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    Die Woche
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Woche
    Von Björn Becher

    Als Netflix 2014 einen Deal über zunächst vier Filme mit Adam Sandler und seiner Produktionsfirma Happy Madison („Happy Gilmore“, „Big Daddy“) bekanntgab, hofften viele der eingefleischten Fans des Comedy-Stars, dass dieser die Freiheiten beim Streamingdienst nutzen würde, um an solche anarchischen Sandler-Filme wie „Der Chaos-Dad“ anzuknüpfen, die im Kino wegen des ausbleibenden Erfolgs schlicht nicht mehr zu realisieren waren. Doch zunächst gab es Enttäuschendes: Seine erste Arbeit für Netflix, der Western „The Ridiculous 6“, war zwar wild und ungezügelt, dessen ungeachtet jedoch Sandlers schwächster Film seit langem. Auch die folgende Action-Komödie „The Do-Over“ fiel anschließend allzu generisch aus.

    Erst mit der Showbusiness-Selbstreflexion „Sandy Wexler“ deutete sich schließlich eine Kehrtwende an. In der überlangen, erzählerisch völlig außer Kontrolle geratenen Komödie schimmern in den allerbesten Momenten endlich mal wieder Sandlers großes Talent und Herz durch. In dem von seinem Kumpel Robert Smigel inszenierten „Die Woche“ lenkt er die Energie nun in die richtigen Bahnen. Das Ergebnis ist nicht unbedingt die witzigste, aber trotzdem eine der besten Happy-Madison-Produktion überhaupt.

    Es ist Montag und Kenny Lustig (Adam Sandler) läuft die Zeit davon. Am Samstag heiratet seine älteste Tochter Sarah (Allison Strong) ihre große Liebe Tyler (Roland Buck III) und für Kenny ist es selbstverständlich, dass der Vater der Braut die Hochzeit ausrichtet. Doch da er kein Geld hat, droht die Feier zum Fiasko zu werden. Das Hotel, in dem nicht nur Familie und Freunde des Bräutigams untergebracht werden, sondern auch die Festivitäten stattfinden sollen, ist eine Bruchbude und droht auseinanderzufallen. Außerdem müssen immer mehr Gäste im kleinen Haus der Lustigs untergebracht werden, was die Vorbereitungen keineswegs erleichtert. Richtig nervt Kenny aber nur, dass Tylers Vater Kirby Cordice (Chris Rock), ein erfolgreicher Chirurg aus Los Angeles, immer wieder anbietet, die Kosten für die Hochzeit zu übernehmen und eine neue Location zu besorgen. Eine turbulente Woche steht an, in der nicht nur die beiden Väter viel lernen werden…

    „Die Woche“ ist im besten Sinne völlig aus den Fugen geraten. Das Chaos, mit dem die Hauptfigur Kenny zu kämpfen hat, spiegelt sich auf der Leinwand wider, wo sich eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger verrückten Momenten Bahn bricht, in denen viel gefeiert und noch mehr geschrien wird. Die als Kapiteltrenner genutzte Einblendung des jeweiligen Wochentages schafft da nur sehr begrenzt Ordnung, schließlich gibt es bei diesem Aufeinandertreffen zwischen einer jüdischen und einer schwarzen Großfamilie mehr als 50 Sprechrollen.

    Besetzt haben Sandler und sein langjähriger Freund und Co-Autor Robert Smigel („Leg dich nicht mit Zohan an“), der hier sein Filmregiedebüt gibt, neben dem mal wieder großartigen Steve Buscemi als Cousin Charles vor allem Komiker und Autoren aus der New Yorker Stand-Up-Szene, die kein Problem mit Improvisation haben. Vielen der besten Szenen in „Die Woche“ ist anzusehen, dass die Beteiligten sich ungebremst spontanen Einfällen hingegeben haben. Der Film platzt stellenweise fast vor kreativer Energie, zugleich führt diese sehr lockere Erzählweise aber auch dazu, dass einzelne Szenen und Handlungsstränge der knapp zwei Stunden langen Komödie ins Nichts führen oder ohne Abschluss auf der Stelle treten.

    Doch das ist kein Problem, denn „Die Woche“ ist vollgepackt mit lustigen oder einfach nur unglaublich charmanten Einzelmomenten – wobei letztere in der Überzahl sind: Trotz der obligatorischen Furzwitze sollte man daher kein reines Gag-Feuerwerk erwarten. Wie gewohnt kennt Sandler aber keine Scheu, teilt in alle Richtungen aus und schafft auch Raum für sozial- und gesellschaftskritische Einschübe. Immer wieder zum Einsatz kommt dabei der 87 Jahre alte, beinlose (!) Onkel Seymour (Jim Barone), der plötzlich für einen Kriegshelden gehalten wird: Nicht nur ein Kinder-Baseballmatch nimmt im patriotismustrunkenen Amerika daraufhin eine unerwartete Wendung.

    In einer anderen Szene bittet Kenny zwei fremde Schwarze, die gerade zufällig an seinem Gartenzaun vorbeilaufen, ins Haus. Schließlich müssen sie zur Hochzeitsgesellschaft gehören – was könnten sie sonst in dem durch und durch weißen Viertel wollen? Die beiden armen Kerle wissen nicht, wie ihnen geschieht, als sie sofort von Dutzenden Familienmitgliedern geherzt und bewirtet werden: Das ist nicht nur köstlich, sondern hat mehr Aussagekraft als so manches Rassismus-Drama.

    Adam Sandlers ganz besondere Handschrift zeigt sich vor allem bei der Auflösung einer solchen Szene. Ohne dass es noch einmal explizit erwähnt oder gar erklärt wird, werden die beiden Passanten gleichsam in die Familie aufgenommen und feiern am Ende ganz selbstverständlich die Hochzeit mit. Alle gehören dazu, niemand wird ausgeschlossen – das ist hier mal wieder ein Sandlersches Leitmotiv. Nicht nur weil auch diesmal wieder geheiratet wird, erinnert der Film dabei mehrfach an „Eine Hochzeit zum Verlieben“, in dem Drew Barrymores Julia ausgerechnet den größten Nerd zum Tanz auffordert und den Jungen somit vom Außenseiter zum King werden lässt. In „Die Woche“ bekommt nun sogar der missgünstige, von der Braut besessene Nachbarsjunge am Ende seinen triumphalen Moment.

    Im Zentrum steht aber natürlich die Familie. Dass der reiche Kirby am Ende verstehen wird, warum selbst seine eigene Verwandtschaft von dem armen Schlucker Kenny so begeistert ist, während er selbst von ihr nur mit Verachtung gestraft wird, ist von Anfang an klar und kommt wenig überraschend. Subtil ist Adam Sandler in seiner Kernaussage nicht, aber durchaus in vielen Momenten, die zu der finalen Einsicht führen. So ist es einfach toll, wenn er und die großartige Rachel Dratch („30 Rock“) sich als Filmehepaar immer, wenn sie sich anschreien, in ein Zimmer zurückziehen, damit niemand was mitbekommt. Da das Haus aber klein und hellhörig ist, hilft das natürlich überhaupt nichts. Doch es interessiert niemanden. Während auf der Tonspur geschrien wird, sehen wir im Bild nur, wie das Leben im Haus ganz normal weitergeht und niemand davon Notiz zu nehmen scheint, denn alle – selbst die Neufamilienmitglieder - wissen: Auch wenn hier gestritten wird, die Versöhnung folgt auf dem Fuße.

    Fazit: Die Netflix-Komödie "Die Woche" ist die beste Adam-Sandler-Produktion seit langer Zeit…

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