Die Frau, die J.K. Rowling beschützt hat
Von Antje WesselsWas haben die amerikanische Soul-Sängerin Diana Ross, Schauspieldiva Liza Minnelli und die „Harry Potter“-Schriftstellerikone Joanne K. Rowling gemeinsam? Sie alle nahmen bereits die Dienste von Jacquieline Davis in Anspruch, einer der besten Leibwächterinnen der Welt. Mehr als 25 Jahre lang war die gebürtige Britin als Bodyguard tätig und hat über ihre Zeit als weibliche Ausnahmeerscheinung in einem von Männern dominierten Beruf auch ein Buch mit dem Titel „The Circuit: The True Story Of A Policewoman's Journey From The Streets Of London Into The Dangerous World Of Covert Operations“ geschrieben. Von ihren Schilderungen waren die Regisseurin und Drehbuchautorin Vicky Jewson sowie ihr Co-Autor Rupert Whitaker so beeindruckt, dass sie in diesen die Inspiration für ihren Actionthriller „Close“ fanden.
Um die in dem Buch beschriebenen Erlebnisse eines weiblichen Bodyguards so lebensecht wie möglich zu inszenieren, traf sich Jewson auch mit Jacquieline Davis persönlich und nennt sie in Interviews eine „entscheidende Beraterin“ bei dem Filmprojekt. Dass dieses angebliche Streben nach Authentizität so herausgestellt wird, verwundert einen nach dem Schauen des Films aber schon gewaltig. Denn „Close“ geht größtenteils in eine ganz andere Richtung und ist am Ende dann doch ein eher generischer Actionthriller, aus dem ausschließlich Noomi Rapace („What Happened to Monday?“) als toughe Personenschützerin hervorsticht – das aber auch vorwiegend durch ihre eindrucksvollen Nahkampffähigkeiten und weniger durch charakterliche Tiefe.
Normalerweise kommt Sam (Noomi Rapace) in Kriegsgebieten zum Einsatz. Dort arbeitet die junge Frau als Personenschützerin und gehört in ihrem Job zu den besten der Welt. Für den nächsten Auftrag scheint sie daher regelrecht überqualifiziert: Sie soll den Bodyguard für die reiche Millionärstochter Zoe (Sophie Nélisse) spielen, die sie als verzogene Göre kennenlernt. Die Chemie zwischen den beiden Frauen ist daher zunächst alles andere als gut, doch schon kurze Zeit später sind sie gezwungen zusammenzuhalten: Als eines Abends mysteriöse Attentäter in das schwer bewachte Anwesen der superreichen Familie eindringen, müssen Sam und Zoe fliehen. Doch die Terroristen, deren Motivation zunächst im Dunkeln bleibt, haben längst die Spur der Frauen aufgenommen…
Als Sam nach einem Einsatz einmal ihre Mailbox abhört, ertönt darauf die Stimme eines kleinen Mädchens. Nach wenigen Sätzen bricht Sam die Nachricht ab – und in ihrem Gesicht spiegeln sich in diesem Moment zu gleichen Teilen Missmut und absolutes Desinteresse wider. Als Zuschauer weiß man sofort, dass das vermutlich gerade ihre Tochter gewesen sein muss und kann sich in etwa ausmalen, weshalb Sam mit ihr nicht sprechen möchte. Und genau so tritt es dann auch ein: Hinter ihrer aufopferungsvollen Arbeit für den Personenschutz mussten ihr Privatleben und damit auch die Beziehung zu ihrer Tochter zwangsläufig zurückstecken. Die wenig kreative Sequenz ist der einzige kurze Einblick hinter Sams emotionale Mauern, den Noomi Rapace mit ihrer Performance immerhin gut zur Geltung bringt.
Rapace legt Sam als ihr Umfeld stets auf Abstand haltende Frau an. Das sorgt zwar für einen schönen Kontrast zu ihren offensiven Kampfsequenzen (wenn sie für ihre Klienten wieder einmal ihr Leben riskiert), sorgt aber auch dafür, dass „Close“ hinter der Oberfläche eines Standard-Actionreißers jegliche Tiefe fehlt. Eine intensive (Charakter-)Studie darüber, was ein solch hochgefährlicher Job auch innerlich mit Jemandem anstellt, wird verpasst – und dabei hätte man ja gerade hierfür durchaus auf den Erfahrungsschatz von Jacquieline Davis zurückgreifen können.
Strukturell erinnert „Close“ ohnehin eher an Filme wie „Killer’s Bodyguard“, „16 Blocks“ oder „Mile 22“: Auf der Flucht vor Bösewichtern muss eine Person eine andere beschützen – nur sind diese Personen diesmal eben beide weiblich. In regelmäßigen Abständen treffen sie auf ihre Verfolger, immer wieder kommt es zu körperlich ausgetragenen und ordentlich krachenden Fights, die längst nicht alle Beteiligten überleben. Auf dieser Ebene besitzt das Skript eine angenehme Konsequenz und Unberechenbarkeit: Bis zum Schluss ist völlig offen, ob die beiden Protagonistinnen wirklich davor gefeit sind, auch selbst den Löffel abzugeben. Schließlich gehen zwischendurch immer wieder Personen drauf, von denen man das nicht unbedingt erwartet hätte.
Aus dieser Unvorhersehbarkeit (zu der auch die durchaus überraschende Auflösung rund um die Beweggründe der Schurken gehört) entwickelt „Close“ die größte Spannung. Auch die sehr dynamisch von Kameramann Malte Rosenfeld (fotografierte schon Vicky Jewsons „Born Of War“) eingefangenen Kampfsequenzen überzeugen und lassen den Film durch einige sehr blutige und explizite Einstellungen deutlich härter erscheinen als den durchschnittlichen Kino-Actionblockbuster mit Jugendfreigabe. Schade nur, dass der potentiell viel spannendere emotionale Part dagegen so stark abfällt.
Fazit: „Close“ ist ein routiniert inszenierter Actionthriller, der mit Härte und einem unberechenbaren Skript überzeugen kann, aber dafür an anderer Stelle reichlich Potential verschenkt.