Kein fürstliches Ende für den Fürsten der Finsternis
Von Sidney ScheringDie „Hotel Transsilvanien“-Reihe ist ein waschechter Sleeper-Hit: Teil eins war 2012 ein solider, aber etwas unscheinbarer Erfolg. Aber die nächsten zwei Teile der Filmreihe legten an den Kinokassen konstant zu. Deshalb kam es auch eher überraschend, als Sony Pictures im Herbst 2021 verkündete, den vierten Teil „Hotel Transsilvanien – Eine Monster Verwandlung“ außerhalb Chinas nicht in die Kinos zu bringen, sondern als Exklusivtitel an Amazon Prime Video abzugeben. Allerdings bedeutet so ein aufgegebener Kinostart gerade in Pandemiezeiten nicht zwingend, dass ein Film schlecht sein muss – man denke nur an die direkt zu Disney+ gewanderten Pixar-Filme „Soul“ und „Luca“.
Aber bei „Hotel Transsilvanien 4“ gab es im Vorfeld durchaus noch weitere Warnsignale: So sind die Originalsprecher Adam Sandler und Kevin James, die in den ersten drei Teilen noch als Dracula und Frankenstein zu hören waren, genauso ausgestiegen wie „Dexters Labor“-Schöpfer Genndy Tartakovsky, der nun zum ersten Mal nicht selbst Regie führt. Sein Sinn für temporeiches Chaos und quirlige Kuriositäten gehörte zu den Erfolgszutaten der ersten drei „Hotel Transsilvanien“-Teile. Obwohl das neue Regieteam Jennifer Kluska und Derek Drymon die Ästhetik der Vorgänger beibehält, wird beim Anschauen von „Hotel Transsilvanien – Eine Monster Verwandlung“ schnell deutlich, weshalb die Reihe trotz bislang steigender Erfolgskurve ihr Finale nun nicht auf der großen Leinwand feiert.
Dracula als menschlicher Tourist und Johnny als Drache - in "Hotel Transsilvanien 4" wird die Vampir-Schwiegersohn-Beziehung auf den Kopf gestellt.
Dracula (Stimme im Original: Brian Hull / deutsche Stimme: Rick Kavanian) steht kurz davor, sein geliebtes Hotel an seine Tochter Mavis (Selena Gomez / Lea Kalbhenn) und ihren menschlichen Gatten Johnny (Andy Samberg / Sebastian Schulz) zu übergeben. Aber dann bekommt der Vampir kalte Füße und tischt seinem Schwiegersohn deshalb eine Notlüge auf: Nur Monster dürften das Hotel führen, so wolle es das Gesetz. Kurzerhand nutzt Johnny eine kuriose Erfindung, um sich selbst zu „monsterfizieren“.
Allerdings werden im selben Moment auch Dracula und seine Monsterfreunde verwandelt – und zwar in Menschen. Das passt dem nun-nicht-mehr-so-finsteren Fürsten natürlich gar nicht – also bricht er mit Johnny zu einer abenteuerlichen Reise auf, um das nötige Artefakt für eine Rückverwandlung möglichst schnell zu beschaffen, bevor Mavis und Draculas Freundin Ericka (Kathryn Hahn / Anke Engelke) etwas von dem angerichteten Chaos mitbekommen...
Das neue Regie-Team kommt nicht von irgendwo her: Jennifer Kluska wirkte bereits am Storyboard des zweiten und dritten „Hotel Transsilvanien“-Teils mit, während Derek Drymon am Storyboard des vor kreativen Einfällen fast platzenden „Captain Underpants – Der supertolle erste Film“ beteiligt war. Zudem inszenierte das Duo bereits gemeinsam den „Hotel Transsilvanien“-Kurzfilm „Monster Haustiere“. Ein tieferes Verständnis für die freundlichen Monstern und das ständig eskalierende Chaos um sie herum bringen sie also mit – und zumindest szenenweise kommt auch noch das alte „Hotel Transsilvanien“-Feeling auf: Wenn Johnny etwa plötzlich zu einem unförmigen Drachenwesen mutiert oder wenn Dracula seinen Schwiegersohn beim Versuch, ihn wieder in einen Menschen zu verwandeln, quer durch das Hotel jagt. In solchen Passagen stellt sich die spritzige Hektik ein, die diese Filmreihe bislang ausgezeichnet hat.
Auch einige Running Gags mit den vermenschlichten Monstern sitzen wie eh und je – und sorgen aufgrund der „Entmonsterfizierung“ trotzdem für ein wenig frischen Wind: Wenn Frankensteins Monster zum eitlen Adonis mutiert oder sich die fidele Mumie Murray plötzlich als müder Greis entpuppt, landen die Pointen zielsicher. Schade nur, dass die mit Dracula befreundete Chaostruppe mehr denn je eine vom eigentlichen Plot losgelöste Comic-Relief-Gang darstellt, die eigentliche Handlung für diese gelungenen Gags am Rande also andauernd eine Pause einlegen muss.
Die Monster-Gang ist mal wieder der stärkste Teil des Films - nur ist sie diesmal vom eigentlichen Plot noch stärker abgeschnitten als in anderen Teilen.
Genau da wird die Abwesenheit von Genndy Tartakovskys besonders deutlich: Ihm gelang es schließlich, den kinderfreundlichen Slapstick und selbst abgestandene Klischees wie urplötzliche Tanzpartys zu moderner Popmusik mit einer entfesselten, kauzigen Energie zu versehen und so alles wie aus einem Guss wirken zu lassen. „Hotel Transsilvanien – Eine Monster Verwandlung“ gelingt das hingegen nur oberflächlich: Ja, der Look sticht weiterhin aus dem Meer der US-Computeranimationsfilme hervor – die Figuren verbiegen sich wie Knete und werfen sich in Pose wie in hyperaktiven, klassischen Cartoons. Doch während Dracula, Mavis und Co. ihre gewohnte Energie beibehalten, gerät zunehmend Sand ins Getriebe der Story, der Action und des Slapsticks.
Auch das Herz der Filmreihe schlägt nicht mehr so tüchtig wie zuvor: Neben Tartakovskys Spritzigkeit ist es vor allem der liebenswürdige Familiensinn zwischen Dracula, Mavis und ihren monströsen Rufonkeln, der die ersten drei „Hotel Transsilvanien“-Filme prägt. Allerdings lässt sich die Idee, dass sich Dracula zunächst vor Veränderung sträubt und letztlich dann doch überraschend verständnisvoll und stolz auf seinen menschlichen Schwiegersohn reagiert, natürlich auch nicht beliebig oft wiederholen.
Genau das macht sich nun in Teil vier bemerkbar: Sowohl der Auslöser als auch die finale Lösung des Konflikts sind ebenso überkonstruiert wie überhastet. Zu oft drängt sich zudem die Frage auf, wieso Dracula eigentlich die wertvollen Lektionen aus den Vorgängerfilmen allesamt vergessen zu haben scheint. Auch den Aussöhnungsszenen fehlt jene emotionale Glaubwürdigkeit, die das Monsterchaos in den ersten drei Teilen zumindest noch ein Stück weit erdete.
Im Laufe des Films philosophieren Johnny und Dracula über verkokelte Marshmallows und ihren weiterhin schmackhaften Kern – aber das Bild könnte im selben Moment auch eine treffende Metapher für die Filmreihe selbst sein: Die Verantwortlichen haben den idealen Moment versäumt, um Schluss zu machen, so dass wir nun eine filmische Süßigkeit in den Händen halten, bei der man schon eine ganze Reihe schwarzer Stellen ignorieren muss, um an den gewohnt-schmackhaften Kern zu gelangen. Ja, die Qualitäten von früher sind weiterhin vorhanden, aber in stark reduzierter Quantität. Umgeben sind sie stattdessen nun von den verkrusteten Überresten dessen, was früher noch so gut gemundet hat.
Fazit: Wäre doch nur der Kreuzfahrt-Partyfilm „Hotel Transsilvanien 3 - Ein Monster Urlaub“ das Finale geblieben! „Hotel Transsilvanien – Eine Monster Verwandlung“ ist ein unnötiges PS zu den Eskapaden der freundlichen Monsterfamilie, bei dem nur noch stellenweise die gewohnten Qualitäten der Vorgängerfilme voll zur Geltung kommen.