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    I Can Only Imagine
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    I Can Only Imagine
    Von Siegfried Bendix

    In den vergangenen Jahren kamen mit schöner Regelmäßigkeit christliche Hollywooddramen ins Kino, die von Erweckungserlebnissen und Glaubensbeweisen handeln, natürlich stets mit Based-on-a-True-Story-Zertifikat. Die Brüder Andrew und Jon Erwin ergänzen das florierende Subgenre nun um ein klassisches Künstler-Biopic: Ihr Film basiert auf der Autobiografie von Bart Millard, dem Sänger der Christian-Contemporary-Band MercyMe, die mit dem Song „I Can Only Imagine“ 2014 den erfolgreichsten christlichen Pophit aller Zeiten landete. Das Lied ist ein in melodiöse Klänge gefasstes enthusiastisches Glaubensbekenntnis und auch die Filmemacher zeigen erwartungsgemäß wenig Sinn für Ambivalenz oder gar Restzweifel. Wie bei ähnlich gelagerten Erbauungsfilmen von „Den Himmel gibt’s echt“ bis „Himmelskind“ ist es schließlich Schwäche und Stärke zugleich, dass niemand auf die Idee kommt, die Erzählung zu hinterfragen.

    Genretypisch fungiert eine Art Interviewsituation als erzählerische Klammer im Film „I Can Only Imagine“ und macht zu Beginn gleich das Gewicht des Folgenden deutlich: Der Song bedeute ihr unglaublich viel, sagt die vermeintliche Journalistin zu Bart Millard, er habe ihr durch eine sehr schwere Phase ihres Lebens geholfen. Wie lange es gedauert habe, einen solchen Song zu schreiben? „Etwa zehn Minuten“, antwortet der Musiker. Doch die Frau insistiert: „Nein, ich glaube, du hast dein ganzes Leben dafür gebraucht.“ Die Kamera zoomt an Millards nachdenkliches Gesicht heran, und der Film springt zurück ins Texas der 80er-Jahre.

    Bart (als Junge: Brody Rose) wächst auf einer Farm auf und hat schon früh eine Leidenschaft für die Musik entwickelt, doch sein cholerischer und gewalttätiger Vater Arthur (Dennis Quaid) macht ihm und seiner Mutter Adele (Tanya Clark) das Leben schwer. Während Bart eine Woche im Feriencamp verbringt, haut seine Mutter ab, und der Zehnjährige muss sich nun allein gegen seinen Vater behaupten. Trotz aller Widerstände bekommt er eine Rolle im Schulmusical „Oklahoma!“ – genau dorthin wird es ihn später tatsächlich verschlagen –, was zu Hause endgültig zur Eskalation führt. Daraufhin verlässt Bart (jetzt: J. Michael Finley) seinen mittlerweile schwer erkrankten Vater – und schließt sich einer Band an, mit der er fortan durch das Land tourt…

    Mit dem Roadmovie-Part beginnt der routinierteste Teil des Films. Bis dahin haken die Erwin Brothers die biografischen Stationen im Eiltempo ab: Es reichen ihnen zum Beispiel zwei Szenen, um von Barts prägendem Aufenthalt im Sommercamp zu erzählen, in dem er nicht nur Erholung von seinem dysfunktionalen Elternhaus findet, sondern auch seine große Liebe Shannon (Taegen Burns, später Madeline Carroll) kennenlernt. Trotzdem funktioniert das irgendwie – sicher auch, weil die Gebrüder Erwin inszenatorisch keinerlei Maß kennen.

    Immer legen sie mindestens eine Schippe zu viel drauf, alles wird doppelt und dreifach akzentuiert – wenn die Figur von Millards Vater etabliert wird, schwillt die Musik bedrohlich an wie in einem Horrorfilm, die Kamera lässt ihn aus der Untersicht groß und mächtig erscheinen, während er vor einer Mülltonne steht, aus der Flammen emporsteigen. Dazu überschreitet der zerfurcht aussehende Dennis Quaid die Grenze zum Overacting so entschieden wie nie zuvor: Er spielt wie ein Berserker, brüllt, rollt wahnhaft mit den Augen. Die Momente der Ruhe und des Zu-sich-Findens hingegen sind durchströmt von (göttlichem) Licht, das von Kassettenrekordern, Bibeln und Pianotasten widerscheint.

    Das kann man leicht ablehnen, aber es rührt auch ein wenig an: „I Can Only Imagine“ scheint beseelt von einem ganz naiven Glauben daran, dass Gott nicht nur allgegenwärtig ist, sondern die Dinge auch grundsätzlich zum Guten beeinflusst. Millard muss sich von seinem Vater freimachen, der ihm immer wieder einprügelte, dass die Welt für Träumer wie ihn keinen Platz habe; und als er Jahre später in seine Heimat zurückkehrt, hat Arthur im Zuge einer Krebserkrankung zu Gott gefunden und sich darüber vom Saulus zum Paulus gewandelt. Diese letzten Wochen der Versöhnung lassen Bart schließlich seinen Millionenhit schreiben...

    Die Beteiligten können sich offenbar gar nicht vorstellen, dass gerade aus einer übersteigerten Bibelhörigkeit nicht selten erst restriktive Verhältnisse erwachsen: Gott wird es schon richten! Das ist zweifelsohne Propaganda, aber eine, die das Gute will. Trotzdem ist „I Can Only Imagine“ keineswegs „unschuldig“, denn er fungiert gleich in doppelter Weise als Werbefilm: für eine bestimmte Art von Christentum einerseits, wenn am Ende sogar auf eine religiöse Website verwiesen wird, und für die Musik von MercyMe andererseits, deren Erfolge am Ende via Texttafel aufgezählt werden – wohl nicht ganz zufällig erschien parallel zum Film ein Best-of-Album der Band, und man wartet förmlich darauf, dass auch noch Bestellmöglichkeiten eingeblendet werden.

    Und die Musik? Zumindest in den USA, wo sich der Film zum Überraschungshit entwickelte, dürften die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer mit dem Werk von MercyMe vertraut sein. Dennoch arbeiten die Erwin Brothers bis zum Finale auf den titelgebenden Song hin, locken mit Versprechen auf dessen schier lebensverändernde Größe, sodass man sich auf so etwas wie eine Epiphanie gefasst macht. Es lohnt sich, das Lied vorher nicht zu hören – dann ist die hemdsärmelige, so ähnlich schon tausendfach gehörte Radio-Popballade eine hübsche Schlusspointe.

    Fazit: Ein weitgehend konventionell erzähltes Biopic über einen christlichen Musiker, irgendwo zwischen innigem Kitsch und durchsichtigem Kalkül.

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