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    American Psycho
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    American Psycho
    Von Ulrich Behrens

    In „Der Pianist” erzeugte Roman Polanski über einen Zeitraum von gut zwei Stunden eine beängstigende Atmosphäre, einen Raum skrupelloser Normalität, in der die Brutalität zum Maßstab aller Dinge geworden war. In diesem Raum bewegte sich die Hauptfigur, der von Adrien Brody gespielte polnische Pianist Wladyslaw Szpilman, auf einem schier nicht enden wollenden Weg des nackten Überlebens. Erst zum Schluss, als Polanski Szpilman direkt nach dem Krieg im Konzert zeigt, durchflutet den Betrachter eine immense Erleichterung, ein Gefühl der inneren Befreiung und des Wieder-Weinen-Könnens. Erst in diesem Punkt spürt man, oder besser: ahnt man zu spüren, was den Unterschied zwischen dem brutalisierten Lebens-Raum und dem hier durch die Musik Chopins und das Spiel Szpilmans charakterisierten Raum einer ganz anderen Normalität ausmacht. In „Der Pianist” gelang Polanski ein Meisterstück in der Inszenierung dieses frappanten Unterschieds.

    Daran musste ich denken, als ich Mary Harrons „American Psycho” etwa eine halbe Stunde lang angeschaut hatte. Da treffen wir einen Mann, der seelisch wie körperlich aus dem Ei gepellt zu sein scheint. Einen Mann, der aus nichts anderem zu bestehen scheint als aus einer in jeder Hinsicht optimierten Hülle, in der eine Art Maschine ihr vorgegebenes Programm abspult. Patrick Bateman (Christian Bale) lebt in einer Designerwohnung und hat einen Designerkörper, den er pflegt – man könnte sagen: bis zum Exzess: Gesichtsmaske, Feuchtigkeitscreme etc. pp. Gesunder Geist, gesunder Körper? Wohl kaum. Auch Batemans political correctness, seine vornehme Wortwahl, sein Benehmen scheinen mit seinem Äußeren zu korrespondieren. Man beschimpft Juden nicht und es gilt, die großen Probleme der Armut, der Unterdrückung der Frauen etc. pp. in der Welt zu bekämpfen – zensiert er in einer fast schon beiläufigen Art seine jeweiligen Gegenüber. Während in „Der Pianist” die NS-Diktatur einen Raum der Brutalität entfaltet, erzeugt der Wallstreet-Yuppie Bateman überall, wo er auftritt, eine solche kalte, gefühllose Atmosphäre, in der die Konkurrenz mit seinen ihm zu Verwechseln ähnlich sehenden Wallstreet-Yuppies Bryce (Justin Theroux) oder McDermott (Josh Lucas) so weit entwickelt ist, dass man um teure Hochglanz-Visitenkarten wetteifert. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die Schönste in Wallstreet-Land.

    Bateman ist verlobt, oder so etwas ähnliches, und zwar mit der nichtssagenden Evelyn Williams (Reese Witherspoon), die von Heirat redet. Gleichzeitig treibt es Bateman mit Courtney (Samantha Mathis), der Frau des homosexuellen (oder bisexuellen?) Luis (Matt Ross). Doch bei Bateman geht es nicht um Liebe, nicht mal um Gefühle beim sporadischen Sex. Bateman will ein Sieger sein, einer, der alles kann, alles beherrscht, in allem der erste ist – ausgestattet mit der entsprechenden moralischen Gesinnung. Seine Sekretärin Jean (Chloë Sevigny) weist er an, Miniröcke und hochhackige Schuhe zu tragen, in einem Ton der Überlegenheit, der Selbstsicherheit und der Bevormundung.

    Um diese Macht zu demonstrieren, gabelt Bateman auf der Straße die Prostituierte Christie (Cara Seymor) auf, die eigentlich nicht Christie heißt, der Bateman allerdings in seiner Arroganz und Selbstüberschätzung diesen Namen zuweist. Hinzu gesellt sich ein Callgirl namens Sabrina (Krista Sutton). Später ordert er nochmals Christie und diesmal als weitere Gespielin Elisabeth (Guinevere Turner). Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn sich in einer der Wohnungen Batemans nicht plötzlich allerlei Leichen tummeln würden. Und Bateman ist derjenige, der etliche Damen und auch einige Herren mit Designer-Axt, Kettensäge und anderen Mordinstrumenten ins Jenseits befördert. Seine Sekretärin Jean entkommt – ohne es zu ahnen – nur knapp diesem Schicksal. Bateman, führt er ein Doppelleben? Oder sind diese Exzesse und brutalen Morde nur die konsequente Fortführung seines Lebens als kaltblütiger Designer-Yuppie, in dessen Verlauf ebenso ein Obdachloser wie ein Kollege dran glauben müssen?

    Die Adaption des heiß umstrittenen Bestsellers von Bret Easton Ellis, in dem über viele Seiten immer neue Gräueltaten Batemans in geradezu exzentrisch-ausführlicher Weise en detail geschildert werden, hinterlässt einen doch etwas fahlen Beigeschmack. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Mary Harron an dem Anspruch gescheitert ist, nachzuzeichnen, wie sich aus einer bestimmten Lebensart hinter der Fassade einer vordergründig in jeder Hinsicht sauberen political, physical and mental correctness eine Art faschistoide Mentalität breit macht, in der Konkurrenz in jeder Lebenssituation nicht mehr ein wenn auch oft sicherlich brutales, aber dennoch freiheitlichen Regeln folgendes (ernstes) Spiel darstellt, sondern mit dem Ziel der Vernichtung all dessen verknüpft ist, was nicht in das reine Yuppie-Dasein des Protagonisten samt hohem, aber in seiner andere und anderes ausschließenden Hybris passt. Ich kann mir kaum ein anderes Motiv zumindest für diese filmische Adaption des Bestsellers (wenn nicht für den Roman selbst) vorstellen, und Mary Harron äußerte selbst, der Film habe ihr dazu gedient, ihre Angst vor (bestimmten?) Männern zu bewältigen.

    Im Unterschied allerdings zu dem genannten Film Polanskis strömt aus dieser Inszenierung nicht eine eiskalte, unbehagliche Atmosphäre der Angst, des permanenten Schreckens und der bis in jeden Winkel präsenten Brutalität, die den Betrachter bald ergreift. „American Psycho” lässt mich relativ kalt, während die avisierte Inszenierung der Kälte sich kaum auf mich übertragen konnte. Alles ist zu perfekt gemacht: Batemans Äußeres, Batemans Inneres, das Produktionsdesign, die Nebenrollen – denn es gibt außer Bateman eigentlich keine Hauptdarsteller – all das ist mir zu rein, zu perfekt in seinem Anspruch, zu sauber, selbst dann, wenn Bateman zur Axt greift und einem Kollegen den Kopf spaltet. Das Blut des Ermordeten wirkt geradezu stilsicher auf dem Weiß des Bodens oder Teppichs. Es passt sich dem Design der Wohnung und des Films insgesamt fast perfekt an. Da ist nichts Rührendes, nichts wirklich Bewegendes, geschweige den Emotionen Auslösendes in „American Psycho”.

    Christian Bale, den ich als Schauspieler schätze („Equilibrium”, 2002), passt sich dieser „Stimmung”, die man als Stimmung kaum bezeichnen kann, ebenso nahtlos an. Und genau dies alles macht den Film eben gerade nicht zu einem visuellen Erlebnis, in das man sich hinein vertiefen oder / und von dem man sich distanzieren könnte. Bateman ist eben nicht der Norman Bates (aus Hitchcocks „Psycho” (1960)) der 80er Jahre – eher eine comichafte, emotionslose, aber eben auch allzu ernste und daher kaum ernst zu nehmende Karikatur auf einen Wallstreet-Yuppie, dessen Mentalität erst noch zu ergründen wäre – nach dem Film.

    Es wurde oft geschrieben, der Film sei eine Art schwarze Komödie auf amerikanische Werte und Lebensstile, aber selbst in dieser Hinsicht kommt mir der Film nicht näher. Sicher, der oben genannte Visitenkartenvergleich oder auch die musikalischen Vorspiele zu den Morden – Bateman legt z.B. Phil Collins oder Huey Lewis auf, erzählt über diese Musiker, bevor er mordet – geben Beispiele ab für eine Interpretation in diese Richtung. Die Frage ist nur: trifft das dann auch? Mich hat es jedenfalls nicht getroffen, und was hier über Yuppies – auch unter Einbeziehung des etwas überraschenden Endes – gesagt wird, ist nicht gerade neu oder wirklich erhellend.

    Für eine gelungene Satire fehlt mir da eben doch der tiefgründige Humor. Man könnte auch sagen: dieser Humor wird allzu fein säuberlich hinter dem ganzen Design des Films versteckt. Das, was sich verbirgt hinter all den schönen Fassaden, dem Wertehimmel und den Macken eines Wallstreet-Yuppies enthüllt sich nicht wirklich.

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