Gott ist die beste Medizin
Von Thomas LassonczykDarf man schwerkranke Menschen von ihrem Leiden erlösen? Und soll man Personen, die dem sicheren Tode geweiht sind und ihrem Leben ein Ende bereiten wollen, das Recht auf Selbsttötung verwehren? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen uns hier in Deutschland bereits seit vielen Jahren, ohne dass bisher eine für alle passable Lösung gefunden werden konnte. Im Gegenteil. Erst vor kurzem musste das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über das sogenannte „Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ verhandeln. Dagegen hatten unter anderem Vereine, die Suizidhilfe anbieten, Klage eingereicht. Ein vergleichbares Thema packt nun die Schauspielerin Roxann Dawson an, die sich hinter der Kamera bisher vor allem als Episoden-Regisseurin von US-TV-Serien wie „House Of Cards“ oder „The Americans“ hervorgetan hat. Mit dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden, schwer auf die Tränendrüse drückenden Christen-Drama „Breakthrough – Mitten im Leben“ gibt sie nun ihr Spielfilm-Regiedebüt.
Das Ehepaare Joyce (Chrissy Metz) und Brian Smith (sehr blass: Josh Lucas) führt zusammen mit seinem 14-jährigen Adoptivsohn John (Marcel Ruiz) ein typisch amerikanisches Leben im Bundesstaat Missouri. Dazu zählt das regelmäßige Basketballtraining von John ebenso wie der regelmäßige Besuch der Kirche, auf den speziell die strenggläubige Joyce sehr viel Wert legt. Doch eines Tages gerät die Familienidylle aus den Fugen, als John beim Herumtollen auf dem Eis des Lake Missouri einbricht. Während zwei seiner Freunde sich in Sicherheit bringen können, bleibt er unter dem Eis – 15 Minuten lang. Zwar kann ihn ein Feuerwehrmann mit einem beherzten Einsatz noch bergen, doch sämtliche Wiederbelebungsversuche am Ufer sowie später im Krankenhaus schlagen fehl. Als die Ärzte John längst aufgegeben haben, beginnt seine Mutter, für ihn zu beten. Mit erstaunlichem Erfolg…
Keine Frage: Beten hilft...
Roxann Dawsons Film basiert auf Joyce Smiths Buch „The Impossible: The Miraculous Story Of A Mother’s Love And Her Son’s Resurrection“. Auf Deutsch übersetzt heißt der Titel etwa: „Das Unmögliche: Die wundersame Geschichte von der Liebe einer Mutter und der Auferstehung ihres Sohnes“. Da versteht es sich schon fast von selbst, dass die Handlung aus der subjektiven Sicht der Mutter erzählt wird. Das bedeutet auch: Allein ihr Glaube (an Gott) hat John ins Leben zurückgebracht. Weder die Ärzte, Pfleger, der eigene Ehemann oder der etwas (zu) liberal angehauchte Pastor, an dessen Frisur (!) Joyce genauso etwas auszusetzen hat wie an der Rapmusik während seiner Messe, haben etwas mit der (Wunder-)Heilung zu tun. Kann man einfach so schlucken. Sollte man aber nicht.
„Breakthrough“ ist dabei wie ein konventioneller Fernsehfilm inszeniert, es gibt kaum Totalen, die Kamera bleibt mit vielen Nahaufnahmen meist eng an den Protagonisten, um die Dialoge über das Wohl und Wehe des im Koma liegenden Patienten möglichst emotional aufzuladen. Die schauspielerischen Leistungen sind maximal durchschnittlich, lediglich Topher Grace, der als schlitzohriger Pastor für die einzige humoristische Abwechslung sorgt, und Dennis Haysbert als milde-besonnener Chefarzt (nur ihn nimmt Joyce wirklich ernst) können das Niveau ein wenig heben. Schwächen offenbart das Drehbuch vor allem zum Ende hin, wenn in gleich mehreren Wellen Dankeskundgebungen für Johns Rettung zelebriert werden – erst im Hof vor dem Krankenhaus, dann in der Schule mit den Klassenkameraden und schließlich bei einem gefühlsduseligen Gottesdienst in der Kirche, nach dem dann wirklich jeder im Kinosaal begriffen hat, dass der Glaube ganze Bergmassive versetzen kann.
... und in die Kirche gehen erst recht!
Begleitet werden die Szenen von einem unsäglichen Score aus sentimental-sakralen Klängen, die den Tränenzieher-Effekt des Christen-Werbefilms noch einmal ins Unermessliche steigern. Hinzu kommen aufgesagte Allgemeinplätze wie „Die Liebe ist die mächtigste Kraft auf Erden“ oder „Auf gestern haben wir keinen Einfluss mehr, aber morgen stehen uns alle Türen offen“. Selbst wenn es fraglos großartig ist, dass John nicht zuletzt dank der unbeschreiblichen Hartnäckigkeit seiner Mutter diesen tragischen Unfall ohne bleibende Schäden überlebt hat: Die Wunder-Geschichte hätte einfach einen besseren, ausgewogeneren, optimistischeren Film verdient. Mit Produktionen auf diesem platt-bescheidenen Niveau wird man die Kirchen jedenfalls auch nicht wieder voller kriegen.
Fazit: Auf die Tränendrüsen drückendes, nach einem wahren Fall inszeniertes Drama über eine sensationelle Lebensrettung, die je nach Sicht Werbung oder Propaganda für den christlichen Glauben macht und dabei keine andere Meinung zulässt. Das Drehbuch offenbart dabei vor allem gegen Ende große Schwächen, wenn sich die Dankeskundgebungen irgendwann nur noch gebetsmühlenartig wiederholen. Lieber Gott, wir haben verstanden!