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    Doctor Strange In The Multiverse Of Madness
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Doctor Strange In The Multiverse Of Madness

    Hätte ruhig noch wahnsinniger sein dürfen

    Von Christoph Petersen

    Einen passenderen Regisseur als Sam Raimi, der nach dem Kreative-Differenzen-Ausstieg von „Doctor Strange“-Regisseur Scott Derrickson („The Black Phone“) an Bord gekommen ist, hätte man sich für „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ gar nicht vorstellen können. Schließlich hat der 62-Jährige mit seinen „Spider-Man“-Blockbustern nicht nur das moderne Superheld*innen-Kino mitbegründet, er ist eben auch für seine visuell immens kreativen Horrorfilme wie die „Evil Dead“-Trilogie berühmt-berüchtigt. Wenig überraschend begeistert „Doctor Strange 2“ nun vor allem immer dann, wenn Raimi seiner unverkennbaren Horror-Sensibilität – innerhalb der Grenzen der angestrebten PG13-Jugendfreigabe – möglichst freien Lauf lassen kann. Aber obwohl ja schon der Titel „Madness“ (= „Wahnsinn“) verspricht, ist das über weite Strecken des vorwiegend von Plot und Fanservice dominierten Films leider seltener der Fall, als sich das vorab wohl viele erhofft hatten.

    Achtung: Wir verraten in den kommenden zwei Absätzen eine Wendung aus dem ersten Drittel des Films, die unter normalen Umständen wohl kein Spoiler wäre und die auch in praktisch jeder Kritik zum Film offenbart wird, die aber von Marvel bislang offenbar bewusst geheim gehalten wurde. Wenn ihr also möglichst gar nichts vorher wissen wollt, lest am besten erst nach dem Kinobesuch weiter!

    Als die Hochzeit seiner Ex-Freundin Christine Palmer (Rachel McAdams) jäh von einer Panik in den Häuserschluchten Manhattans unterbrochen wird, stößt Dr. Stephen Strange alias Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) beim folgenden Kampf gegen ein einäugiges Tentakelmonster auf eine Teenagerin, die er bereits aus seinen (Alb-)Träumen kennt: America Chavez (Xochitl Gomez) besitzt die Fähigkeit, in Momenten höchster Angst von einem Universum in ein anderes zu fliehen. Ihr dicht auf den Fersen ist eine unheimliche Macht, die sich unbedingt ihrer Kräfte bemächtigen will – und dahinter steckt niemand geringeres als das ehemalige Avengers-Mitglied Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen), die als Scarlet Witch nun endgültig zu allem bereit ist, um in egal welchem Universum wieder bei ihren in „WandaVision“ selbst herbeikreierten Kindern Billy (Julian Hilliard) und Tommy (Jett Klyne) sein zu können…

    Egal in welches Universum es Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) diesmal auch verschlägt - der Schutz von America Chavez (Xochitl Gomez) steht immer an erster Stelle.

    Scarlet Witch ist einer der bisher überzeugendsten Bösewichte des MCU überhaupt! Nicht nur ist Elizabeth Olsen („Martha Marcy May Marlene“) schauspielerisch ohnehin über jeden Zweifel erhaben, man traut der einst so herzensguten Hexe dank des in „WandaVision“ tief und glaubhaft verankerten Schmerzes über den Verlust von Vision und ihrer imaginierten Familie auch jede Grausamkeit zu, um endlich wieder einen Moment des Glücks empfinden zu können. Vor dieser Wanda Maximoff bekommt man wirklich Angst – und so hält ausgerechnet die Antagonistin einen Film emotional zusammen, der sonst nicht nur wegen der Multiverse-Erzählung immer wieder auseinanderzubrechen droht.

    Auf der anderen Seite bleibt das Ringen des an sich zweifelnden Doctor Strange um seinen Platz in den verschiedenen Universen nämlich – auch aufgrund von zahlreichen hochkarätigen Kurzauftritten, die eher dem Fanservice als dem Vertiefen des zentralen moralischen Dilemmas dienen – enttäuschend vage. Sogar noch weniger Raum erhält America Chavez: Obwohl Newcomerin Xochitl Gomez („Der Babysitter-Club“) eine ansteckende Energie an den Tag legt, bleibt ihre Figur abgesehen von einer einzelnen kurzen Rückblende ausschließlich auf ihre Funktion als Plot-Antreiberin beschränkt. Ähnliches gilt für Rückkehrerin Rachel McAdams („Game Night“), zwischen der und Benedict Cumberbatch dieses Mal in keinem Universum so richtig die Funken sprühen.

    Mehr Superhelden-Slasher wagen!

    Aber hey, was man hier doch vor allem sehen will, ist der hoffentlich möglichst ungebremste Wahnsinn, mit dem sich Sam Raimi kopfüber in die Inszenierung des Multiversum-Horrors stürzt – und wenn er das tut, dann legt der zwischendrin immer wieder durch unnötige Plot-Abstecher (Stichwort: Illuminati aka Fanservice im Sechserpack) ausgebremste „Doctor Strange 2“ tatsächlich sofort sprunghaft an Fahrt und Qualität zu: Schon nach dem ersten Raimi-Augenblick, wenn dem bereits erwähnten Tentakelmonster mit einer Straßenlaterne der gesamte Augapfel samt Sehnerv aus dem Körper gerissen wird, verbringt man den Rest des Films vor allem damit, genau solchen Momenten entgegenzufiebern – und auch, wenn sich der 28. MCU-Blockbuster dazwischen oft enttäuschend „normal“ anfühlt, gibt es erfreulicherweise doch eine ganz Menge davon.

    In einer Sequenz, die an 80er-Jahre-Horrorfilme erinnert, jongliert Raimi so famos mit verschrobenen Kameraperspektiven, wie er es vor 41 Jahren bereits in seinem legendären Durchbruchsfilm „Tanz der Teufel“ getan hat. In einer anderen Szene, in der sich die mit rötlichem Motorenöl beschmierte Scarlet Witch im „Carrie“-Gedächtnislook durch eine Gruppe von Superheld*innen meuchelt, verwandelt sich „Doctor Strange 2“ zwischenzeitig sogar in eine Art Comic-Slasher. Dabei schneidet Raimi mit dermaßen viel Geschick um die im MCU so bisher noch nicht gesehenen Grausamkeiten herum, dass das Wegblenden in dem Moment gar nicht groß negativ auffällt. Und sobald „In The Multiverse Of Madness“ schließlich auch noch einen mit reichlich makabrem Humor gespickten Abstecher ins Reich der Untoten einschiebt, ist das „Armee der Finsternis“-Mastermind natürlich ohnehin endgültig in seinem Element.

    Das schlagende Herz von „Doctor Strange 2“ ist ohne Frage die einmal mehr grandiose Elizabeth Olsen.

    Etwas enttäuschend ist hingegen, dass Raimi und sein Team beim Entwerfen des Multiversums abseits der Horror-Einschübe eher mit angezogener Handbremse agieren. Es gibt zwar zu Beginn eine Sequenz, in der Doctor Strange und America Chavez durch gleich mehrere Universen innerhalb nur weniger Sekunden crashen – darunter sogar durch eines, in dem jeder und alles animiert ist. Aber dieser angedeutete Multiversums-Wahnsinn bleibt leider auf (zu) wenige Momente beschränkt. Wenn America mit ihrem Wissen aus 72 besuchten Universen unsere vermeintlichen Wahrheiten in Frage stellt, weil sie etwa ganz erstaunt anmerkt, dass es in fast allen Realitäten ganz normal sei, dass man für sein Essen „natürlich“ nichts zahlen müsse, wird das nicht weiter verfolgt. Stattdessen ist auch das dann vor allem ein Vorgeplänkel für einen direkt folgenden Gag samt weiterem Star-Cameo.

    Nach zwei Stunden und sechs Minuten (selbstverständlich verharrt man bis zur obligatorischen Post-Credit-Szene im Kino) bleibt dann festzuhalten: „Doctor Strange 2“ ist nie langweilig und es gibt immer etwas zu entdecken, zugleich ist der Film aber voll von verpassten Chancen auf einen noch größeren Wurf. Offenbar muss man inzwischen einfach akzeptieren, dass die MCU-Erfolgsformel inklusive der herbeigekrampften Querverweise und des oft auch einfach unpassenden Humors inzwischen trotz der Sprünge in verschiedene Genres dermaßen etabliert ist, dass nicht einmal ein gestandener Auteur wie Sam Raimi mehr als ein paar Minuten hier und dort aus ihr ausbrechen kann…

    Fazit: Für die volle Dröhnung Multiverse-Madness empfehlen wir weiterhin „Spider-Man: A New Universe“ oder „Everything Everywhere All At Once“. Aber selbst wenn sich „Doctor Strange 2“ über weite Strecken einfach nur wie ein weiterer typischer MCU-Beitrag anfühlt, holt Sam Raimi aus „seinen“ eingestreuten Horror-Szenen doch genug wunderbar Bizarres heraus, um trotz der PG-13-Beschränkungen und des nicht immer zündenden Fanservice einen (fast) durchweg temporeichen und gut unterhaltenden Comic-Blockbuster abzuliefern.

     

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