Oda Jaune ist bekannt als Witwe und ehemalige Meisterschülerin des 2007 verstorbenen deutschen Künstlers Jörg Immendorff. Von diesem hat die gebürtige Bulgarin auch ihren jetzigen Künstlernamen erhalten, der sich aus dem altdeutschen Oda für „Schatz“ und dem französischen jaune für „Gelb“ zusammensetzt - das war die Lieblingsfarbe Immendorffs. Doch Oda Jaune ist alles andere als eine Schöpfung des berühmten Kollegen und Partners, die als Michaela Danowska geborene Malerin hatte ihren Ehemann selbst um den neuen Namen gebeten, da sie weder so wie er noch wie ihr Vater (ebenfalls ein Künstler) und ihre Schwester (eine Grafikerin) heißen wollte. Sie ist eine beeindruckende Künstlerin in ihrem eigenen Recht, das veranschaulicht Regisseurin Kamilla Pfeffer in ihrer einfühlsamen Dokumentation „Wer ist Oda Jaune?“ sehr schön – und zwar indem sie die titelgebende Frage gerade nicht eindeutig beantwortet und der Mensch hinter dem Namen ein Rätsel bleiben darf. Die Filmemacherin nähert sich ihrer Protagonistin ganz behutsam und fernab von allem chronikhaft Biografischem entsteht ein reizvoll unfertiges Porträt voller Widersprüche, Andeutungen und Ahnungen.
Die heute in Paris lebende Oda Jaune malt großformatige surreale Bilder, die äußerst beunruhigend sind und zugleich eine bizarre Schönheit ausstrahlen. Ohne Modell und frei von jeder Vorlage erschafft die Künstlerin aus ihrer Fantasie heraus extrem originelle Werke, bei denen sie selbst erst im Laufe des Malprozesses herausfindet, in welche Richtung sie sich entwickeln werden. Ist der weit aufgerissene Mund einer Frau ein Schrei der Verzweiflung oder eher ein müdes Gähnen? Oda Jaune weiß darauf (noch) keine Antwort. Überhaupt fällt es schwer, die sehr leise und zurückhaltende Künstlerin mit ihren oftmals lauten und sexuell expliziten Werken in Verbindung zu bringen. Vor der Kamera zeigt sich Jaune äußerst bescheiden und doch sehr selbstbewusst, schüchtern und doch innerlich extrem unabhängig von der Meinung anderer. Dabei macht die junge Malerin es der fast gleichaltrigen Regisseurin nicht leicht - bereits durch die reine Anwesenheit des kleinen Filmteams in ihrem Pariser Atelier fühlt sie sich bei der Arbeit gestört - und doch lässt sie den Dreh zu. Diese Rätselhaftigkeit erfasst Kamilla Pfeffer als bestimmenden Wesenszug der Porträtierten und ihres Werks, was auch der mit Oda Jaune befreundete Jonathan Meese bestätigt, der seine Künstlerkollegin als extrem hermetische, ganz für sich stehende Persönlichkeit beschreibt. Die wiederum mit bezauberndem Lächeln preisgibt, dass sie sich fühlt wie eine Zehnjährige - das sei das beste Alter.
Fazit: Eine zartfühlende filmische Annäherung an eine sensible, zurückhaltende und faszinierende Künstlerin.