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    Holiday - Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Holiday - Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit

    Ein hochglänzender Tritt in den Hintern des Kapitalismus

    Von Thorsten Hanisch

    Vor einiger Zeit veröffentlichte der amerikanische Indie-Regisseur Scott Schirmer mit „The Bad Man“ eine hammerharte Kapitalismuskritik im Horrorfilmgewand, die so brachial ausfiel, dass hierzulande die Originalversion um satte 21 Minuten gekürzt werden musste, um die FSK auch nur dazu zu bewegen, den Film zumindest für Volljährige (!) freizugeben. Die schwedische Regisseurin und Drehbuchautorin Isabella Eklöf (Co-Autorin des oscarnominierten „Border“) hat dasselbe Anliegen, baute um den antikapitalistischen Kern aber einen betörend schön gefilmten, teilweise sehr krassen Gangsterfilm, der so zwar ohne Zensur davonkam, aber eben auch mehr durch eine regelrechte Anti-Dramaturgie als durch eine hyperbrutale Vergewaltigungsszene provoziert. Etwas schade ist, dass Eklöf auf inhaltlicher Seite leider nicht viel einfällt - das Geld den Menschen aushöhlt, ist nicht unbedingt eine neue Offenbarung. Sehenswert ist „Holiday – Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit“ aufgrund der überaus gelungenen formalen Ebene dennoch – und letztendlich ist Kapitalismuskritik ja irgendwie auch nie verkehrt!

    Sascha (Victoria Carmen Sonne), die junge Geliebte des Drogendealers Michael (Lai Yde), verbringt mit ihrem Freund und seinen Kumpels ein paar Tage in Bodrum an der türkischen Rivieria. In malerischer Kulisse vertreibt sich die Truppe den Tag mit Sonnebädern, Wasserpark-Besuchen, Grillparties oder Restaurantbesuchen. Doch die Idylle trügt: Michael ist ein brutaler Sadist, für den Menschen in erster Linie kauf- und nach Belieben nutzbare Objekte darstellen. Und so reagiert der Herrschsüchtige auch entsprechend, als Sascha den Niederländer Thomas (Thijs Römer) kennenlernt und sich hinter Michaels Rücken mit ihm trifft. Eine Dreieckskonstellation, die einfach gar nicht gut enden kann …

    Ein sonniges Urlaubsfoto? Aber man beachte die blutigen Fußabdrücke ...

    Es ist schon bewundernswert, mit welcher Kühnheit „Holiday“ seine Zuschauer von Beginn an auflaufen lässt: Der Film startet schließlich direkt mit der Ankunft Saschas am Flughafen von Bordum sowie einer kurz darauf stattfindenden, unerfreulich verlaufenden Unterhaltung der jungen Frau mit einem sonnenbebrillten Kollegen ihres Mannes, die sich um entwendetes Geld dreht und mit zwei saftigen Ohrfeigen endet. Dieser Auftakt stößt den Zuschauer nicht nur praktisch mit der Nase drauf, dass hier was nicht ganz koscher ist, sondern schürt auch die Erwartungen nach den typischen Thriller-Versatzstücken. Doch dann passiert erst einmal…

    … absolut nichts: Sascha begrüßt ihren gutaussehenden und auf den ersten Blick durchaus nicht unsympathisch wirkenden Lover, hängt unter anderem zusammen mit ihm und seinen prolligen Freunden am Pool ab, fährt durch die pittoreske Landschaft, geht teuren Schmuck kaufen oder Eis essen. „Holiday“ mutet dabei vor allem in einer Sequenz, in der die ganze Bande am Strand lümmelt und aufgefordert wird, doch bitte die Musik leiser zu drehen, fast schon ein bisschen wie ein entfernter Hochglanz-Verwandter von Gerard Polts Italienurlaubs-Satire „Man spricht deutsh“ oder der Strandepisode von „Eine schrecklich nette Familie“ (1987 – 1997) an. Der Film lullt einen mit wunderbar anzuschauenden Urlaubsbildern und entspannter Ereignislosigkeit erst mal so richtig schön ein, wobei ungeduldige Naturen mit dieser Phase sicherlich so ihre Mühe haben werden.

    Achtung: Der nächste Absatz enthält Spoiler, ohne die uns eine Kritik zum Film nicht sinnvoll erscheint!

    Erst ganz allmählich tut sich ein immer größerer Abgrund hinter den traumhaften Bildern auf, der in Saschas völlig unvermittelt losbrechender, minutenlanger, drastisch und explizit gefilmter Vergewaltigung kulminiert. Das eigentlich Erschreckende aber: Es gibt keine daraus resultierende dramaturgische Entwicklung, alles geht so weiter wie zuvor, „Holiday“ behält seinen Offbeat-Rhythmus auch anschließend konsequent bei: Man erlebt weiter den Alltag der Gangstertruppe, sieht sie beim ausgiebigen Feiern und Karaoke singen. Sascha scheint sich hingegen schnell wieder erholt zu haben, vom Schock des Erlebten keine Spur.

    Eklöf hat offensichtlich kein Interesse an einer konventionellen Dramaturgie und schon gar nicht am Abarbeiten von Genre-Motiven. Stattdessen versteht sie ihren Film wohl vor allem als bitteres, anklagendes Gesellschaftsporträt. Die Gangster und Frauen unter Michael sind ein Platzhalter für eine Überflussgesellschaft, die in einer schönen, bunt schillernden Blase lebt, diese um jeden Preis erhalten will und bereit ist, nicht nur alles dafür zu tun, sondern auch alles mit sich machen zu lassen.

    Michael macht mit SEINER Sascha, was er will ...

    Leider formuliert der an sich faszinierende Film, der ein bisschen die Bilder und die Stimmung liefert, die man beim Lesen der Romane von Bret Easton Ellis („American Psycho“) im Kopf hat, sein ohnehin klar erkennbares Anliegen im letzten Drittel noch einmal überdeutlich aus. Das ist schon ein wenig schade: Als Michael auf Thomas trifft, erzählt der Niederländer, dass er einst im Verkauf (!) tätig war, was ihn aufgefressen (diese Lügen! dieses Betrügen! dieser Hass!) und dazu gebracht hat, alles hinzuschmeißen und seitdem mit einem Boot über die Meere zu segeln, denn er will nie wieder so sorglos mit seiner Seele umgehen. Etwas, was Michael, dem bereits der Begriff „Seele“ suspekt ist, natürlich nicht im Geringsten nachvollziehen kann, denn er sieht in einem großen Boot nur ein geeignetes Mittel, um reihenweise Frauen abzuschleppen. Trotz dieses unnötigen Ausbuchstabierens auf der Zielgeraden ist dann aber zumindest das Ende wieder sehr gelungen – wenig überraschend, aber unbedingt konsequent.

    Fazit: Natürlich wäre es schön gewesen, wenn „Holiday“ seine narrative Radikalität bis zum Ende durchhalten würde, und dennoch: Isabella Eklöf ist ein wahrhaft beeindruckendes, den Zuschauer konsequent vor den Kopf stoßendes Debüt gelungen, das man allein schon aufgrund der tollen Bilder auch unbedingt im Kino ansehen sollte.

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