Dass Alice Lowe einen sehr, sehr schwarzen Humor besitzt, wissen wir schon seit sie in Ben Wheatleys „Sightseers“ nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern gemeinsam mit dem Regisseur auch das Skript zu der kultigen Killer-Komödie geschrieben hat. Aber selbst wenn wir es nicht für möglich gehalten hätten: Es geht sogar noch schwärzer! In ihrem Regiedebüt „Prevenge“ spielt die zum Zeitpunkt des Drehs tatsächlich schwangere Filmemacherin die psychisch labile Ruth, deren ungeborenes Baby ihr befiehlt, in seinem Namen Menschen umzubringen. „Prevenge“ ist eine ebenso staubtrockene wie blutige Serienmörder-Satire, wie sie so eigentlich nur aus Großbritannien (schließlich die Heimat des schwarzen Humors) kommen kann. Wir würden sooooo gern Mäuschen spielen, wenn Lowe in einigen Jahren ihrem eigenen Kind erklären muss, warum zum Teufel ihre Schwangerschaft sie damals ausgerechnet zu diesem Film inspiriert hat. Da wird sicherlich die eine oder andere Therapiestunde für den verstörten Nachwuchs anfallen…
Wenn ihre Ärztin (Jo Hartley) erzählt, dass es ganz normal ist, wenn Schwangere zwischendurch mal die Gewalt über ihren Körper verlieren und stattdessen das Embryo die Kontrolle übernimmt, dann meint die Medizinerin das zwar als Spaß, aber für Patientin Ruth (Alice Lowe) ist genau das trotzdem tödlicher Ernst: Denn das Baby in ihrem Bauch besteht mit seiner Quietschstimme immer wieder und beharrlich darauf, dass die werdende Mutter Menschen für ihr ungeborenes Kind tötet…
Visuell und inszenatorisch erinnert „Prevenge“ an ein karges Sozialdrama – aber das liegt nicht etwa an fehlenden finanziellen Mitteln, vielmehr nutzt Lowe die Reibung zwischen Form und Inhalt, um die Absurdität von Ruths blutigem Treiben noch krasser herauszustellen: Wenn in einem Film, der von vorneherein wie ein Horrorstreifen aussieht, eine werdende Mutter jemanden niedersticht, ist der Schockeffekt natürlich ungleich geringer, als wenn es in einem Film geschieht, der vom Look her genauso gut auch von Ken Loach („Ich, Daniel Blake“) oder Mike Leigh („Nackt“) stammen könnte. Insgesamt inszeniert die Regisseurin die Morde derart nüchtern, dass sie gerade wegen ihrer Sachlichkeit so sehr verstören. Und richtig böse wird es, wenn Ruth ihre Schwangerschaft in die Waagschale wirft: Als sie einmal auf echte Gegenwehr stößt, tut sie einfach, als ob sie nach einem Schlag in den Bauch starke Schmerzen hätte, nur um ihrem nun unaufmerksamen Kontrahenten dann doch noch das Messer reinzurammen.
Daneben zelebriert Lowe schmerzbefreiten, politisch unkorrekten, feministischen Humor – als wäre sie die britische Antwort auf Amy Schumer („Dating Queen“), nur dass sie ihre Pointen noch viel trockener präsentiert: Als ein megapeinlicher Disco-Macho (Tom Davis) sich im Taxi erst selbst vollkotzt und sie dann trotzdem mit dem Kommentar zu küssen beginnt, dass er an dicken Frauen ja so gern möge, dass sie für alles dankbar seien, kann man gar nicht mehr abwarten, was in ein paar Minuten mit ihm (und seinem besten Stück) passieren wird. Wer sich einen ersten Eindruck von Lowes tabulosen Pointen verschaffen will, sollte unbedingt den Twitterkanal von Ruths ungeborenem Baby abonnieren – dort wundert es sich zum Beispiel, warum seiner Regisseurin eigentlich irgendjemand Geld für irgendwas gibt (außer für einen billigen Handjob natürlich). Erst im letzten Drittel werden die frischen Ideen ein wenig rarer und die Morde beginnen sich stärker zu gleichen, was auch daran liegt, dass Lowe plötzlich damit anfängt, die unnötig komplizierte Motivation für Ruths Handlungen aufzudröseln. Hätte nicht sein müssen.
Fazit: Eine bitterböse Horror-Comedy – ebenso provokant wie saukomisch. Nur zum Ende hin gehen der furchtlos politisch unkorrekten Alice Lowe ein wenig die frischen Ideen aus.