Der „Scream“ unter den romantischen Komödien?
Von Markus FiedlerEin Film, der die Gesetze eines Genres zugleich befolgt und parodiert, ist eine echte Herausforderung, der bisher nur wenige Filmemacher gewachsen waren. Als erstes fällt einem da natürlich der brillante Slasher „Scream“ ein, mit dem Regisseur Wes Craven das Kunststück gelang, dass er seine Figuren sich zunächst über die Regeln des Genres lustig machen lässt, nur um dann selbst genau diese Mechaniken erfolgreich zu verwenden, um seinem Publikum einen Schrecken einzujagen. Der Regisseur Todd Strauss-Schulson eiferte Wes Craven bereits 2015 mit seiner Horror-Komödie „Final Girls“ nach, in der eine Gruppe Teenager in einen alten Slasher-Film gerät und versuchen muss, aus diesem wieder in die reale Welt zu entkommen. Mit dem in Deutschland direkt auf Netflix erscheinenden „Isn’t it Romantic?“ wiederholt Strauss-Schulson diesen Ansatz nun in einem anderen Genre und schubst seine Protagonistin aus ihrem echten Leben mitten hinein in eine romantische Komödie, die ihr schnell den letzten Nerv raubt. Für das Publikum ist das ein kurzweiliger Spaß, selbst wenn die Meta-Komödie ruhig noch ein wenig bissiger hätte ausfallen dürfen.
Natalie (Rebel Wilson) ist Ende 30 und erhält aufgrund ihres Gewichts auch schon mal „Kompliment“, sie sei „wie ein Zementlaster“. Darunter leidet natürlich das Selbstbewusstsein, was wiederum dazu führt, dass sie längst nicht mehr daran glaubt, jemals auf die große Liebe zu stoßen. Doch als sie sich nach einem U-Bahn-Überfall den Schädel anstößt, findet sie sich plötzlich mitten in einer klassischen romantischen Komödie wieder, wo alles, ihre eigene Wohnung inklusive, viel zu schön aussieht und jedes Fluchen von einem Geräusch übertönt wird. In dieser Zucker-Parallelwelt verliebt sich der gutaussehende Milliardärs-Sohn Blake (Liam Hemsworth) sofort in die üppige Blondine. Währenddessen rettet ihr Kumpel und Schwarm Josh (Adam Devine) der „Yoga-Botschafterin“ (!) Isabella (Priyanka Chopra) das Leben, die sich prompt in ihn verliebt. Bald glaubt Natalie, herausgefunden zu haben, wie sie aus der RomCom entkommen kann: Sie muss es schaffen, dass Josh ihr verfällt, statt die attraktivere Isabella zu heiraten...
Todd Strauss-Schulson und seine Drehbuchautoren machen keinen Hehl daraus, welche Klassiker ihnen als Vorbild dienen und gleichzeitig parodiert werden. Schon vor dem ersten Bild erklingt Roy Orbisons 1964 erstmals veröffentlichter Chartstürmer „Oh, Pretty Woman“ – und aus dem fast 30 Jahre später erschienenen, von dem Song inspirierten Filmklassiker mit Julia Roberts und Richard Gere trägt Wilson nicht nur einige Kostüme. Aus „Die Hochzeit meines besten Freundes“ wird derweil der in der Parallelwelt plötzlich vorhandene schwule beste Freund und ein Karaoke-Auftritt übernommen. Und Adam Sandlers „Eine Hochzeit zum Verlieben“ läuft im TV. Vor allem wirken aber Optik und der Soundtrack mit zuckersüßen Pop-Balladen (u. a. Vanessa Carltons „Thousand Miles“ oder „Always Forever“ von Donna Lewis) wie ein einziges RomCom-Best-Of.
„Isn’t It Romantic“ funktioniert immer dann am besten, wenn die Eigenheiten des Genres nicht nur reproduziert, sondern anständig durch den Kakao gezogen werden. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist ist der Running Gag um die Jugendfreigabe. Bekanntlich gibt es in Hollywood zwei K.O.-Kriterien, wenn es darum geht, dass nicht nur Erwachsene zuschauen dürfen: Fluchen und Sex. Und so gelingt es Natalie in ihrer RomCom-Welt nie, von der amerikanischen Zensur geächtete Schimpfworte wie „Fuck“ hörbar auszusprechen. Mal wird es von der Hupe eines vorbeifahrenden Autos übertönt, mal ist es der eigene Wecker. Und dass explizite Sex-Szenen ebenfalls Fehlanzeige sind, wird genauso thematisiert. Die gemeinsame Nacht mit Blake wird schlicht und einfach übersprungen: Nach dem leidenschaftlichen Niedersinken in die Kissen bricht nur Sekunden später bereits der nächste Morgen an und der vermeintliche Lover kommt frisch geduscht aus dem Bad.
Der reiche Blake steht plötzlich auf Natalie
Während „Isn’t It Romantic“ in solchen Szenen richtig witzig ist, zeigt sich sonst aber auch immer wieder die angezogene Handbremse, mit der die Macher hier agieren: So richtig von der Leine gelassen wird Brachial-Komikerin Wilson nicht und auch Regisseur Strauss-Schulson haut in vielen Momenten nicht so drauf, wie es möglich wäre. Denn am Ende soll „Isn’t It Romantic“ eben nicht nur als Parodie, sondern auch als nicht nur lustige, sondern auch berührende RomCom funktionieren. Mechanismen zu übernehmen, über die man sich eben selbst noch lustig gemacht hat, ist ein gewaltiger Spagat, der Strauss-Schulson eben nicht annähernd so spielend leicht gelingt wie einst Wes Craven bei „Scream“ – trotz des wirklich netten Twists, mit dem der Zuschauer am Ende augenzwinkernd entlassen wird.
Fazit: „Isn’t it Romantic?“ ist unterhaltsam, aber es fehlt der letzte Biss, um es zum „Scream“ unter den RomComs zu bringen.