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    Tatort: Unter Kriegern
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tatort: Unter Kriegern
    Von Lars-Christian Daniels

    Für den „Tatort“ aus Frankfurt war das Jahr 2017 im wahrsten Sinne des Wortes ein Horror-Jahr: Erst fiel der enttäuschende „Tatort: Land in dieser Zeit“ im Januar bei Publikum und Fachpresse durch, ehe im Oktober der komplett missratene Horror-„Tatort: Fürchte dich“ auf Sendung ging und das Desaster für den Krimi aus der Metropole am Main perfekt machte. Der zweifellos mutige, aber selten gruselige und allenfalls unfreiwillig komische Genre-Mix war der schwächste Krimi des für seine ausgefallenen TV-Experimente berühmt-berüchtigten Hessischen Rundfunks seit langer Zeit. Nun folgt mit Hermine Huntgeburths „Tatort: Unter Kriegern“, der das diesjährige Deutsche FernsehKrimi-Festival in Wiesbaden eröffnete, wieder ein deutlich bodenständigerer Krimi, mit dem sich Frankfurt eindrucksvoll zurückmeldet: Abgerundet mit dem gewohnten Schuss Extravaganz liefern die Filmemacher eine der bisher stärksten „Tatort“-Folgen des Jahres 2018, was neben dem großartigen Drehbuch vor allem an der starken Besetzung und zwei abgrundtief bösen Tatverdächtigen liegt.

    Im schummrigen Keller des Sportleistungszentrums machen die Frankfurter Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) eine grausame Entdeckung: Ein Unbekannter hat den elfjährigen Malte Rahmani (Ilyes Raoul Moutaoukkil) in einen Heizkessel gesperrt und qualvoll darin verdursten lassen. Unter Tatverdacht gerät der vorbestrafte Hausmeister Sven Brunner (Stefan Konarske), der sich regelmäßig mit dem Jungen getroffen und für seine Förderung stark gemacht hat. Brunner hat seine Aggressionen nicht immer im Griff und war Stammgast im „Verein zur sozialen Neuorientierung“ unter Leitung von Kristof Waldner (Marek Harloff), der zuletzt Streit mit Brunner hatte. Auch Joachim Voss (Golo Euler), der sich als Leiter des Sportzentrums Hoffnungen auf einen IOC-Posten macht, gerät ins Visier der Ermittler: Bei seinem zwölfjährigen Stiefsohn Felix (Juri Winkler), der zusammen mit Malte Judo trainierte, legt er stets Wert auf Bestleistungen und seine Gattin Meike (Lina Beckmann) terrorisiert er im Ehealltag, wo er nur kann. Felix macht fleißig dabei mit – und stellt außerdem seiner Mitschülerin Louisa Berents (Josefine Keller) nach, die bei der letzten Matheklausur besser abgeschnitten hat als er...

    Mit dem eingangs erwähnten Horror-Krimi hat der HR eine der außergewöhnlichsten „Tatort“-Folgen aller Zeiten abgeliefert – und es kommt sicher nicht von ungefähr, dass die ARD fast zeitgleich zur vieldiskutierten TV-Premiere im Herbst 2017 verkündete, die Zahl der „Tatort“-Experimente fortan auf zwei Ausgaben pro Jahr begrenzen zu wollen. Der siebte Fall von Janneke und Brix fällt wieder ungleich geerdeter aus, auch wenn die Filmemacher erneut im Horror-Genre wildern: Mit dem teuflischen Felix Voss (Juri Winkler, bekannt aus den „Rico, Oskar und...“-Filmen), gibt es eine bemerkenswert böse Figur, die direkt einem Evil-Child-Schocker entsprungen sein könnte, aber auch an Ezra Millers Kevin aus „We Need To Talk About Kevin“ von Lynne Ramsay oder den diabolischen Henry (Macaulay Culkin) aus Joseph Rubens „Das zweite Gesicht“ erinnert. Sein sadistischer Stiefvater Joachim (eiskalt: Golo Euler) steht ihm in nichts nach: Er demütigt seine bedauernswerte Frau Meike, die von Lina Beckmann („Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“) verkörpert wird, bei jeder Gelegenheit und lässt die Hobby-Reiterin einen Albtraum durchleben, der sie an den Rand des Suizids bringt.

    Keine Frage: Das Herz dieses aufwühlenden Krimidramas schlägt im Hause Voss – und wenngleich sich Drehbuchautor Volker Einrauch („Effi Briest“) und Regisseurin Hermine Huntgeburth („Die weiße Massai“) formal an die Strukturen eines Whodunit halten, spielt die (ohnehin vorhersehbare) Auflösung der Täterfrage nur eine untergeordnete Rolle. Was die Geschichte vorantreibt, ist vielmehr die Frage, ob es Meike wohl gelingt, gegen ihren brutalen Gatten aufzubegehren und dem Psychoterror irgendwie zu entfliehen. Die Kommissare spielen in dem anfangs etwas irritierenden, irgendwann aber tief beklemmenden Gewitter aus täglicher Demütigung, verbalen Anfeindungen und schmerzhaften Handgreiflichkeiten häufig nur die zweite Geige. Die interessantesten Szenen finden sogar hinter dem Rücken der Ermittler statt, sodass der Zuschauer oft einen kleinen Wissensvorsprung genießt. Bei der Charakterzeichnung gehen die Filmemacher nicht nur präzise, sondern auch differenziert vor: Mögen das traurige Mauerblümchen Meike, der sadistische Sonderling Felix und der knallharte IOC-Aspirant Jochen anfangs wie plumpe Stereotypen wirken, erfährt jeder von ihnen früher oder später einen Moment, der mit diesem ersten Eindruck bricht.

    Das gilt auch für den cholerischen Hausmeister Sven Brunner (Stefan Konarske, ermittelte bis 2017 als Oberkommissar Daniel Kossik im „Tatort“ aus Dortmund), der für die wenigen heiteren Momente in diesem bedrückenden Krimidrama verantwortlich zeichnet: Brunner sammelt mit seinen im Grunde meist durchaus nachvollziehbaren Aggressionen („Warum sollte ich das tun, du Bullenarsch!?“) Sympathiepunkte und bringt bei den regelmäßigen Aufeinandertreffen mit den Kommissaren ordentlich Stimmung in die Bude. Für den seltsamen Fosco Cariddi (Bruno Cathomas), der zum dritten Mal als Vorgesetzter von Janneke und Brix mit von der Partie ist, gilt das weniger: Cariddi wirkt im Frankfurter „Tatort“ nach wie vor wie ein Fremdkörper und ist diesmal weniger mit dem zu lösenden Mordfall beschäftigt als mit der Suche nach einem Gewalttäter, der ihm in der Eröffnungssequenz die Nase demoliert. Deutlich runder wirkt da schon der Soundtrack: Dank des Desire-Songs „Under Your Spell“, dessen Klänge bereits Nicolas Winding Refns Neo-Noir-Meisterwerk „Drive“ veredelten, weht sogar ein Hauch von Hollywood durch diesen unaufdringlich vertonten Frankfurter „Tatort“, in dem es für die Fans der Krimireihe noch einen pikanten Verweis auf die Kollegen vom Franken-„Tatort“ zu entdecken gibt.

    Fazit: Mit Hermine Huntgeburths „Tatort: Unter Kriegern“ meldet sich der Sonntagskrimi aus Frankfurt nach einem kleinen Durchhänger in alter Stärke zurück.

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