Jordan Peele gelingt mit seinem zweiten Wurf nach Get Out ein faszinierender, hochgradig spannender Mysery-Streifen, der keine Wünsche offen lässt, es sei denn, man sucht tatsächlich nach einem Sinn oder einer logischen Erklärung hinter all den Horror, Solange man auch darüber nachdenkt, den einen ernstzunehmenden Sinn hinter der kruden Story gibt es einfach nicht. Natürlich steckt der Streifen voller kleiner Botschaften, die man trefflich interpretieren kann. Peele gibt den Intellektuellen unter den Kino-Freaks eine Menge Futter mit auf den Weg.
Da wird es ganze Ausarbeitungen geben, die uns die gesellschaftspolitischen Hintergründe des Films näher bringen wollen. Oder den psychoanalytischen Ansatz. ‚Wir’ als Parabel unserer Zerrissenheit und unserem ständigen Kampf mit unserer dunklen Seite. Oder den sozialkritischen Ansatz. Oder den religiösen Ansatz. Oder Oder Oder….
Wenn man es als Regisseur so weit gebracht hat, daß die Denker so tief in die Eingeweide des an sich schwachsinnigen aber spannenden Blödsinns, den man da verzapft hat, eintauchen…dann kann man sich schmunzelnd zurücklehnen und genießen, daß man zu den Großen der Film-Branche gehört.
Adelaide Wilson fährt mit ihrer Familie in den Urlaub nach Santa Cruz. Hier hat sie als Kind ein traumatisches Erlebnis verkraften müssen. Auf einem Rummelplatz ist sie weggelaufen und hat sich in einem Spiegelkabinett am Strand verirrt. Schließlich haben ihre Eltern sie gefunden. Aber es dauerte bis sie wieder sprechen konnte und zur Normalität zurückfand. Was hat sie in dem Spiegelkabinett erlebt? Je näher sie dem Trauma ihrer Kindheit kommt, desto hysterischer reagiert sie selbst auf kleinste unvorhergesehene Vorkommnisse. Sie fühlt sich einfach unwohl.
Plötzlich stehen nachts vier Doppelgänger vor der Tür. Sie gleichen Adelaide und ihrer Familie wie eineiige Zwillinge. Mit roten Overalls bekleidet und mit Scheren bewaffnet greifen sie unvermittelt an. Von einer auf die andere Sekunde finden sich die Wilsons in einem Horror-Szenario wieder. Was geht hier ab?
Was mit vielen unheimlichen Andeutungen begann entwickelt sich urplötzlich zu einem rasanten unheimlichen, irre spannendem und schockierendem Horror-Trip. Irgendwann wird klar, dass nicht nur die Wilsons betroffen sind, sondern jeder Mensch einen Doppelgänger zu haben scheint, der plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht, um sein Ebenbild zu meucheln. Und so geht es immer brutaler und verstörender weiter bis zum Showdown im Spiegelkabinett, in dem sich Adelaide einst als Kind verirrte. Das Spiegelkabinett entpuppt sich als Eingangstor zu einer geheimnisvollen Unterwelt, in der die Doppelgänger ein trostloses Dasein gefristet haben. Nun sind sie nach langer Vorbereitung ausgebrochen und übernehmen die Macht. Und Adelaide birgt ein düsteres Geheimnis….
Spannend, geheimnisvoll und völlig abgefahren dreht Jordan Peele die Zuschauer durch den Fleischwolf und lässt sie am Ende der Tour de Force mit vor Schreck geweiteten und fragenden Augen im Kinosessel sitzen. Mag sich jeder seinen Teil denken. Der Sinn liegt wie immer im Auge des Betrachters. Einfache Antworten gibt es nicht.
Ein Mysery-Thriller der Extraklasse, vollgestopft mit Anspielungen, Metaphern, fiesem Humor, rasanten Kamerafahrten, verstörend geheimnisvoller musikalischer Untermalung und grandiosen schauspielerischen Meisterleistungen in dämonischen Doppelrollen. Gruselige Unterhaltung vom Feinsten, die durchaus länger nachwirkt.
Und da Jordan Peele nun Lunte gerochen hat, werden noch viele völlig gestörte und verstörende Schocker folgen. Freu ich mich schon drauf.