Die morbide Faszination für Serienmörder ist ungebrochen (und das wird sie wohl auch immer bleiben). Trotzdem sollten Filmemacher aufpassen, nicht einfach nur platt den Voyeurismus des Publikums zu bedienen (damit lässt sich vielleicht Geld in Videotheken verdienen, aber eine gute Wertung auf FILMSTARTS gibt’s dafür jedenfalls nicht). „Hounds Of Love“ beginnt nun mit einer Sequenz in Superzeitlupe, die Teenagerinnen in knappen Schuluniformen beim Korbball zeigt – erst in der Totalen, dann gleitet die Kamera ganz nah an den sich zum Sprung reckenden Körpern der Mädchen entlang. Damit legt Regiedebütant Ben Young schon in den allerersten Einstellungen deutlich höhere filmische Ambitionen an den Tag als in den allermeisten anderen Beiträgen des Serienmörder-Genres zu erkennen sind. Zugleich schrillen aber auch direkt alle Voyeurismus-Alarmglocken – allerdings nicht sehr lange, denn „Hounds Of Love“ entpuppt sich anschließend schnell als anspruchsvolles, ausgefeiltes und unerwartetes Psychogramm zweier Figuren, die sich im Film nie direkt begegnen.
In den Wohnzimmern stehen die Tannenbäume und draußen herrscht Hochsommer. Im verschlafenen westaustralischen Perth ist im Dezember 1987 also eigentlich alles wie immer. Als die frischgetrennten Maggie (Susie Porter) und Trevor Maloney (Damian de Montemas) ihre über Nacht nicht nach Hause gekommene Tochter Vicki (Ashleigh Cummings) als vermisst melden wollen, gibt es von dem zuständigen Polizeibeamten deshalb auch nur den wenig hilfreichen Kommentar, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen, man sei hier schließlich nicht in New York. Dabei wären die Sorgen durchaus angebracht: Vicki wurde nämlich von Evelyn (Emma Booth) und John White (Stephen Curry) entführt, die regelmäßig Teenagerinnen für einige Tage bei sich im Haus missbrauchen. Am Ende verscharrt John im Wald die Leichen, während Evelyn die frischgewaschenen Bettlaken im Garten zum Trocknen aufhängt…
Serienmördern geht es in der Regel vor allem um Macht. Trotzdem gibt es in „Hounds Of Love“ nur eine kurze Szene, in der John mit seinem Opfer etwas anzustellen versucht (stattdessen sieht man an einer anderen Stelle nur, wie Evelyn Dildos und blutige Taschentücher wegräumt). Vickis Entwicklung vom anfänglichen Unglauben bis zum finalen Ergeben in ihr Schicksal wird zwar sehr glaubwürdig und frei von Klischees nachvollzogen, aber sie bleibt trotzdem eine Nebenfigur, die oft nur gefesselt und geknebelt im Hintergrund herumliegt (die Whites tun erstaunlich wenig, um ihre Taten inmitten einer Einfamilienhaussiedlung geheim zu halten, die Schreie ihrer Opfer sind mitunter sogar bis zum Nachbarhaus zu hören, werden dann aber als die übliche häusliche Gewalt abgetan). So zieht der Film zwar seine Spannung zum größten Teil aus der Frage, ob die Schülerin noch gerettet werden kann oder nicht (gerade im Finale ist Nägelkauen angesagt), aber der wirklich aufregende Machtkampf ist ein anderer…
… nämlich der zwischen den Serienmördern selbst: Evelyn ist eine durch die psychische und physische Gewalt ihres Mannes vollkommen gebrochene Frau (wobei John in einer Szene außerhalb des eigenen Hauses selbst als machtloses Würstchen entlarvt wird). Ihr Wunsch, irgendwann mit Johns Hilfe ihre Kinder zurückzubekommen, die ihr weggenommen wurden, wiegt so stark, dass sie ihm sogar die Opfer für seine sexuellen Folterfantasien besorgt (und anschließend hinter ihm den Dreck wegräumt). Zugleich ist sie aber auch krankhaft eifersüchtig auf die gefesselten jungen Frauen, weil John ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt als ihr (er darf sie deshalb auch nur quälen, aber nicht mit ihnen schlafen). Ben Young hält seine Kamera gefühlt die Hälfte der Spielzeit allein auf das Gesicht von Emma Booth („Spuren“, „Parker“) – und wir können es ihm nicht verdenken! Die Schauspielerin liefert eine derart abgründige wie wahrhaftige darstellerische Tour de Force ab, dass man sich an ihrem fast bis zur Unkenntlichkeit transformierten Gesicht mit den zunehmend verzweifelten winzigen Augen einfach nicht sattsehen kann. Beim Filmfestival in Brüssel gab es dafür 2016 zu Recht den Preis als Beste Schauspielerin.
Eine nicht ansatzweise so faszinierende (oder grandios gespielte) Figur ist Maggie Maloney. Trotzdem ist die Mutter der Entführten absolut integral für den Film - und zwar nicht nur, weil sie nach ihrer Tochter sucht, sondern auch als direkter und krasser Gegenentwurf zu Evelyn: Maggie hat nämlich erst vor kurzem ihren wohlhabenden Chirurgen-Gatten verlassen – und zwar nicht, weil der fremdgegangen wäre oder sie sonst irgendwie schlecht behandelt hätte, sondern ganz einfach, weil sie lieber auf eigenen Beinen stehen wollte. In einem weniger außergewöhnlichen Film wäre das Verschwinden der Tochter da natürlich genau der richtige Moment, um die Familie wieder zusammenzubringen. Aber Maggie fällt nicht einmal in einer solchen Ausnahmesituation zurück in die Arme ihres Mannes – sondern sagt ihm noch einmal ganz ruhig und sachlich, dass sie nicht zurückkommen wird, bevor sie sich wieder in die Suche nach ihrer Tochter stürzt.
Fazit: Atmosphärisch inszenierter, psychologisch ausgefeilter und zum Ende hin megaspannender Serienmörderfilm mit einer außergewöhnlichen Schwerpunktsetzung. Ben Young empfiehlt sich mit seinem Regiedebüt definitiv für weitere Aufgaben und Emma Booth ist in der Rolle der scheinbar völlig gebrochenen Ehefrau des Serientäters nicht weniger als ein schauspielerisches Ereignis.
Wir haben „Hounds Of Love“ auf dem Fantasy Filmfest 2017 gesehen, wo der Film im offiziellen Programm gezeigt wird.