Der neuseeländische Regisseur Taika Waititi hat auf Basis des Romans „Caging Skies“ (2004) von Christine Leunens eine Satire für das Kino geschaffen.
Der zehnjährige Johannes „Jojo“ Betzler (Roman Griffin Davis) möchte ein guter Hitlerjunge werden. Obwohl der Führer (Taika Waititi) sein imaginärer Freund ist, klappt das nicht so recht. Ein Unfall unterbricht sein Vorhaben. Als Jojo entdeckt, dass Mutter Rosie (Scarlett Johansson) das jüdische Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie) auf dem Dachboden versteckt hält, entstehen weitere Probleme.
Adolf Hitler in einem Film mit Spaßfaktor?! Das Script des Neuseeländers wurde jahrelang nicht verfilmt. Klar, eine solche Produktion ist dem Gegenwind eines großen Teils der Kritiker ausgesetzt (vgl. „Er ist wieder da“, 2015 von David Wnendt). In den US-Filmfabriken wird eher angenehm Kalkulierbares gewünscht. Einiges Zählbares hat Waititi mit „Boy“ (2010), „5 Zimmer, Küche, Sarg“ (2014) und „Wo die wilden Menschen jagen“ (2016) längst erreicht. Das Projekt ist schließlich mit einem starken Cast umgesetzt worden. Vor dem Kinostart in Deutschland hat „Jojo Rabbit“ bereits viele Preise und Nominierungen erhalten.
Der Nationalsozialismus soll mit all seinen volksverhetzenden Idealen veralbert werden. Das gelingt zunächst auf gleichbleibend hohem Niveau mittels überzogener Dialoge sowie Slapstickelementen. Hitler wird durch den als Schauspieler erfahrenen Regisseur selbst verkörpert und ersetzt in Jojos Welt dessen Vater, denn der kämpft im Krieg in Italien. Geradezu dümmlich harmlos fuchtelt der Führer auf der Leinwand umher, doch diese Erscheinung ist als eine auf Jojo abgestimmte Karikatur perfekt in den Film eingepasst. Einige schwarzweiße-Einspieler aus der Zeit des Dritten Reichs sind montiert. Es ertönt Musik mit deutschen Texten, z.B. von den Beatles und David Bowie. Mit dem Humor muss das Publikum zurechtkommen, aber erst viel später folgt der eigentliche Geniestreich.
„Tanzen bedeutet Freiheit“, sagt Elsa. In dem Zehnjährigen kämpft die Manipulation gegen die Wirklichkeit, gegen eine andere Überzeugung, gegen Liebe. Das arbeitet Waititi insbesondere mit der Interaktion zwischen Jojo und der Jugendlichen Elsa dem Altersunterschied entsprechend eindrucksvoll heraus. Roman Griffin Davis ist in seiner ersten Rolle ein richtiger Glücksgriff, denn die Gefühle des jungen Nazi-Verehrers lassen sich aus der Körpersprache mühelos ablesen. Der herausragend, mit allmählicher Zuspitzung angeordnete Plot sorgt ebenfalls dafür. Dazu erhöhen die Szenarien mit dem ständigen Fokus auf Jojo dessen Präsenz. Nur in wenigen Augenblicken, etwa wenn Rosie mit Elsa spricht, wird von dieser Vorgehensweise abgewichen. Dass nicht nur kleine Jungs der Verführung des Nationalsozialismus erlegen waren, bringt der Zuschauer als Wissen mit.
„Jojo Rabbit“ wechselt die Gangart. Der kleine Betzler fällt in die Realität, ohne die Fantasie völlig aus den Augen zu verlieren. Betroffenheit macht sich breit. Damit beweist Taika Waititi die Wirksamkeit seines gleichermaßen absurden wie feinsinnigen Konstrukts als Antikriegsfilm.