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    Tatort: Der König der Gosse
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Der König der Gosse
    Von Lars-Christian Daniels

    Als der Dresdner „Tatort: Auf einen Schlag“ im März 2016 seine TV-Premiere feierte, stand der MDR schon im Vorfeld gehörig unter Druck: Mit dem „Tatort“ aus Erfurt, dessen Hauptdarsteller Friedrich Mücke, Alina Levshin und Benjamin Kramme nach zwei (miserablen) Folgen das Handtuch warfen, hatte der Sender gerade erst einen kolossalen Fehlschlag gelandet. Die Hoffnungen ruhten auf dem neuen Team aus Dresden, doch dessen humorvoll angehauchtes Debüt wurde ebenfalls zum Reinfall: Bei großen Teilen des Publikums fiel der im Schlagermilieu spielende „Tatort“ aus Sachsen durch – so mancher Zuschauer wünschte sich sogar die von der Filmkritik häufig abgestraften Leipziger Ermittler Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) zurück, die 2015 trotz solider Einschaltquoten nach sieben Jahren den Dienst quittiert hatten. Nun folgt mit Dror Zahavis „Tatort: Der König der Gosse“ der zweite, etwas ernsthaftere Fall aus Dresden – doch der große Wurf ist der mit bissigen Dialogen gespickte Milieukrimi ebenfalls nicht. Die amüsanten Streitgespräche im Polizeipräsidium und das halbe Dutzend gelungener One-Liner können nämlich nicht über die dünne Handlung, die flache Spannungskurve und die schwachen Nebenfiguren hinwegtäuschen.

    Der beliebte Sozialunternehmer Hans-Martin Taubert (Michael Sideris) stürzt von einer Brücke und wird mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Was ist geschehen? Die drei Obdachlosen Hansi (Arved Birnbaum), Platte (David Bredin) und Eumel (Alexander Hörbe) behaupten, Taubert sei gestoßen worden. Aber kann man den verwahrlosten Zeugen, die Taubert kurz zuvor in ein teures Restaurant begleitet hatten und sich als dessen „Security“ ausgeben, überhaupt trauen? Die Dresdner Hauptkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) haben da so ihre Zweifel. Taubert hatte sich um die Unterbringung von Hilfsbedürftigen gekümmert und war dadurch reich geworden – ganz anders als sein Bruder Hajo (Urs Jucker), der beim Opfer in der Kreide steht. Kurz darauf wird ein weiterer Anschlag auf Taubert verübt – und diesmal endet er tödlich. Ins Visier der beiden Ermittlerinnen, die auf dem Präsidium regelmäßig mit Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Wiebke Lohkamp (Jule Böwe) vom Betrugsdezernat aneinandergeraten, gerät schließlich auch Unternehmer Gerald Schleibusch (Stephan Baumecker), der sich ebenfalls Profit von der Arbeit für Obdachlose erhofft...

    Die Praktikantin ist tot! Das vorab geheim gehaltene Ableben von Polizeianwärterin Maria Magdalena Mohr (Jella Haase, die „Heul leise!“-Chantal aus „Fack Ju Göhte“) war der bemerkenswerteste Moment im „Tatort: Auf einen Schlag“, in dem sich ansonsten Licht und Schatten die Waage hielten. Dem zweiten „Tatort“ aus Dresden seit der Versetzung der früheren MDR-Kommissare Ehrlicher (Peter Sodann) und Kain (Bernd Michael Lade) nach Leipzig fehlt es damit an einer wichtigen Figur – schließlich war es auch die kesse Mohr, die den an Bernd Stromberg angelehnten Chauvi-Chef Schnabel mit frechen Bemerkungen aus der Reserve lockte. Mit der biederen Wiebke Lohkamp haben die „Stromberg“-Autoren Ralf Husmann und Mika Kallwass einen Ersatz installiert, der auch gut in die Abteilung Schadensregulierung M-Z bei der Capitol Versicherung gepasst hätte: Die zugeknöpfte Kollegin vom Betrugsdezernat bandelt lose mit Chauvi-Chef Schnabel an, der seinen Kaffee aus einer „Schnabel-Tasse“ trinkt und Lohkamp förmlich anfleht, ihn zum Essen zu begleiten. Die ohnehin schon flache Spannungskurve stürzt bei diesen seichten, aber durchaus amüsanten Handlungsschlenkern naturgemäß in den Keller – weil Schnabel aber darauf besteht, dass „die Wiebke“ den Kommissarinnen unter die Arme greift, geht es zumindest im Präsidium heiß her.

    Ähnlich wie im Vorgänger sorgen die Reibereien unter den Ermittlern, die generell sehr typisch für die Krimireihe sind, für bissigen Dialogwitz und einige gelungene One-Liner („Wie wär’s denn mal bei Ihnen mit ‘ner Work-Wife-Balance, Herr Schnabel?“) – leider aber auch wieder für ermüdende Diskurse über die Rolle von Mann und Frau, die wie von vorgestern klingen und kaum dazu beitragen dürften, dass das erste weibliche Ermittlerduo der „Tatort“-Geschichte sein in Rekordzeit erworbenes Emanzen-Image beim TV-Publikum wieder los wird. Einen gerade in diesem Zusammenhang ärgerlichen Verlauf nimmt die Handlung auf der Zielgeraden: Auf die Spur des Täters gelangen die Kommissare ausgerechnet, weil Schnabel in einer Vernehmung den starken Mann markiert – was dem sprichwörtlichen „schwachen Geschlecht“ im ersten Anlauf nicht glückt, gelingt dem Kommissariatsleiter problemlos, weil er mit der Faust auf den Tisch haut. Unabhängig von dieser zweifelhaften Botschaft ist die Sequenz aus einem weiteren Grund ärgerlich: Hätte Schnabel den Zeugen schon zu Beginn des Films entsprechend energisch befragt, wäre der 995. „Tatort“ – überspitzt gesagt – schon nach einer halben Stunde zu Ende gewesen.

    Dass am Ende die „Tatort“-Standardlänge von achtundachtzigeinhalb Minuten erreicht wird, liegt auch am ausführlich illustrierten Privatleben der Ermittlerinnen: Während Gorniak die Eskapaden ihres pubertierenden Sohnes Aaron (Alessandro Emmanuel Schuster) auf die Palme bringen, schlittert Sieland in eine Beziehungskrise mit ihrem Freund Ole (Franz Hartwig), der es überhaupt nicht komisch findet, dass sie spontan drei Obdachlose zum Abendessen mitbringt. Während der Krach zwischen Kommissarin („Du bist doch der Erste gewesen, der mit so ‘nem scheiß ‚Refugees Welcome‘-T-Shirt durch die Gegend gerannt ist!“) und Freiberufler („Das sind aber Einheimische! Und ‚Einheimische Welcome‘ hab ich nicht angezogen!“) zu den spaßigsten Szenen des Films zählt, fällt die die Skizzierung des Obdachlosenmilieus mehr als enttäuschend aus: Sämtliche Charaktere sind überzeichnete Witzfiguren, die bei einem Hungerstreik im Präsidium sogar der Lächerlichkeit preisgegeben werden und deren Emotionen oft gekünstelt wirken. Der ernsthafte Anspruch des Films wird dadurch untergraben: Wie sehr es der Milieustudie an Tiefgang und Authentizität fehlt, zeigt der Vergleich zu neueren Beiträgen aus Berlin oder Dortmund, deren Macher sich zum Beispiel im „Tatort: Das Muli“ oder im „Tatort: Hydra“ deutlich geschickter angestellt haben.

    Fazit: Dror Zahavis „Tatort: Der König der Gosse“ ist ein Krimi mit Licht und Schatten, weil es ihm zwar nicht an bissigen Dialogen, aber an glaubwürdigen Figuren und Spannung fehlt.

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