Beziehungsklischees in korrekt großen Wohnungen
Von Helena BergMan kann die Message der romantischen Kino-Komödie „Generation Beziehungsunfähig” ungefähr so zusammenfassen: Für Liebe braucht man Mut! Aber genau der fehlt Tim (Frederick Lau), einem chronischen Single, der zudem auch noch den Spitznamen „Rammler von Köln“ weghat. Gemeinsam mit Kumpel Luis (Tedros Teclebrhan) wohnt er in einer Männer-WG, arbeitet für eine Influencer-Agentur und ist im Herzen Schriftsteller, nur ohne Idee für sein neues Buch. Da kommt es ihm ziemlich gelegen, dass er die Single-Frau „Ghost” (Luise Heyer) kennenlernt. Die tickt nämlich offenbar genauso wie er und bringt ihn zudem auf völlig neue Gedanken über die Liebe…
Michael Nast stand mit seinem bissigen Ratgeber „Generation Beziehungsunfähig” 46 Wochen lang auf der Spiegel Bestsellerliste. Fünf Jahre später haben Regisseurin Helena Hufnagel („Einmal bitte alles”) und Drehbuchautorin Hilly Martinek („Honig im Kopf”) aus den gesammelten Kolumnen nun einen Kinofilm gemacht. Aber auch die Corona-bedingten Verschiebungen können nicht erklären, warum der Film so gar nicht mehr am Puls der Zeit zu sein scheint: Screenshots von Dating-Apps, das Phänomen Ghosting oder überhaupt das Wort „beziehungsunfähig” haben schon in Filmen wie „How To Be Single“ oder „Traumfrauen“ den Weg auf die Leinwand gefunden – und wirken dort inzwischen nur noch wenig trendy.
Aus demselben "beziehungsunfähigen" Holz geschnitzt: Tim (Frederick Lau) und Frau „Ghost” (Luise Heyer).
Da braucht es dann schon ein paar neue oder tiefere Ideen, aber die sucht man in „Generation Beziehungsunfähig” vergeblich. Tim ist vor allem Single, weil die Frauen ja „ach so kompliziert” sind, wobei er damit vor allem meint, dass sie nicht sofort mit ihm in die Kiste hüpfen. „Ghost” ist sein Ebenbild, weil… ja warum eigentlich? Über die Beweggründe der Figur von Luise Heyer („Das schönste Paar“) erfährt man so gut wie nichts, selbst wenn sie Tim zu Beginn noch keck das Wort „Feminismus” um die Ohren haut. Das war es dann aber auch schon mit feministischen Ansätzen - Tims Kollegin Charlie (gespielt von Henriette Confurius) hat hingegen endgültig genug von Männern, nachdem ihr ein Typ beim Date nicht das Bier bezahlt hat, und seine Teenager-Nichte möchte ihren Freund zurückgewinnen, weil der jetzt eine neue Flamme hat. Da ist es dann plötzlich auch egal, dass er vorher total die Klette war und sie sich nicht auf ihre Schriftstellerkarriere konzentrieren konnte.
Überhaupt: Die Berufe der Figuren kommen deutlich zu kurz, dabei hätten diese Erzählstränge mehr Potenzial gehabt. Charlie möchte beispielsweise nicht, dass ihre Agentur zu einer Green Washing Firma verkommt (das ist doch wenigstens mal ein neuer Ansatz!) und „Ghost” arbeitet an einem Modell für einen Friedhof, auf dem sich die Menschen auch begegnen und austauschen können. Leider werden beide Visionen nur einmal benannt und nie wieder aufgegriffen. Während die lässig auf dem Dach geschriebenen und aus dem Off gesprochenen Textpassagen von Tims neuem Buch wenig glaubwürdig wirken, gibt der Burn Out seines Chefs der Geschichte eine neue Wendung. Zusammengefasst: Diese Generation ist in Wahrheit mehr als einfach nur „beziehungsunfähig”, sie kämpft vielmehr mit dem Arbeitsleben sowie der Vereinbarkeit von Idealen und Bezahlung. Ihre Liebesprobleme haben Gründe – und es wäre spannend gewesen, diese ernst zu nehmen und zu erforschen, statt sich dann doch nur wieder auf die üblichen RomCom-Geschlechterklischees zu verlassen.
Vor allem, da es an tollen Schauspieler*innen nun wahrlich nicht mangelt. Frederick Lau („Nightlife“) und Luise Heyer haben locker das Potenzial, ihren Figuren Tiefe und Vielschichtigkeit zu geben, anstatt nur supercoole Singles zu spielen, die sich einfach nur mal anständig verlieben müssen, um ihr Verhalten quasi über Nacht zu ändern. Positiv hervorzuheben ist hingegen eine gewisse Lässigkeit des Films – von der Musik von AnnenMayKantereit bis zum weitgehenden Verzicht auf die üblichen Hochglanz-Kinoübertreibungen:
Die Figuren machen Carsharing oder fahren Fahrrad, sie tragen keine produktplatzierten Markenklamotten und haben realistisch große Wohnungen, in denen sie ebenso realistischen Sex miteinander haben. Während die Partys vielleicht einen Tacken übertrieben daherkommen, wird auch die Stadt Köln ebenso schlicht wie schön eingebunden. Etwas mehr von dieser bodenständigen Normalität hätte auch der Behandlung der Beziehungsprobleme gut getan. Zumal „Generation Beziehungsunfähig“ eben auch als simple Boulevardkomödie längst nicht so gut funktioniert wie etwa Leander Haußmanns ebenfalls auf einem Sachbuch-Bestseller basierender „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.
Fazit: „Generation Beziehungsunfähig” ist eine seichte RomCom, die zeigt, dass man nicht nur für die Liebe, sondern auch für das Geschichten-Erzählen Mut braucht. Mit so tollen Schauspieler*innen vor der Kamera und einer derart erfolgreichen Buchvorlage im Rücken hätte man sich ruhig trauen können, etwas tiefer und ehrlicher in die Thematik „Beziehungsunfähigkeit” einzutauchen – dann wäre der Film wahrscheinlich auch lustiger geworden.