Mein Konto
    Hot Air
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Hot Air

    Heiße Luft trifft es eigentlich ganz gut

    Von Thorsten Hanisch

    Es gibt Filme, die man eigentlich mögen will, die aber trotzdem keine so rechte Begeisterung entfachen, obwohl prinzipiell alles im Lot ist: Die Darsteller überzeugen, die Inszenierung gibt sich keine Blöße und das Drehbuch punktet mit dem richtigen Anliegen zur passenden Zeit. Aber das nutzt alles nichts, wenn sich das Skript darüber hinaus durch eine Mutlosigkeit auszeichnet, die sich in einer altbewährten bis ausgelutschten Figurenkonstellation und einer überdeutlich hinausposaunten Message äußert: „Hot Air“ von Frank Coraci („Eine Hochzeit zum Verlieben“) ist so ein Film. Erzählt wird von einem zwar erfolgreichen, aber aufgrund seiner beleidigenden Art und erzkonservativen Ausrichtung nicht unumstrittenen Radiomoderator, der sich eines Tages plötzlich um seine alles andere als auf dem Mund gefallene Nichte kümmern muss und dadurch eine große persönliche Entwicklung durchmacht. Das ist zwar mäßig amüsant, reißt aber nie wirklich mit, auch weil schon nach wenigen Minuten ohnehin glasklar ist, wie das alles ausgehen wird.

    Seit 20 Jahren ist Moderator Lionel Macomb (Steve Coogan) dank seiner ungehobelten Art und seinem rasiermesserscharfen Verstand ein extrem erfolgreicher Radiostar, der mit seinen aufrührerischen, polemischen Ansichten zu Themen wie Gesundheitsversorgung oder Einwanderung die hitzigen Debatten einer Nation prägt und auf Millionen von Zuhörern Einfluss ausübt. Aber kein Ruhm hält ewig und so befindet sich der mittlerweile sehr wohlhabende Lionel am Scheidepunkt: Mit seinem früheren Schützling Gareth Whitley (Skylar Astin), mittlerweile die gütige und freundliche Stimme des konservativen Flügels, kämpft er um die Quoten. Außerdem ist er in eine öffentlichen Streiterei mit einer mächtigen Senatorin (Judith Light) verwickelt, was seine Karriere noch zusätzlich ins Straucheln zu bringen dorht. Zu allem Überfluss taucht plötzlich auch noch Macombs 16-jährige Nichte Tess (Taylor Russell McKenzie) auf. Die ist nämlich ebenso smart wie entschlossen und bringt ihren Onkel langsam dazu, sein bisheriges Leben und Wirken in Frage zu stellen …

    Radiomoderator Lionel Macomb (Steve Coogan) wandelt sich vom Saulus zum Paulus.

    „Hot Air“ startet mit dem Auftakt einer von Lionels Radiosendungen. Darin bezeichnet er sich selbst nicht nur großspurig als „ehrlicher Begleiter, der die Wahrheit sagt“, er trägt auch einen Anstecker in Form der amerikanischen Flagge am Revers. Wenn er sich direkt an „die Müden, die Armen, die kauernden Massen, die Ausgenutzten, die Underdogs, die Frustrierten, also alle, die es satt haben“ wendet, dann fordert Lionel nicht einfach nur eine Mauer. Nein, er fordert einen Graben mit einer Mauer dahinter – und ganz viel Stacheldraht obendrauf! So wird der nicht nur an Talkradio-Dampfplauderer wie Alex Jones, sondern von seinen Ansprachen fast noch mehr an einen gewissen orangenfarbenen Präsidenten erinnernde Protagonist schon in den ersten Minuten mit einem ganz groben Pinsel eingeführt. Und wenn dann kurz darauf Tess auftaucht, ein charismatisches, schwarzes Mädchen, das - mit einer Polaroid-Kamera bewaffnet - neugierig die Großstadt inspiziert, ahnt man natürlich schon, wohin die Reise geht. Wobei „ahnt“ eigentlich ein zu schwaches Wort ist. Man weiß es einfach ...

    ... und so kommt es dann auch: Vor allem diejenigen, die irgendwann schon mal den ARD-Weihnachtsdauerbrenner „Der kleine Lord“ aus dem Jahr 1980 gesehen haben, können theoretisch eigentlich direkt wieder abschalten. Coraci frühstückt in seiner Komödie nämlich die bekannte Story vom alten Griesgram, der durch ein Kind zu einem neuen, besseren Menschen wird, völlig überraschungsfrei ab - daran ändern auch gewisse Modernisierungen (Tess droht ihren Onkel mit einem negativen Tweet, wenn er sie nicht bei sich aufnimmt) nichts. Dass man trotzdem mild amüsiert bleibt, ist so einzig und allein der recht schwungvollen Inszenierung und dem spielfreudigen Hauptdarsteller Steve Coogan zu verdanken. Er macht den Wandel vom empathielosen, versteinerten Egomanen zum verletzlichen, reflektierten Menschen, der nicht länger einfach nur boshafte Spitzen abfeuern, sondern tatsächlich mit anderen in den Dialog treten will, nuanciert greifbar. Allerdings ist das auch die einzige Rolle, die eine größere Entwicklung durchmacht, der Rest der Besetzung bleibt bis zum Schluss ein bloßes Mittel zum Zweck.

    Fazit: Eigentlich hochaktuell und doch schrecklich altbacken. „Hot Air“ serviert zu einer Zeit, in der sich die Gräben zwischen den Menschen immer weiter vertiefen, punktgenau die passende Botschaft. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, dass die Macher ihr hehres Anliegen in ein nicht ganz so schlichtes Drehbuch verpackt hätten, das am Ende dann doch nicht mehr als eher belanglosen Zeitvertreib im Sinn hat.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top