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    Fullmetal Alchemist
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Fullmetal Alchemist
    Von Christian Fußy

    Hiromu Arakawa ist so erfolgreich, man könnte sie gut und gerne als die J.K. Rowling Japans bezeichnen. Ihre Jugend-Comicbuch-Reihe „Fullmetal Alchemist“ ist mit rund 70 Millionen verkauften Ausgaben eine der erfolgreichsten Mangaserien überhaupt. Die Geschichte wurde bereits mehrmals als Anime-Film und -TV-Serie adaptiert und außerdem durch zahlreiche Romane und Computerspiele erweitert. Für die erste Realfilmbearbeitung des Fantasy-Abenteuers, die bei uns als Netflix-Original veröffentlicht wird, schlüpft J-Pop-Idol Ryosuke Yamada von der Gruppe „Hey! Say! JUMP“ in die Rolle von Hauptfigur Edward. Das muss für die japanischen Teenies in etwa so sein, als würde Justin Bieber Harry Potter spielen. Inszeniert wird die Verfilmung von Fumihiko Sori, der für seine Adaption des Tischtennis-Mangas „Ping Pong“ 2002 den japanischen Regie-Oscar gewonnen hat. Der Filmemacher ist ein echter Fan von Arakawas Mangas und versprach im Vorfeld, die Vorlage so werkgetreu wie möglich zu adaptieren. Doch bei dem Versuch, dem Original treu zu blieben, schießt er mit seinem „Fullmetal Alchemist“ ein wenig über das Ziel hinaus.

    „Fullmetal Alchemist“ spielt in einer Welt, in der Alchemie eine echte wissenschaftliche Disziplin ist. Mit chemischen Formeln und esoterischem Hokuspokus können Alchemisten beispielsweise die Form einer Mauer oder die Laufkrümmung einer Waffe wie durch Magie verändern. Die beiden Brüder Ed (Ryosuke Yamada) und Al (Stimme: Atomu Mizuishi), selbst hochbegabte Hobby-Alchemisten, haben früh ihre Mutter verloren. Nach der Beerdigung beschlossen sie, Alchemie anzuwenden, um die geliebte Mama von den Toten zurückzuholen. Das Experiment ging jedoch furchtbar schief, was Ed ein Bein und Al sein Leben kostete. Durch einen weiteren Einsatz von Alchemie schaffte es Ed zumindest, die Seele seines Bruders zu retten und in eine Rüstung zu bannen, dafür musste er jedoch einen seiner Arme aufgeben. Als Erwachsener ist der inzwischen mit mechanischen Gliedmaßen ausgestattete ein gelernter Alchemist im Auftrag der Regierung und bekannt als der „Fullmetal Alchemist“. Er ist auf der Suche nach dem Stein der Weisen, mit dem er glaubt, die menschliche Form seines Bruders wiederherstellen zu können.

    Die Steampunk-Fantasy-Welt, in der „Fullmetal Alchemist“ spielt, ist sowohl inhaltlich als auch visuell unheimlich reizvoll, das beginnt bei der nachvollziehbaren und starken Motivation des Protagonisten Ed für seine Heldenreise. Die Beziehung zwischen den beiden Brüdern, die das emotionale Fundament der Geschichte bildet, ist eindeutig die stärkste im Film, leidet jedoch unter dem extrem überdrehten Schauspiel Yamadas, dessen theatralische Gefühlsausbrüche sogar die entsprechenden farbenfrohen Sequenzen in den Anime-Serien in den Schatten stellen. Das ist ganz bewusstes Over-Acting, erschwert aber die Anteilnahme an den Schuldgefühlen des Protagonisten. Außerdem hat es den Anschein, als wollte Regisseur Fumihiko Sori wirklich jeder etwas wichtigeren Nebenfigur aus den Mangas zu einem Auftritt in seinem Film verhelfen, was sich dann doch als deutlich zu viel des Guten entpuppt und auf Kosten der Charakterzeichnung geht, die in sehr vielen Fällen extrem rudimentär ausfällt. Das mag für genaue Kenner der Vorlage weniger ins Gewicht fallen, alle anderen bleiben dabei aber außen vor.

    Besonders schlecht weg kommen die Schurken der Geschichte, drei übernatürliche Wesen, benannt nach den Todsünden Wollust, Völlerei und Neid, die aussehen wie 90er Jahre Gruftis und deren Beweggründe bis zum Schluss weitgehend schleierhaft bleiben. Auch Eds Mechanikerin-Freundin Winry bekommt den ganzen Film über nicht wirklich viel zu tun, außer gelegentlich das Publikum mit unmotiviert wirkendem Geschrei zu irritieren, was besonders schade ist, weil Schauspielerin und Model Tsubasa Honda in den wenigen ruhigen Momenten, einen ganz guten Eindruck in der Rolle der besorgten Freundin macht. Während die erzählerischen Entscheidungen also häufig problematisch sind, gibt es an der visuellen Umsetzung wenig auszusetzen. Spezialeffekte und Kostüme sind gelungen, die CGI-Actionsequenzen schön rasant und modern. Die extreme Hingabe zum Look der Manga-Vorlage ist dabei in einigen Details Geschmackssache: Nicht nur die drei Bösewichte wirken verkleidet, sondern auch Hauptdarsteller Yamada sieht mit seinen quietschgelben Haaren eher aus wie ein Cosplayer auf einer Convention als ein Schauspieler in einer Rolle.

    Fazit: Regisseur Sori wollte offensichtlich so viele Momente und Figuren der Manga-Vorlage in seiner Realfilmversion von „Fullmetal Alchemist“ unterbringen wie irgend möglich und überfrachtet diese damit deutlich.

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