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    Das Leben des Brian
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Das Leben des Brian
    Von Jens Hamp

    Obgleich der erste Spielfilm der Pythons ein ordentlicher Erfolg wurde, konnten die britischen Kultkomiker bei ihrem zweiten Kinowerk nur nach einigen Hindernissen aus dem Vollen schöpfen. Die ursprünglich eingeplanten Produzenten schnürten den Geldhahn zwei Tage vor dem angestrebten Drehbeginn ab, nachdem sie das Drehbuch zu Gesicht bekamen. Gerettet wurde das Projekt schließlich von Ex-Beatle George Harrison, der kurzerhand die Produktionsfirma HandMade Films ins Leben rief und so „Das Leben des Brian“ vor dem Untergang bewahrte.

    Filmhistorisch wäre es natürlich ein Unding gewesen, wenn diese kontrovers diskutierte Satire nie das Licht der Welt erblickt hätte. Denn hier tobten sich die sechs Monty-Python-Mitglieder richtig aus, Terry Jones inszenierte eine bitterböse und teilweise herrlich infantile Farce auf Religion, Massenkonformismus und fehlgeleiteten Dogmatismus. Dass die (Wahl-)Briten noch einmal einen derartigen Geniestreich abliefern würden, hätte man dabei im Vorfeld gar nicht vermutet, zumal die Truppe schon in der letzten Staffel des „Flying Circus“ nicht mehr in voller Besetzung auftrat und „Die Ritter der Kokosnuss“ (1975) wie ein sehr gut gewählter Schlussstrich wirkte. Aber selbst diesen Komödien-Geniestreich voller absurder Ideen sollten John Cleese, Graham Chapman, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin noch mit „Das Leben des Brian“ in den Schatten stellen können.

    Inhaltlich wird von der Zeit nach Christi Geburt erzählt. Jesus (Kenneth Colley) ist zu einem stattlichen Mann herangewachsen und begeht Wunder nach Wunder. Große Anhängerscharen liegen ihm zu Fuße, wenn er - kurz vor der Sportschau - seine Predigten hält. Doch den gleichaltrigen Brian (Graham Chapman) interessiert das nur bedingt, zumal er von seiner herrischen Mutter (Terry Jones) anstelle dessen zu den wöchentlichen Steinigungen getrieben wird. Als Verkäufer von Ozelotohren, Snacks, die die verhassten römischen Imperialisten einführten, lernt Brian bei den Gladiatorenkämpfen Reg (John Cleese) und seine Anhänger der Volksfront von Judäa kennen. Nach einer anstrengenden Aufnahmeprüfung steigt unser Titelheld in den Kreis der Volksbefreier auf – doch das eigentliche Ziel der Äußerung seines Unmutes gegen die römischen Besatzer endet im kompletten Chaos. Durch einen dummen Zufall glauben seine Mitmenschen urplötzlich, er sei der wahre Messias und folgen ihm von nun an auf Schritt und Tritt. Die Römer haben hingegen ein Auge auf Brian geworfen, weil dieser der einzige Überlebende eines missglückten, politisch motivierten Entführungsversuches ist und nun seine gerechte Strafe erleiden soll…

    Bereits im Vorfeld wurden die Pythons scharf beschossen. Blasphemie lautete der Vorwurf. Christliche Gruppierungen demonstrierten vor den Kinos und verteilten Flugblätter an potenzielle Filmzuschauer. Dass mit diesem medialen Wirbel natürlich das Interesse an „Brians Leben“ zusätzlich angeheizt wurde, bedachten die „Protestanten“ nicht. Ebenso schien ihnen entgangen zu sein, dass der Film, heute auch anerkannt, keineswegs blasphemische Züge aufweist. Vielmehr wird sogar im Rahmen der Handlung „bestätigt“, dass Jesus Wunder vollbrachte - auch wenn so dem geheilten Leprakranken (Michael Palin) nun die Betteleinnahmen flöten gehen. Um diese Feinheiten erkennen zu können, hätten die Filmgegner aber wohl zuerst das fertige Werk sehen müssen. Und das geschah in den überwiegenden Fällen nicht. Anstelle dessen wurde in vereinzelten englischen Gemeinden der Film verboten – denn „man müsse keinen Schweinestall sehen, um zu wissen, dass er stinke“.

    Zentrum des Spotts ist letztlich nicht der Glaube an Gott, sondern das, was die Menschen aus diesem machen. Schon während der anfänglich dargestellten Bergpredigt gibt es für die Massen Verständnisprobleme, so dass in den letzten Reihen nicht die „peacemakers/Friedfertigen“ geheiligt werden, sondern die „cheesemakers/Käsehersteller“. Doch auch schon damals wussten die Christen, dass die Worte Jesus’ ausgelegt werden müssten. Schließlich seien sie nur Metaphern. Und mit diesem Kniff ergibt sogar die Seligsprechung der Käsehersteller irgendwie Sinn. Im weiteren Verlauf des Films streitet Brian ab, der Messias zu sein. Seine ungewollte Anhängerschar hingegen sieht gerade in diesem Abstreiten den Beweis, dass er doch der Sohn Gottes sein müsse. Schließlich wäre nur dieser so bescheiden und würde seine Abstammung von Gott abstreiten. Als Brian hingegen hofft, sich aus dieser misslichen Lage herauswinden zu können, indem er sich nun doch als Gottes Sohn ausgibt, wendet sich die Begründung seiner Anhängerschaft ebenso schnell, schließlich bestätigt er ja gerade, dass er der Messias ist. Der Irrsinn des religiösen Dogmatismus wird seitens der britischen Komikertruppe noch vielfach auf herrlichste Weise veralbert.

    Doch die Pythons gehen schließlich noch einen Schritt weiter und lassen in einer „Predigt“ Brian zum Individualismus aufrufen. Man solle sich keiner kirchlichen Autorität unterwerfen und blind deren Dogmen folgen. Bereits im Film wird diese Botschaft frenetisch von den Anhängern des Messias gefeiert, als Individuum tritt aber keiner der Gefolgsleute von nun an auf. Vielmehr wollen sie sich Brian als neuem Führer unterwerfen. Dass dieses unterwürfige Verhalten auch noch in der Neuzeit gelebt wird, zeigten schließlich die Demonstranten, die blindlings den Urteilen der Glaubensführer folgten - eine äußerst befriedigende Feststellung für die Pythons.

    „Das Leben des Brian“ greift zwar nicht die Handlungsstränge eines Bibelfilms auf, lehnt sich optisch aber deutlich an das Genre an. In Tunesien wurden in Monastir und Karthago Kulissen gefunden, die bestens geeignet waren, um die vergangenen Tage wieder aufleben zu lassen. Hier mussten nicht Kokosnüsse verwendet, um Pferde zu simulieren - denn mit einem Vier-Millionen-Dollar-Budget war ausreichend Geld vorhanden, um den Film glaubhaft auszustatten. Selbst für eine abstruse Weltraumschlacht, für die Sternenkrieger George Lucas lobende Worte fand, war noch wenig Geld vorhanden. Dieses urplötzliche Auftauchen von Außerirdischen als sich Brian in einer aussichtlosen Situation befindet, dürfte wohl die überspitzeste Deux-Ex-Machina der Filmgeschichte sein.

    Abgeschlossen wird Brians Lebensgeschichte wohl mit einer der legendärsten Szenen. Die Gruppe der Gekreuzigten stimmt angeführt von Eric Idle das äußerst fröhliche „Always look on the bright side of life“ an. Mit diesem eingängigen Ohrwurm und dessen optimistischen Text geben die Pythons wohl den einzigen Anlass, sich über „Das Leben des Brian“ zu echauffieren. Denn der Umgang mit dem römischen Hinrichtungstagesgeschäft ist unzweifelhaft sehr grenzwertig. Im Kontext des Films ist diese „Revuenummer“ allerdings das exquisite Sahnehäubchen, um den Film würdig zu beenden. Zudem bewies der Lauf der Zeit, dass besagtes Lied mit seiner simplen Lebensweisheit ein grandioser Aufmunterer ist – immerhin rangiert er mittlerweile unter den meistgespielten Popsongs auf Beerdigungen.

    Im Olymp der Filmkomödien hat sich Monty Pythons „Das Leben des Brian“ wohl auf ewig seinen Platz neben Billy Wilders Manche mögen´s heiß und Frank Capras „Arsen und Spitzenhäubchen“ verdient. Während die Briten in ihrem herausragenden Spielfilmdebüt „Ritter der Kokosnuss“ noch sehr dem sketchartigen Stil ihrer Fernsehserie „Flying Circus“ nacheiferten, wirkt „Brian“ wie aus einem Guss. Parallel zu Jesus’ Leidensweg erzählen sie eine urkomische Geschichte, die trotz der zeitweise aufkeimenden Infantilität treffsichere Seitenhiebe gegen blinden Gehorsam und verkopften Fanatismus verteilt.

    Glücklicherweise hatten die Pythons auch nach diesem Film nicht genug vom Filmemachen und erfreuten ihre Fans noch mit Der Sinn des Lebens (1983). Dieses Sketchsammelsurium konnte zwar nicht ganz an die grandiosen Qualitäten des bitterbösen und urkomischen „Brian“ anschließen, aber das ist „something completely different“…

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