Zumindest besser als der erste Teil!
Von Sidney ScheringIm Dezember 2019 feiert das Artillerie-Handyspiel „Angry Birds“ sein zehnjähriges Jubiläum. Im schnelllebigen Mobilegame-Sektor ist also quasi eine Ewigkeit vergangen, seit das schlichte Spiel, in dem man Comic-Vögel mit einer Art Steinschleuder in klapprige Schweinebauten flitscht, erstmals das Licht eines Handydisplays erblickt hat. In der Zwischenzeit avancierte das Gelegenheitsspiel zu einer globalen Sensation, zu der nach und nach auch zahlreiche Ableger entstandenen. Schließlich folgten noch eine Serie aus dialogfreien Animations-Kurzfilmen sowie im Jahr 2016 dann sogar ein Kinofilm. Mit weltweiten Einnahmen in Höhe von 352,3 Millionen Dollar ist „Angry Birds“ bis dato die dritterfolgreichste Videospielverfilmung überhaupt, eine Fortsetzung wurde deshalb auch zügig beschlossen. Trotzdem sind zwischen Teil eins und Teil zwei immerhin drei Jahre vergangen. Drei Jahre, in denen die „Angry Birds“-Hysterie doch ein wenig abgeflaut ist, was man auch am enttäuschenden US-Einspielergebnis von „Angry Birds 2“ ablesen kann. Dabei ist die Fortsetzung, diesmal unter der Regie von „Adventure Time“-Autor Thurop Van Orman, sogar einen Tick besser als der qualitativ doch sehr durchwachsene Erstling.
Seit der grantige Red (Stimme im Original: Jason Sudeikis / deutsche Stimme: Christoph Maria Herbst) dafür gesorgt hat, dass die flugunfähigen Bewohner der Vogelinsel den Kampf gegen die eierfressenden, schweinischen Bewohner ihrer Nachbarinsel gewonnen haben, wird er als Held gefeiert. Und diesen Status kostet der ehemalige Außenseiter genüsslich aus. Außerdem nutzt er zusammen mit seinen Freunden Chuck (Josh Gad/Axel Stein) und Bombe (Danny McBride/Axel Prahl) die inzwischen überall auf der Insel installierten Flitschen, wie die Schleudern von den Vögeln genannt werden, um den Schweinen immer wieder Streiche zu spielen. Doch die Schweine revanchieren sich dafür auch stets mit eigenen Pranks. Daher ist Red überaus misstrauisch, als Königsschwein Leonard (Bill Hader/Ralf Schmitz) einen Waffenstillstand vorschlägt und Red bittet, sich mit ihm gegen die erst kürzlich entdeckte Eisinsel zu verbünden. Deren Herrscherin, die lila Vogeldame Zeta (Leslie Jones/Christiane Paul), verschießt nämlich gefährliche Eisbälle. Aber so eine Zusammenarbeit zwischen Ex-Feinden ist ja von Natur aus eher tückisch …
Red erklärt, was es mit dem neuen Feind auf der Eisinsel auf sich hat ...
Obwohl der deutsche Titel ganz korrekt „Angry Birds 2 – Der Film“ lautet, statt etwa „Angry Birds – Der 2. Film“, handelt es sich nicht etwa um eine Adaption des ja tatsächlich existierenden Spiels „Angry Birds 2“. Genauso wenig haben sich die Autoren Peter Ackerman („The Americans“), Eyal Podell und Jonathon E. Stewart („Cars 3: Evolution“) für ihre Story an irgendeinem der anderen „Angry Birds“-Spiele orientiert: Stattdessen nimmt sich der Film die Figuren aus dem Erstling und führt sie nach eigenem Gutdünken in eine neue Richtung. Mit dieser Distanzierung vom Ausgangsmaterial ändert sich auch die Gangart in „Angry Birds 2“ ein wenig: Der Anteil der Cartoon-Action fällt merklich geringer aus, dafür nimmt die oft von Slapstick gestützte Situationskomik mehr Raum ein.
Trotz der Entfernung von den Spiele-Einflüssen bleibt die Story allerdings ziemliches Stückwerk – was sich vor allem in den bemüht emotionalen Momenten negativ bemerkbar macht. So drehen sich gleich mehrere Konflikte in der zweiten Filmhälfte um die Frage, ob Red wohl jemals Teamwork lernen wird. Der Prolog jedoch zeigt bereits ausführlich, wie er mit Chuck und Bombe routiniert gemeinsame Sache macht. Genauso basieren einzelne der sketchartig aufgezogenen Szenen darauf, dass sich Leonard und Red gegenseitig nicht über den Weg trauen. Dabei sieht man in den Szenen davor und danach doch, wie sie reibungslos und ohne jedes spürbare Misstrauen zusammenarbeiten. Solche widersprüchlichen Erzählungen nehmen vor allem den späteren Filmpassagen, in denen der errungene Frieden zwischen den beiden Figuren im Speziellen und den Vögeln und Schweinen im Allgemeinen gefeiert wird, direkt eine Menge von ihrer emotionalen Kraft. Wenn die Autoren schon nicht auf eine innere Kohärenz bei den Figuren achten, dann lässt eben auch das Interesse des Zuschauers an ihnen nach.
Als mit hohem Tempo erzählter, sich vornehmlich an Kinder richtender und am meisten Wert auf den Humor legendender Animationsfilm ist die inhaltliche Konsistenz sicher nicht das höchste Gut von „Angry Birds 2“. Wenn da auch mal die Plot-Logik aufgebrochen wird, um dafür eine starke Pointe rauszuhauen, wäre das deshalb eigentlich auch voll okay. Aber die ständigen Inkonsequenzen nehmen mitunter auch den Gags ihren Zunder. So gibt es nur wenige Minuten, nachdem Red, Chuck und Bombe – streitfrei – mal wieder einen ihrer Pranks gemacht haben, plötzlich eine „Wir müssen die Gang wieder zusammenbringen“-Montage. Für sich betrachtet ist das als zwar nicht sonderlich kreative, aber dafür ordentlich knallige Parodie auf die üblichen Team-Zusammenstellungs-Montagen aus zahllosen Heist-Filmen ja auch ganz nett. Nur macht sie eben an der Stelle Null Sinn und wirkt deshalb eher konfus als pointiert.
Ähnlich ambivalent verhält es sich mit den zahlreichen Popmusik-Einsätzen, auf die sich Thurop Van Orman immer wieder verlässt, um aus einer Szene noch zusätzlichen Humor herauszupressen: „Angry Birds 2“ ist mit bekannten Songs regelrecht vollgestopft – uns selbst wenn es kein sonderlich origineller Gag ist, auf die Ansage, dass man jetzt subtil vorgehen sollte, laut „Turn Down For What“ von DJ Snake und Lil Jon aufzudrehen, stimmt das Timing einfach. Aber es geht auch weniger gelungen: Wenn an einer Stelle beim Einblenden eines Timers plötzlich „Final Countdown“ von Europe aus den Lautsprechern plärrt, zählt das zu den verzweifelten Versuchen des Films, mit Hilfe bekannter Songs doch noch einen Schmunzler zu provozieren.
... während Zora einfach nur versucht, mit ihrem Hund Gassi zu gehen!
Am besten funktioniert „Angry Bird 2“ immer dann, wenn der oft wunderbar-absurde Slapstick im Vordergrund steht. So sind etwa sämtliche Szenen rund um ein unfassbar schlechtes Vogelkostüm, auf das aber trotzdem wirklich jeder hereinfällt, wirklich köstlich, weil die Skurrilität der Situation hier bis zum Anschlag hocheskaliert wird. Auch der Nebenstrang um drei kleine Küken, die verlorengegangenen Eiern hinterherreisen, hat seine herrlich trockenhumorigen Momente in bester Scratch-Manier (wer erinnert sich nicht an die verzweifelte Eichel-Jagd des Eiszeit-Nagers in den „Ice Age“-Filmen). Die Neuzugänge können ebenfalls überzeugen: Vor allem Zeta, die versucht, in ihrer eisigen Heimat ein paradiesisches Lotterleben zu führen, sowie die wortgewandte neue Heldin Silver (Rachel Bloom/Anke Engelke) machen echt Spaß. Die schon aus dem ersten Teil bekannten Vogel-Helden müssen sich hingegen zu oft mit aufgewärmten Witzchen zufriedengeben.
Fazit: Weniger Cartoon-Zerstörung, dafür mehr absurde Situationskomik: Je skurriler „Angry Birds 2“ wird, desto mehr Spaß macht er auch. Allerdings wird der einem immer wieder durch ein schwammigen Skript, das die Entwicklung seiner Figuren selbst nicht so recht ernst zu nehmen scheint, verleidet.