Während die Hollywood-Realverfilmungen von US-Comics etwa von Marvel und DC meist weltweit erfolgreich sind, erreichen westliche Filmadaptionen von Mangas und Animes vor allem in Nordamerika weit weniger Zuschauer. Nachdem die Neuauflage von „Ghost In The Shell“ mit Scarlett Johansson in den USA und Kanada nur etwa 40 Millionen Dollar (bei einem Produktionsbudget von 110 Millionen) eingespielt hat und die Netflix-Produktion „Death Note“ zumindest bei vielen Kritikern nicht sonderlich gut ankam, sorgte auch der erste Trailer zu Robert Rodriguez' kommender Live-Action-Umsetzung des Kultmangas „Alita: Battle Angel“ mit seiner gewöhnungsbedürftigen Optik für ein sehr gespaltenes Echo. Während sich Hollywood noch recht sporadisch abmüht, mit Manga-Verfilmungen und Realfilm-Remakes von Animes, ein universelles Publikum anzusprechen, erscheinen auf dem japanischen Markt regelmäßig einheimische Neuauflagen erfolgreicher Manga- und Animereihen. Nach „Gantz - Spiel um dein Leben“ und der „Rurouni Kenshin“-Trilogie folgt mit „Tokyo Ghoul – The Movie“ nun die nächste Produktion, die auch in westlichen Gefilden einen (Heim-)Kinostart erhält. Regisseur Kentaro Hagiwara versucht sich dabei an einer sichtlich originalgetreuen Umsetzung der Horrorsaga – und verliert angesichts einer Unzahl unausgegorener Nebenfiguren und wenig überzeugender Spezialeffekte schon bald die im Ansatz spannende Origin-Story um Halb-Ghul Ken aus dem Blick.
Tokio wird von menschenfressenden Ghulen heimgesucht und diese Bedrohung ist besonders tückisch, weil die mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Angreifer äußerlich nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Das wird auch dem schüchternen Studenten Ken Kaneki (Masataka Kubota) zum Verhängnis als sich das scheinbar ganz normale Mädchen Liz (Yû Aoi) beim ersten Date als Ghul entpuppt, der ihn im wörtlichen Sinne vernaschen will. Nur durch einen glücklichen Zufall wird Liz unschädlich gemacht und Ken überlebt die unheimliche Begegnung mit der anderen Art schwerverletzt. Doch sein Leben konnte nur dadurch gerettet werden, dass man ihm Organe der toten Liz eingepflanzt hat und so ist Ken von nun an weder Ghul noch Mensch, sondern ein gequältes Mischwesen, das erst einmal lernen muss, mit seinem Verlangen nach Menschenfleisch umzugehen. Hilfe erhält er dabei von den gutherzigen Ghulen des Cafés Antik, dessen Betreiber Herr Yoshimura (Kunio Murai) den verängstigten Ken unter seine Fittiche nimmt. Im Gegensatz zu menschenmordenden Ghulen wie Liz ernähren sich die Angestellten des Antik nur von Selbstmördern und auf natürlichem Wege verstorbenen Menschen. Doch die Anti-Ghul-Einheit CCG um die Ermittler Amon (Nobuyuki Suzuki) und Mado (Yo Oizumi) macht zwischen den Gesinnungen der Wesen keine Unterschiede: Sie gehen mit brutalen Mitteln gegen alle Ghule vor – und ihr nächstes Ziel ist das Antik...
„Tokyo Ghoul“ beginnt vielversprechend: Nach dem leichtfüßig-komödiantischen, in sonnigen Settings eingefangenen Date zwischen Ken und der unscheinbaren Liz bricht Regisseur Hagiwara radikal mit der unbeschwerten RomCom-Stimmung und stößt Ken (und das Publikum) in die düstere, abstoßende Welt der menschenfressenden Ghule. Wenn Ken schweißgebadet und voller Ekel seine einstigen Lieblingsspeisen herunterwürgen will und sie direkt wieder ausspeit, dreht sich auch dem Zuschauer der Magen unweigerlich um. In diesen besseren Momenten erinnert „Tokyo Ghoul“ an wegweisende Genrewerke wie David Cronenbergs „Die Fliege“. Aber Hagiwara begnügt sich nicht mit sparsam und doch wirkungsvoll eingesetzten Genrezutaten, sondern folgt dem opulenten, auf Schauwerte abzielenden Ansatz des Manga-Originals sowie seiner diversen Animevarianten und – fortschreibungen. Allerdings reicht das Budget des Films ganz offensichtlich nicht für eine überzeugende Umsetzung dieser Absicht aus, das merkt man „Tokyo Ghoul“ in wirklich jeder Szene an, in der die prominenten Tentakel der Ghule zum kämpferischen Einsatz kommen. Diese sogenannten Kagune wirken mit ihrer undifferenziert-glattpolierten und farbenfrohen CGI-Optik wie ein ungewollt irritierendes visuelles Überbleibsel aus der Animeserie und rauben den zahlreichen Actionszenen mit ihrer Unglaubwürdigkeit einen großen Teil der Wucht.
Und auch bei der Handlung lösen sich die Macher zu wenig von der Vorlage. Fast hat es den Anschein, als wollten sie auf keinen Fall auch nur auf eine der Figuren aus Manga und Anime verzichten. So rückt die Fish-out-of-water-Geschichte um den sensiblen Bücherwurm Ken nach einem trotz seiner überzeichneten Eigenschaften durchaus überzeugenden Beginn immer stärker in den Hintergrund und der Film wird förmlich von einer Heerschar oberflächlich gezeichneter Nebenfiguren in schnell vergessenen Subplots überschwemmt. So verfehlen auch eigentlich dramatische Momente wie der Tod von Kens Eltern weitgehend ihre Wirkung, weil ihrer Vorbereitung und Ausführung nicht genug Platz eingeräumt wird. Bei dem geradezu sklavischen Abklappern wichtiger Szenen aus der Vorlage bleibt nicht nur die Eigenständigkeit auf der Strecke: Der silberhaarige Van-Helsing-Verschnitt Mado (Yo Oizumi) zum Beispiel ist mit seinem sinistren Dauerlächeln so eindimensional boshaft, dass man ihn als Antagonisten ungefähr so ernst nimmt wie die albernen „Pokémon“-Bösewichte des Team Rocket. „Abgerundet“ wird die zunehmend eintönige Aneinanderreihung von CGI-lastigen Kämpfen vom übermäßig bombastischen Score von „Matrix“-Komponist Don Davis, der mit seinem aufdringlichem Pomp anscheinend jene Wirkung herbeizwingen soll, die den Bildern fehlt.
Fazit: Die im Ansatz spannende Realfilm-Adaption des Horrormangas krankt in erster Linie an einer überfrachteten und zu eng an der Vorlage orientierten Handlung, während die billig wirkenden Effekte die Wirkung der Actionszenen mindern.