Der neue Thanos ist endlich da - und was für einer!
Von Julius Vietzen„Ant-Man“ und „Ant-Man And The Wasp“ nehmen in gewisser Weise eine Sonderrolle im Marvel Cinematic Universe (MCU) ein: Sie stehen ziemlich für sich und spielen für die großen Entwicklungen im Avengers-Universum nur eine Nebenrolle. Passend dazu mussten Ant-Man und Co. in den ersten beiden Filmen auch nicht den Weltuntergang abwenden, sondern „lediglich“ einen fiesen Geschäftsmann und einen Schwarzmarkthändler aufhalten.
Doch bei „Ant-Man And The Wasp: Quantumania“ ist nun alles anders: Hier müssen Scott Lang, Hope van Dyne und Co. nämlich nicht nur eine, sondern gleich unzählige Welten retten – und dabei bekommen sie es auch noch mit dem „neuen Thanos“ zu tun: Kang The Conqueror wird hier als neuer Haupt-Widersacher der Avengers eingeführt! Eine gewagte Wandlung wie vom ameisenkleinen Ant-Man hin zum riesigen Giant-Man, die dank des MCU-typischen Humors, starker „Star Wars“-Vibes sowie eines grandiosen Bösewichts jedoch richtig gut funktioniert – zumindest bis zum etwas generisch geratenen Finale.
Cassie (Kathryn Newton) und Scott Lang (Paul Rudd) verschlägt es in die Quantenebene.
Scott Lang (Paul Rudd) hat in „Infinity War“ und „Endgame“ mit den anderen Avengers die Welt gerettet und genießt nun die Früchte des gemeinsamen Erfolgs: Er ist berühmt, sein Buch ist ein Bestseller und er bekommt sogar Gratis-Kaffee spendiert, selbst wenn er im Coffeeshop mit Spider-Man verwechselt wird. Nur seine Tochter Cassie (Kathryn Newton) ist nicht damit einverstanden, dass sich Ant-Man auf seinen Lorbeeren ausruht. Sie hat gemeinsam mit ihrem Opa Hank Pym (Michael Douglas) eine Maschine gebaut, mit der man die Quantenebene erforschen kann.
Als sie den Apparat einschalten, werden Scott, Cassie, Hank, Hope van Dyne (Evangeline Lilly) und Janet van Dyne (Michelle Pfeiffer) jedoch (wieder) in den Mikrokosmos gesaugt. Und dort wartet schon jemand auf sie: Während der 30 Jahre, die Janet im Quantenreich gefangen war, traf sie hier einst auf den mächtigen Eroberer Kang (Jonathan Majors). Nun braucht Kang die Kräfte von Ant-Man, um sein kaputtes Raumschiff wieder flottzumachen und seinen Eroberungsfeldzug quer durch das Multiversum fortsetzen zu können...
„Ant-Man And The Wasp: Quantumania“ beginnt mit einer kurzen Einführung in San Francisco, doch schon nach wenigen Minuten geht das eigentliche Quantum-Abenteuer los – und genau das stellt sich als eine der größten Stärken des neuen „Ant-Man“-Films heraus: Während die Quantenebene in den vorherigen beiden Filmen nur kurz zu sehen war, kann der zum dritten Mal als „Ant-Man“-Regisseur tätige Peyton Reed nun in vollen Zügen diesen fantastischen Mikrokosmos erkunden.
Nach der Bruchlandung muten die ersten Momente in der Quantenebene beinahe an wie damals die ersten Schritte von Laura Dern, Sam Neill und Jeff Goldblum im „Jurassic Park“ – nur mit Schneckenpferden und fliegenden Rochen anstelle von Brontosauriern und Pteranodons. Doch schon bald stellt sich heraus, dass hier nicht nur allerlei fantastische Tierwesen leben, sondern auch ganze Zivilisationen entstanden sind – und ab hier verneigt sich Reed dann ausgiebig vor den ikonischen Bildwelten der „Star Wars“-Saga.
Cassie und Scott treffen die Bewohner*innen des Quantenreichs.
Wie in der weit, weit entfernten Galaxis gibt es nämlich auch in der Quantenebene nicht nur Menschen und menschenähnliche Kreaturen, sondern auch andere Spezies – von Quallen-artigen Tentakelwesen, die sich über Scotts Körperöffnungen wundern, über wandelnde Brokkoli bis hin zu Robotern, die aus ihren Kanonenköpfen Energiestrahlen schießen können.
Und wie beim großen Vorbild „Krieg der Sterne“ darf natürlich auch eine Cantina-Szene nicht fehlen, bei der dann Bill Murray seinen großen Auftritt feiert. Der Comedy-Kult-Star sorgt – gemeinsam mit den anderen kunterbunten Bewohner*innen des Quantenreichs – für einige der lustigsten Szenen, egal ob er nun niedliche Tintenfische mit Kulleraugen verspeist oder hemmungslos mit Michelle Pfeiffers Janet van Dyne flirtet.
Aber selbst hier hören die Gemeinsamkeiten zwischen „Ant-Man“ und „Star Wars“ nicht auf: Während die irdischen Figuren die Quantenebene erkunden, merken sie schnell, dass es dort auch eine Art Imperium und eine Art Rebellenallianz gibt. Kang hat sich nämlich zum Herrscher über die Quantendimension aufgeschwungen und regiert diese mit eiserner Hand, während einige hoffnungslos unterlegene Freiheitskämpfer*innen Widerstand gegen seine an Sturmtruppler erinnernden Fußsoldaten leisten.
Mit dieser Konstellation hat Reed das ideale Mittel zur Hand, um den ersten richtigen Auftritt von Kang möglichst lange hinauszuzögern – und dann mit einem großen Trommelwirbel anzukündigen. Aber das Wichtigste ist: Jonathan Majors („Creed III“) enttäuscht die hochhaushoch aufgetürmten Erwartungen nicht! Ganz im Gegenteil: Nachdem Majors bereits bei seinem ersten MCU-Auftritt als Kang-Variante Jener-der-bleibt in „Loki“ angedeutet hatte, wie viel Potenzial in seiner schillernden Figur schlummert, löst er dieses Versprechen nun mehr als ein.
Jonathan Majors begeistert als neuer MCU-Oberbösewicht Kang!
Als Kang der Eroberer changiert Majors mühelos zwischen entwaffnendem Charme, gnadenloser Bedrohlichkeit und explosiven Wutausbrüchen. So erschafft er einen Bösewicht, dessen intellektuelle und körperliche Überlegenheit jederzeit glaubhaft ist. Quasi eine Art Thanos, nur ohne die lila Haut und das markante Kinn. Erst im großen Finale bekommt Majors' makellose Darstellung ein paar Kratzer, weil ihn das Drehbuch von „Rick And Morty“-Autor Jeff Loveness, der demnächst dann auch „Avengers 5: The Kang Dynasty“ schreiben wird, in eine unnötig passive Rolle drängt.
Sowieso ist dieses Finale nicht die größte Stärke von „Quantumania“, weil Loveness und Reed hier nicht allzu viel einfällt, um ihren Film von anderen (Marvel-)Blockbustern abzuheben – abgesehen vielleicht von den obligatorischen (Helfer-)Ameisen sowie dem Spiel mit den Schrumpf- und Wachstumskräften von Scott, Hope und (erstmals) Cassie. Aber auch das kennen MCU-Fans bereits aus den vorherigen „Ant-Man“-Filmen.
Besonders schade ist das, weil neben dem visuellen Spektakel und dem actionlastigen Showdown beinahe untergeht, was „Ant-Man“ und „Ant-Man And The Wasp“ im Kern auszeichnete: Scott, seine Patchwork-Familie und insbesondere die herzerwärmende Beziehung zwischen Scott und Cassie kommen dieses Mal ein wenig zu kurz. Dass Cassie hier die ersten Gehversuche auf eigenen (Superheldinnen-)Beinen unternimmt, während Scott lernt, die Unabhängigkeit seiner fast erwachsenen Tochter zu akzeptieren, haken Loveness und Reed beinahe im Vorbeigehen ab. So bleibt das volle emotionale Potenzial von „Ant-Man And The Wasp: Quantumania“ unausgeschöpft.
Fazit: „Ant-Man And The Wasp: Quantumania“ ist ein beinahe kompletter Gegenentwurf zu den ersten beiden Filmen der Reihe, aber das ist dank der spektakulär bebilderten Quantenebene sowie dem großartigen Bösewicht Kang überhaupt nicht schlimm. Nur der emotionale (Patchwork-)Kern der Geschichte kommt etwas zu kurz.