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    Die Reise der Pinguine 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Reise der Pinguine 2
    Von Jens Balkenborg

    Mit „Die Reise der Pinguine“ sicherte sich der Filmemacher und Antarktisforscher Luc Jacquet direkt auf Anhieb einen Platz in den Annalen des Naturdokumentarfilms: Sein Filmdebüt gewann 2006 nicht nur den Oscar als Bester Dokumentarfilm, es gehört auch bis heute zu den erfolgreichsten Dokumentationen überhaupt, alleine in Deutschland haben sich rund 1,4 Millionen Besucher die beschwerliche Brutreise und -pflege der niedlichen Kaiserpinguine auf der großen Leinwand angesehen. Nun sind die Pinguine zurück und die Erwartungen sind entsprechend hoch: Dank weiterentwickelter Filmtechnik haben Jacquet und sein Team in der Antarktis Bilder von zuweilen überwältigender Schönheit eingefangen, inhaltlich knüpft „Die Reise der Pinguine 2“ direkt an den Vorgänger an. Allerdings vertut der Regisseur viel Zeit damit, einen eigentlich gar nicht nötigen und zudem auch noch recht holprigen Bogen zum ersten Teil zu schlagen, wodurch sein neuer Film erst spät einen eigenen Drive entwickelt.

    Die Kaiserpinguine verlassen alljährlich im März den Ozean, um sich an einem bestimmten Brutplatz in der lebensfeindlichen Eiswüste zu paaren. Es ist eine echte Tortur: Während das Männchen dort über Monate ausharrt und das Ei vor Temperaturen von bis zu 40 Grad unter null schützt, macht sich das völlig ausgehungerte Weibchen auf den Weg zum Ozean, um dort Nahrung für den frisch geschlüpften Nachwuchs zu fangen. Nach ihrer Rückkehr zieht dann wiederrum das ausgehungerte Männchen los - und so weiter und so fort… Das im Zentrum stehende Pärchen hat sein Junges erfolgreich durch den harten Winter gebracht und verbringt noch einige Zeit mit ihm, damit es wächst und gedeiht. Schließlich muss das Junge, nachdem erst die Mutter und dann der Vater sich von ihm trennen, von einem Moment auf den anderen auf eigenen Beinen stehen. Gemeinsam mit den Gleichaltrigen geht es auf eine Reise zum Ozean, den keiner der Nachwuchspinguine bis dahin gesehen hat…

    Die Voraussetzungen konnten kaum besser sein: Dem Team standen Drohnen und modernste 4K-Kameras zur Verfügung, zudem hat der Regisseur glücklicherweise sein Konzept des ersten Teils überdacht und die schmalzigen Popsongs und die vermenschlichten Pinguine gegen einen ausgewogeneren Soundtrack und einen sachlicher durch den Film führenden Kommentar eingetauscht. Die Erzählung selbst unterscheidet sich hingegen – und das ist ein wesentliches Problem des Films – in der ersten Hälfte kaum von der des Vorgängers. Das aktuelle Geschehen um die kleine Pinguinfamilie wird ständig durch Rückblenden und teilweise sogar Bilder aus dem ersten Teil unterbrochen. Was in geringerem Umfang durchaus als thematisches Abholen oder Einführen des Zuschauers hätte gelten können, bekommt so einen fahlen Beigeschmack, nicht zuletzt, weil die bekannten Ereignisse um das Paarungsritual und die mühsame Brut mangels stringenter und gut getimter Dramaturgie hier nie die immense Intensität des ersten Teils erreichen.

    Die stärksten Momente der ersten Filmhälfte sind vor allem visueller Natur, etwa die Drohnenflüge über die Gletscher und das unwirtliche Land oder die wenigen Unterwasserszenen. Das fünfköpfige Taucherteam, das als erstes überhaupt in der Antarktis bis auf 70 Meter Tiefe abgetaucht ist, hat dort unten sagenhafte Bilder voller Poesie eingefangen. Zwischen den Fischschwärmen, Oktopussen und anderen Meeresbewohnern zeigen sie die herrschaftlichen Tiere in ihrem eigentlichen Element, dem kühlen Nass. Ob bei der Jagd oder einfach tauchend in den Tiefen: Diese fast schon surrealen Szene zeugen vom eklatanten Kontrast zum harten Leben in der Eiswüste, das aber dennoch für den Artenerhalt der Tiere notwendig ist.

    So richtig auf Spur bringt Jacquet seinen Film, wenn er endlich von der Reise des jungen Pinguins erzählt. Nach ein paar letzten Momenten mit den Eltern macht sich dieser gemeinsam mit seinen gleichaltrigen Artgenossen auf den langen Weg zum Ozean. Mit jeder grauen Feder, die das kleine Tier verliert, und mit jedem Schritt Richtung Ozean reift es und lässt so peu à peu das Kindesalter hinter sich. Dieses Pinguin-Coming-Of-Age zeugt von der Neugier auf das Unbekannte und Neue und kann wunderbar als Analogie zum Erwachsenwerden des Menschen gelesen werden. Apropos Menschheit: Die wird, und das ist ein kluger Zug des Regisseurs, nur einmal ganz am Ende, aber dann umso wirkungsvoller in Bezug auf den Fortbestand der Kaiserpinguine erwähnt: „Wenn wir Menschen es zulassen, bis ans Ende der Zeit.“ Im Kontext der einfühlsamen und ausdrucksstarken Bilder braucht es keinen weiteren Kommentar zu Themen wie dem Klimawandel, um die kraftvolle Botschaft an den Zuschauer zu bringen.

    Fazit: Luc Jacquet gelingt mit „Die Reise der Pinguine 2“ erneut ein bildgewaltiges Naturepos, das wegen erzählerischer Mängel in der ersten Filmhälfte allerdings nicht die Qualität des oscarprämierten Vorgängers erreicht.

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