Eine müde Fortsetzung
Von Carsten BaumgardtNormalerweise versuchen Filmemacher Klischees so gut wie möglich zu vermeiden, um die Zuschauer nicht zu langweilen. Ganz anders der Franzose Philippe de Chauveron („Alles unter Kontrolle!“), der 2014 in „Monsieur Claude und seine Töchter“ einfach mal so viele Klischees aneinanderreihte, wie ihm nur irgendwie eingefallen sind – und seine boulevardeske Culture-Clash-Komödie zudem noch mit einer deftig-bodenständigen „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Attitüde würzte. Dieses ethisch sicherlich grenzwertige, aber mit furiosem Tempo und Witz ausgestattete Lustspiel traf den Nerv des französischen wie des deutschen Publikums wie eine Ladung aus dem Schrotgewehr. Wenn ein Film in seinem Heimatland mehr als zwölf Millionen Besucher anlockt (und in Deutschland sensationelle 3,9 Millionen), dann muss nach den Gesetzen des Marktes irgendwann einfach eine Fortsetzung her. Im Fall von „Monsieur Claude 2“ ist der deutsche Untertitel „Immer für eine Überraschung gut“ allerdings eine schamlose Fehlbeschreibung. Denn überraschend ist an dem Sequel wirklich gar nichts. Stattdessen entpuppt sich „Monsieur Claude 2“ als ein müder Aufguss ohne Esprit.
Monsieur Claude Verneuil (Christian Clavier) und seine Frau Marie (Chantal Lauby) kommen gerade von ihrer Weltreise zu den Schwiegereltern ihrer vier Töchter Odile (Julia Piaton), Isabelle (Frédérique Bel), Laure (Elodie Fontan) und Ségoène (Emilie Caen) zurück. Die haben allesamt französische Einwanderer unterschiedlicher ethnischer Herkunft geheiratet – aus China, der Elfenbeinküste, Algerien und Israel. Auch wenn sich das Familienoberhaupt Claude inzwischen mit der Existenz seiner Schwiegersöhne arrangiert hat, sind es plötzlich Chinese Chao (Frédéric Chau), Jude David (Ary Abittan), Muslim Rachid (Medi Sadoun) und der Afrikaner Charles (Noom Diawara), die genug von Frankreich haben und mitsamt ihren Familien auswandern wollen. Claude und noch mehr Marie bekommen Panik, dass sie ihre Töchter und Enkelkinder dann kaum noch sehen werden. Gemeinsam laden die Eheleute ihre Schwiegersöhne zu sich aufs Land ein, um sie von den Vorzügen ihrer französischen Heimat zu überzeugen…
Chantal Lauby, Christian Clavier, Noom Diawara, Élodie Fontan und Pascal NZonzi in "Monsieur Claude 2".
Die gute Nachricht zuerst: Der Cast von „Monsieur Claude und seine Töchter“ ist in der Fortsetzung „Monsieur Claude 2“ wieder vollständig vertreten. Auch für das Drehbuch zeichnen mit Regisseur Philippe de Chauveron und Guy Laurent erneut dieselben Autoren verantwortlich. Das verhindert aber nicht, dass sich die Weiterführung der Geschichte wie eine bemühte Pflichtübung anmutet, in der jede Figur irgendwie ein klein bisschen was zu tun bekommen soll, selbst wenn das in den allermeisten Fällen weder sonderlich lustig noch sonderlich bissig ist. Das Konzept des ganz bewusst klischeehaften Culture-Clashs wirkt erschöpft und nur noch konstruiert. Ja, die Afrikaner brüllen gern hysterisch, der Jude ist ein Choleriker, der Chinese ein Speichellecker. Die Rassenklischees werden auch in „Monsieur Claude 2“ weiterhin mit Wonne gepflegt. Man versucht sich in Variationen der Gags des ersten Teils, aber die wirken im zweiten Durchlauf längst nicht mehr so frisch, sondern meist einfach nur noch bemüht.
Das geht schon mit der Weltreise der Verneuils zu den Eltern ihrer Schwiegersöhne los, die sie (fast) nur in Erzählungen wiedergeben, statt diese offenbar skurrilen Situationen durch Bilder lebendig werden zu lassen. Das ist in etwa so, als wenn jemand behaupten würde, ein Diavortrag einer aufregenden Reise wäre besser als das Abenteuer selbst zu erleben. Aber auch inhaltlich geht dieser Teil nach hinten los, weil er hauptsächlich daraus besteht, dass sich der heimatliebende grob-charmante Chauvi Claude mit einer Reihe von „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Gags vermeintlich in die Nesseln setzt, indem er die kulturellen Unterschiede offen am Familienesstisch ausspricht. Nur ist an seinen Ausführungen nichts tatsächlich Anstößiges und Tabuhaftes, wie es dem Zuschauer hier weisgemacht werden soll. Das heiße Klima in Algerien ist gewöhnungsbedürftig, die Sicherheitskontrollen in Israel sind sehr scharf, das Essen in China ist nur etwas für Hartgesottene und in Afrika gehen die Uhren generell anders – das sind keine Aufreger und das ist auch nicht lustig. Überhaupt bemüht sich Regisseur Philippe de Chauveron krampfhaft, Kontroversen auszulösen. Aber der Biss fehlt.
Der erste Teil lebte noch von dem ungebremsten Aufeinandertreffen der Kulturen und ihrer Unterschiede. Doch nach der Befriedung des Konflikts müssen neue gefunden werden und damit tut sich de Chauveron schwer. Seine zentrale Handlungsidee, dass die vier Familien in Frankreich so unzufrieden sind, dass sie das Weite suchen, wirkt wenig überzeugend und unmotiviert konstruiert. Erst wenn der inzwischen pensionierte Anwalt Monsieur Claude seine Vorurteile endgültig überwindet und sich als großer brummeliger Versöhner mächtig ins Zeug legt, um die skeptischen Migrations-Franzosen von der Pracht „seines Frankreichs“ zu überzeugen, wird es amüsanter und einfallsreicher, weil „Monsieur Claude 2“ keine Hemmungen mehr zeigt und zum puren Klamauk wird, sobald Claude aberwitzige Situationen herbeiführt, um seine Schwiegersöhne zu beeindrucken. Hier stimmen Tempo und Timing zur Abwechslung mal und das gezähmte Rumpelstilzchen Christian Clavier („Die Besucher“) wird endlich von der Leine gelassen. Vorher blitzen seine Spitzen („Es war nicht alles schlecht bei der Kolonisation“ als Kommentar zur algerischen Architektur) nur selten auf.
Neben den schon im Vorgänger etablierten Aufreger-Themen werden ein paar neue Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Da geht es um Homosexualität in Afrika oder um Kriegsmigranten in Frankreich. Das arbeitet de Chauveron im klassischen Lustspielstil ab und lässt Charles‘ afrikanischen Traditionalisten-Vater André (Pascal N‘Zonzi) empört auflaufen. Doch der Affront kündigt sich schon so weit im Voraus an, dass der Witz des Eklats ohne jede Überraschung ausfällt. Das gilt auch für die kleine Episode um den vermeintlichen afghanischen Taliban-Migranten Arash. Die „Gartenhaus-Pointe“ ist für sich genommen womöglich schon lustig, aber viel zu durchsichtig vorbereitet, um als Schlag vor den Kopf voll zu zünden. Über „Monsieur Claude und seine Töchter“ konnte man sich mächtig aufregen und ihn als rassistischen Mummenschanz abtun. Oder man konnte sich prächtig über die politisch unkorrekten Pointen amüsieren. In der Fortsetzung fällt beides aus. Dafür ist der Film viel zu zahnlos.
Fazit: Das Spiel mit den 1.000 Klischees fällt in der Komödien-Fortsetzung weit milder und überraschungsarmer aus. Dem müden „Monsieur Claude 2“ fehlen der rüde Charme und das aberwitzige Tempo des ersten Teils an jeder Ecke.