Eine Bedrohung in den vermeintlich sicheren Hafen der eigenen vier Wände eindringen zu lassen, das gehört zum kleinen Einmaleins der Horrorfilm- und Thrillermacher. Seien es Geister und Dämonen, die ihr übernatürliches Unwesen treiben oder handfest-realistische Varianten mit brutalen Einbrechern – das Szenario hat mit seinen diversen Spielarten im Lauf der Filmgeschichte schon zahlreiche Klassiker und noch mehr Durchschnittsware hervorgebracht. Mit „Open House“ versucht sich Regiedebütant Matt Angel nun an einer weiteren Variante und orientiert sich dabei vor allem an den Slasherfilmen der späten 70er und frühen 80er Jahre, denn viele seiner Kameraeinstellungen, Effekte und Situationen kennt man aus Klassikern wie „Halloween“ oder „Freitag, der 13.“ (einschließlich Duschszenen). Diese Versatzstücke nutzt Angel, der gemeinsam mit Suzanne Coote auch das Drehbuch geschrieben hat, zwar zu großen Teilen recht wirkungsvoll, aber inhaltlich bleibt sein handwerklich solider Thriller unbefriedigend – vor allem das Finale enttäuscht.
Das Leben des jungen Logan (Dylan Minette, „Tote Mädchen lügen nicht“) verändert sich von einem Moment zum anderen radikal: Er muss mitansehen, wie sein Vater (Aaron Abrams) überfahren wird und stirbt. Logan und seine Mutter Naomi (Piercey Dalton) sind am Boden zerstört, müssen aber dennoch irgendwie weitermachen. Und das bedeutet für sie, dass sie aus dem Haus ausziehen müssen, das sie sich nun nicht mehr leisten können. Schließlich bietet Naomis Schwester den beiden ihr Ferienhaus in den Bergen an, das ohnehin zum Verkauf steht. Einziger Nachteil: Logan und Naomi müssen jeden Sonntag kurzfristig ausziehen und den Tag woanders verbringen, während das Haus als „Open House“ von Kaufinteressierten besichtigt wird. Und nach dem ersten Termin gehen plötzlich merkwürdige Dinge im Haus vor sich. Hat die schrullige Nachbarin Martha (Patricia Bethune) damit zu tun? Oder der nette Verkäufer (Sharif Atkins) aus dem Laden? Bald trauen Mutter und Sohn niemandem mehr…
Welche Idee oder welcher Auslöser genau am Anfang eines schöpferischen Prozesses gestanden hat, lässt sich von außen nie sicher sagen, aber eines steht im Falle von „Open House“ fest: Es kann nicht das Ende gewesen sein, das die Geschichte inspiriert hat. Eine Mystery-Handlung braucht eine Auflösung und sei es die, dass der Ausgang eben nicht rational erklärbar ist. Ganz egal, ob alle Fragen beantwortet werden oder ob das Ende mehr oder weniger offen ist – es sollte nicht beliebig wirken. Aber genau das ist hier der Fall. Nachdem sie zuvor recht geschickt verschiedene Erklärungsmöglichkeiten angedeutet haben, flüchten sich die Macher schließlich in eine hanebüchene Lösung, die irgendwie gar keine ist. Dabei hat es ganz klassisch und ziemlich unheimlich begonnen: Zuerst verschwinden Gegenstände und tauchen anderswo wieder auf, beim Duschen geht der Boiler aus – immer wieder passieren Dinge, für die es eine ganz harmlose Erklärung geben könnte, trotzdem erhärtet sich schnell der Verdacht, dass sich ein Fremder im Haus herumtreibt. Die besondere Situation, dass es sich um ein open house handelt, verstärkt das Gefühl von Verletzlichkeit und Angreifbarkeit bei den beiden Protagonisten noch, schließlich schleichen sowieso an jedem Wochenende ganz offiziell Unbekannte durch die Räume.
Matt Angel legt zu Beginn geschickt Spuren aus, die den Zuschauer beschäftigen und in die Irre führen. Und er erzeugt mit suggestiven Kamerafahrten einfach und effizient Spannung. Mal folgt er Logan oder Naomi voyeuristisch gleichsam aus Täterperspektive, mal schaut er seinen Helden von vorn über die Schulter und zeigt das, was Mutter und Sohn gerade nicht sehen. Und dann schleicht die Kamera selbst wie ein Dieb durchs Haus – still und bedrohlich kommt sie den schlafenden Bewohnern immer näher. Mal erscheint einem diese Nebenfigur als plausibler Eindringling, mal jene und mal hält man auch eine völlig andere Variante für wahrscheinlich – diese Ratespiel macht recht lange Spaß und die guten Hauptdarsteller sorgen dafür, dass wir mit ihren Figuren zittern. Aber dann verzettelt sich Angel zunehmend, nimmt das Erzähltempo zurück und multipliziert zugleich die Andeutungen, die in immer abstrusere Richtungen führen – was bei angezogener Handbremse umso stärker auffällt. In den letzten 20 Minuten entfacht er formal dann zwar sein ganzes Terrorpotenzial und in einigen Momenten geht der Film sogar extrem an die Nerven. Aber diese Wirkung verfliegt angesichts der halbgaren Auflösung sofort wieder.
Fazit: Gut inszenierter, aber insgesamt unausgegorener Thriller, der für seinen guten Start kein angemessenes Ende findet. Letztlich bleibt kaum mehr als ein paar gruselige Momente.