Die sozialistische Antwort auf das DCEU
Von Oliver Kube1989 hob der legendäre Comic-Verlag DC, die Print-Heimat von Batman, Superman, Wonder Woman & Co., sein Sub-Label Elseworlds aus der Taufe. Wie der Name schon andeutet, sollten dort Abenteuer erzählt werden, die sich in alternativen „Realitäten“ und damit außerhalb des etablierten DC-Figuren-Universums zutragen. Im Prinzip war dort also so gut wie alles erlaubt, Hauptsache die Fans hatten ihren Spaß und die Hefte verkauften sich gut.
Autoren-Genie Mark Millar („Kingsman“, „Kick-Ass“) erzählt in seiner 2003 unter dem Elseworlds-Label veröffentlichten, von Fans wie Kritikern gefeierten Comic-Reihe „Superman: Red Son“ eine klassische „Was wäre, wenn?“-Geschichte. Darin stellt er die Frage: „Was wäre, wenn das Raumschiff mit dem kleinen Kal-El damals nicht in Kansas, sondern in der Sowjetunion gecrasht wäre?“ Regisseur Sam Liu hat die populäre Vorlage nun für das Banner „DC Universe Original Animated Films“ adaptiert. Dabei reichert er die Science-Fiction-Action in „Superman: Red Son“ mit vielen (womöglich sogar zu vielen?) potenziell faszinierenden Ideen an.
Mit Hammer und Sichel statt mit dem typischen Superman-"S": Steht ihm gut, der neue Look!
Im Alter von zehn Jahren entdeckt ein auf einer Kolchose in der ukrainischen Sowjetrepublik aufwachsender Junge (Stimme im Original: Tara Strong), dass er Superkräfte besitzt. Er meldet sich bei den Behörden, um seinem Volk im sozialistischen Geiste zu dienen. 1955, knapp zehn Jahre später, ist der Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR in vollem Gange, als Josef Stalin (William Salyers) einen Propaganda-Film präsentiert. Dieser zeigt einen mittlerweile erwachsenen Außerirdischen (Jason Isaacs), der unglaubliche Dinge vollbringt und unverwundbar erscheint...
Die amerikanische Regierung beauftragt daraufhin den Großunternehmer Lex Luthor (Diedrich Bader), eine Waffe gegen die neue Bedrohung zu entwickeln. Eines Tages bewahrt Superman die US-Stadt Metropolis vor einer fingierten Katastrophe. Dabei gelingt es Luthor, an eine DNA-Probe des Retters zu gelangen. Luthors Ehefrau, Star-Reporterin Lois Lane (Amy Acker), spielt dem Helden derweil Beweise über Stalins geheime Gulags zu. Superman konfrontiert seinen Staatschef und tötet ihn im Streit...
Nach dem –was Stimmung und Optik angeht - etwas an die kultige deutsch-japanische „Heidi“-Serie erinnernden Einstieg mit dem rührend naiven, sowjetischen Superboy folgt ein sehr effektiv gemachter Vorspann. Sowohl die Retro-Ästhetik mit ihrer im Sowjet-Chic gehaltenen Grafik und einem an das Kyrillische angelehnten Schrifttyp, als auch die bombastische, von mächtigem Chorgesang dominierte Musik des Stuttgarters Frederik Wiedmann („Alarm für Cobra 11“) beschwören geschickt Assoziationen an die Monumental-Propaganda des Kalten Krieges herauf.
Im Anschluss ist Superman bereits erwachsen und im Einsatz für Stalin – für ihn erreichtet er gewaltige Staudämme und fliegt bei Militärparaden mit. Jason Isaacs („Black Hawk Down“) spricht den Helden, der nie seinen kryptonischen Namen Kal-El benutzt und kein bürgerliches Alter-Ego alias Clark Kent hat, mit einem leichten russischen Akzent, übertreibt es dankenswerterweise damit jedoch nicht. Superman behält, selbst mit Hammer und Sichel anstelle des ikonischen „S“ auf der Brust, seine stoische Art bei. Trotzdem schimmert eine gewisse Unsicherheit durch, die glaubhaft illustriert, wie der Mann aus Stahl versucht, das Richtige zu tun, durch die Umstände aber oft daran gehindert wird.
Superman und sein bester Kumpel Stalin.
Es ist spannend und macht Spaß, die manchmal nur ganz leichten, aber dann auch wieder ganz krassen Abweichungen von der uns bekannten Superman-Saga zu erspähen. DC-Fans dürfen sich dabei unter anderem auf verlängerte Cameos von Wonder Woman und Green Lantern freuen, die hier wichtige Rollen im eskalierenden Streit der Supermächte übernehmen. Einen ganz speziellen Auftritt legt zudem Batman hin. Er sorgt so für eine besonders delikate Variante von „Batman V Superman“, auf die nicht einmal Zack Snyder gekommen ist: Der dunkle Ritter mutiert zum finsteren, rachsüchtigen Terroristen mit traditioneller Fellmütze...
In den gerade einmal 84 Minuten wird (fast) die gesamte Lebensspanne von Superman, Lois, Luthor & Co. untergebracht. Und da ist eine Menge los – die oben genannten Gastauftritte sind nur die Spitze des diesbezüglichen Eisbergs. Der Film rast also mit einem enormen Tempo durch die Dekaden, was gelegentlich auch für Frustration sorgt. Denn diverse Szenarien wären durchaus eine nähere, genauere und ausführlichere Beleuchtung wert gewesen.
Das beginnt schon mit Supermans Kindheit in der Sowjetunion. Die ukrainischen Pendants zu den Kents, Supermans Adoptiveltern in Kansas, treffen wir nie. Auch die Landung auf der Erde oder der Rest seiner Jugend finden im Off statt. Wie kam es außerdem dazu, dass in dieser Version der Historie nicht die DDR, sondern die westlichen Besatzungsmächte eine Mauer in Berlin errichteten? Und weshalb arbeitet Jimmy Olsen (Phil Morris aus „Doom Patrol“) nicht zusammen mit Lois beim „Daily Planet“, sondern ist ein vom FBI abgestellter Handlanger für Lex Luthor?
Die Comic-Vorlage zu „Superman: Red Son“ bestand damals aus drei Ausgaben. Vielleicht hätte man die Adaption der Story ebenfalls ausdehnen sollen. Verdient hätten es die vielen, so teilweise nur ansatzweise zu Ende gedachten Ideen allemal. Stattdessen hetzen Regisseur Sam Liu („Justice League Vs. The Fatal Five“) und Drehbuchautor J.M. DeMatteis („DC: Constantine: City Of Demons: The Movie“) geradezu durch das Geschehen und gönnen uns kaum Zeit, all die verschiedenen Szenarien wirklich zu genießen. Was nicht heißt, dass Fans der Figuren keinen Spaß daran haben könnten. Der wird definitiv geboten. Nur hat man nach dem vom Quellenmaterial abweichenden, dabei durchaus befriedigenden Finale das Gefühl, dass hier dennoch einiges an Potenzial verschenkt wurde.
Das Gastspiel von Wonder Woman ist nur einer von vielen Cameo-Auftritten!
Visuell befindet sich der Film auf dem Level der jüngeren DC-Veröffentlichungen dieser Preisklasse wie „Batman: Gotham By Gaslight“ oder „Suicide Squad: Hell To Pay“; vielleicht sogar ein wenig über dem bei derlei Titeln gebotenen TV-Niveau. Die gedämpfte Farbgebung und die dadurch beeinflusste Atmosphäre, speziell bei den in der Sowjetunion der Nachkriegszeit, in den Gulags und im Kreml angesiedelten Momenten, sind höchst gelungen.
Wenn Liu uns zwischendurch ein paar detaillierte Totalen gönnt, sehen die zahlreichen Action-Szenen immer gut aus. Allerdings ist bei den näher herangezoomten Momenten die eher simple Animationstechnik von Nachteil, weil die Fights dann doch recht statisch aussehen. Die Charaktere sind durchgehend gut getroffen und trotz teilweise ungewohnter Umgebung oder modifizierter Outfits sofort erkennbar. Auch der Alterungsprozess von beispielsweise Lois Lane, Lex Luthor beziehungsweise Wonder Woman ist glaubhaft dargestellt. Was es – zusätzlich zu den Einblendungen der jeweiligen Jahreszahl – erleichtert, der rasant voranschreitenden Handlung zu folgen.
Fazit: So viele Ideen, so wenig Zeit. Es macht Spaß, Superman für den Sozialismus kämpfen, seinen Erzfeind Lex Luthor als eine Art Helden und Batman mal als Terroristen zu sehen. Das alles hätten wir gern deutlich ausführlicher genossen. In dieser gedrängten, gelegentlich gehetzt wirkenden Form springt für DC-Fans aber zumindest ein unterhaltsamer Abend heraus. Allzu hohe Ansprüche in Sachen Animation dürfen dabei allerdings nicht angelegt werden.
Hier könnt ihr „Superman: Red Son“ auf Amazon bestellen*.
*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.