Filmprojekts „The Woman King“ zu sprechen. Eigentlich keine große Sache und keiner Erwähnung wert – wäre die Regisseurin dabei nicht in Tränen ausgebrochen. Die Geschichte eines Waisenmädchens, das sich gegen alle Widerstände mit harter Arbeit in einer Männerdomäne behauptete, berührte sie durch Parallelen zu ihrer eigenen Biografie (auch sie wurde, von der Mutter ungewollt, kurz nach der Geburt zur Adoption freigegeben) einfach zu sehr. Davis verschreckte das nicht, im Gegenteil...
Sie erkannte in der Verletzlichkeit von Prince-Bythewood eine Stärke – zumal die für „Fences“ oscarprämierte Schauspielerin selbst in ihren Memoiren „Finding Me“ sehr selbstbewusst über häusliche Gewalt, Armut und Mobbing berichtet und schildert, was sie erlebt hat, bevor sie in Hollywood Erfolge einfahren konnte. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass beide den martialischen historischen Actionthriller „The Woman King“ als Herzensprojekt begreifen. Diese Leidenschaft für den Film ist dann auch jederzeit zu spüren. Und selbst wenn sie bei der Betonung von (Black) Female Empowerment vor der Kamera ein ums andere Mal übers Ziel hinausschießen, ist ihnen ein kraftvolles Action-Drama gelungen.
Die Leidenschaft von Viola Davis und Co. ist jede Sekunde zu spüren.
Westafrika, 1823: Das Königreich der Dahomey wird unterjocht von dem scheinbar übermächtigen Imperium der Oyo. Die an die Besatzer zu leistenden Abgaben schmecken aber Dahomey-König Ghezo (John Boyega) ebensowenig wie seiner toughen Generalin Nancisca (Viola Davis), welche die nur aus Frauen bestehende und ihre Brutalität berüchtigte Elite-Einheit der Agojie befehligt. Kurz nachdem die aufmüpfige Waise Nawi (Thuso Mbedu) die harte Ausbildung bei den Agojie beginnt, spitzt sich der schwelende Konflikt durch die Ankunft von Sklavenhändlern weiter zu – und Nancisca sieht endlich die Zeit gekommen, sich an Oyo-Krieger Oba Ade (Jimmy Odukoya) zu rächen, der sie einst vergewaltigte...
Die Finanzierung von „The Woman King“ mit einem Cast, der vor allem aus Schwarzen Frauen besteht, die zudem abgesehen von Viola Davis noch keinen so großen Namen in Hollywood haben, war langwierig. Mehrere Major-Studios lehnten die schon 2015 von Schauspielerin Maria Bello („A History of Violence“) nach einer Afrika-Reise entwickelte, auf wahren Begebenheiten basierende Story wegen kommerzieller Bedenken ab. Das änderte sich erst durch den Erfolg der Marvel-Comicverfilmung „Black Panther“ 2018. Der Blockbuster wurde mit einer fast komplett Schwarzen Besetzung schließlich ja sogar zum Milliardenhit...
Das hat durchaus eine gewisse Ironie. Denn die 1998 in den Comics eingeführte und in „Black Panther“ sehr präsente, ausschließlich weibliche Leibgarde des Königs von Wakanda, die Dora Milaje, basiert auf den Agojie. Dass Marvel die Militäreinheit, die rund 300 Jahre lang das Königreich Dahomey im heutigen Benin verteidigte, für seine Welt adaptierte, sorgte nun also dafür, dass ein Film über die realen Vorbilder nach längerem Kampf doch noch möglich wurde. Die Produktionsgeschichte spürt man in „The Woman King“ dabei durchaus. Einige der sich wiederholenden, eher platten Phrasen-Dialoge mit Durchhalteparolen, feministisch-programmatischen Kampfansagen und Schwadronieren ums „Verdienen“ von Ehre und Anerkennung kann man nämlich durchaus als wütende Abrechnung mit dem langwierigen Produktionsprozess von „The Woman King“ verstehen.
In Dialogen werden ein paar Phrasen zu viel gedrescht.
Abgesehen von den Dialogen ist das Drehbuch dabei dramaturgisch durchaus gelungen. Es gibt nicht nur einige überraschende Wendungen, sondern es wird sich trotz eines entsprechenden Subplots konsequent und somit erfrischend widerborstig dagegen gesträubt, der Versuchung eines (unpassend) kitschigen wie romantischen Happy Ends anheimzufallen. Das hätte auch nicht zum progressiven Unterton gepasst, wenn hin und wieder und etwas überladen auch harte feministische Themen wie Zwangs- und Vielehe, gesellschaftlich geächtete Schwangerschaft, sexuelle Selbstbestimmung und die Suche nach der eigenen Identität angerissen, aber nie wirklich vertieft werden.
Weil Drehbuchautorin Dana Stevens („Stadt der Engel“) logischerweise den Fokus vor allem auf die differenzierte Zeichnung der weiblichen Charaktere legte, können die Schauspielerinnen besonders beeindrucken: Vor allem Viola Davis brilliert in ihrer Rolle als zunächst äußerst unterkühlte, aber zunehmend mit ihren innersten Gefühlen und ihrer Vergangenheit ringende Generalin. Ihr nimmt man dabei aber auch im Kampf die wutschnaubende Amazone ab, die ihren Gegner*innen liebend gern mit gespitzten Fingernägeln die Augen aussticht. Lashana Lynch („James Bond: Keine Zeit zu sterben“) gehören als süffisant foppende Ausbilderin die Sympathien und mit Thuso Mbedu („The Underground Railroad“) findet sich auch eine ebenso leichtfüßig wie emotional agierende, innerlich aufgewühlte Identifikationsfigur für ein jüngeres Publikum.
So vielfältig die weiblichen Figuren ausgestaltet sind, so reißbrettartig bleiben die (wenigen) männlichen: Jordan Bolger („Peaky Blinders“) als zwischen zwei Welten stehendes Dahomey-Halbblut und der stets nur gönnerhaft mit halboffenem Gewand umherlaufende „Star Wars“-Star John Boyega sehen nicht nur beide aus wie aufgepumpte Pin-up-Boys, sie bleiben auch so glatt und austauschbar wie ihre haarfreie Männerbrust. Und der nigerianische Nollywood-Superstar Jimmy Odukoya verkörpert in seiner ersten großen Hollywood-Rolle dann doch einen sehr eindimensionalen Klischee-Bösewicht (wenn auch mit riesiger phallusartiger Machete!).
Das Budget von 50 Millionen Dollar wurde dagegen glänzend einsetzt. Der historische Actionthriller überzeugt dabei vor allem durch sein aufwändiges Setdesign mit einem nachgebauten Dahomey-Palast aus Holz sowie bei Ausstattung mit – gerade bei den Uniformen der Agojie – authentisch anmutenden Kostümen. Das hilft dabei, dass der historische Hintergrund hier nicht einfach austauschbare Schablone bleibt, sondern diese Welt wirklich im Kino entsteht. Wie schon in ihrem unterkühlten Netflix-Superheldenfilm „The Old Guard“ setzte Regisseurin Gina Prince-Bythewood bei den martialischen, aber nie wirklich blutigen Actionszenen zudem weitgehend auf altmodisches Filmhandwerk: Beim schnell geschnittenen Schlachtgetümmel an den Schauplätzen in Südafrika wurde weitgehend auf CGI-Effekte verzichtet, auch wenn die Choreografie darüber hinaus im Vergleich zu anderen Hollywood-Produktionen nicht heraussticht.
Fazit: Mit martalischen Kampfszenen, aufwändiger Ausstattung und zuweilen etwas plakativ geratenen Dialogen überzeugt „The Woman King“ als actionreiche Geschichtsstunde ebenso wie als wuchtige Abrechnung mit dem Patriarchat.