In seinem feinfühligen Drama „Unsere kleine Schwester“ erzählte der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda („Like Father, Like Son“) 2015 von vier Schwestern nach dem Tod ihres Vaters, ein Jahr später widmet er sich nun einer weiteren Familiengeschichte, diesmal mit einer männlichen Hauptfigur. Einmal mehr erweist sich der Japaner dabei als genauer Beobachter, der so unspektakulär erzählt, dass seine Filme manchmal die Beliebigkeit zu streifen scheinen. Doch gerade die Beiläufigkeit, mit der er die Dinge in den Blick nimmt, lässt umso deutlicher die Feinheiten unter der Oberfläche erkennen, das unterschwellige Scheitern, die verborgenen Gefühle und die schleichende Entfremdung. Und so ist auch „After The Storm“, Koreedas Fabel von den schwierigen Beziehungen zwischen Söhnen und Vätern, ein eher stilles und undramatisches, zugleich aber klarsichtiges und gefühlvolles Drama.
Der gut 40-jährige Ryota (Hiroshi Abe) ist nach japanischen Maßstäben ein Versager: Seine Karriere als Romanautor ist nach einem Buch versandet, sodass er sich als Privatdetektiv verdingen muss, und seine Ehe mit Kyoko (Yoko Maki) ist gescheitert. Den gemeinsamen Sohn Shingo (Taiyo Yoshizawa) sieht er nur einmal im Monat und auch dies steht auf der Kippe, denn Ryota kann kaum seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen. Auch das Verhältnis zu seiner greisen Mutter Yoshiko (Kilin Kiki) ist eher kühl, doch nach dem Tod des Vaters macht er sich zunehmend Sorgen um sie. Als ein Sturm sämtliche Beteiligte zum Übernachten bei Yoshiko zwingt, spitzt sich die Situation zu.
Streng genommen ist es übertrieben, hier (oder bei einem anderen Film des Regisseurs) von Zuspitzung zu sprechen. Und auch der titelgebende Sturm, der andere Filmemacher dazu verleiten würde, ein „reinigendes Gewitter“ in Szene zu setzen, fällt bei dem subtilen Erzähler Koreeda überaus zurückhaltend aus: Es gibt keine klärenden Gespräche und keine emotionalen Streitigkeiten mit anschließender großer Versöhnung. Drama ist für Koreeda ein Fremdwort, dennoch sind seine Filme enorm reich an Emotionen und Wahrheiten. Sie stecken in den Details, in den kleinen Gesten und Beobachtungen, die den langsamen und nie extremen Wandel der Figuren andeuten. Dazu passt die reduzierte Inszenierung, die einfache, klare Bildsprache mit den bevorzugt ruhigen und statischen Einstellungen und die klare Fokussierung auf Schauspieler und Dialoge.
Ähnlich wie sein berühmter Landsmann Yasujiro Ozu („Die Reise nach Tokio“) dreht auch Hirokazu Koreeda im Grunde genommen sehr oft Variationen desselben Films. Diese gleichen sich nicht nur inhaltlich stark, sondern sind auch meist in vergleichbaren sozialen Schichten angesiedelt. Und auch die Besetzungen ähneln sich zuweilen, so hat der beeindruckende „After The Storm“-Hauptdarsteller Hiroshi Abe bereits in „I Wish“ mitgespielt und eine zentrale Rolle in „Still Walking“ übernommen – ebenfalls ein Familienporträt über die feinen Risse zwischen den Generationen. Der sanfte Wandel, von dem Koreeda in allen diesen Geschichten mit seismografischer Präzision erzählt, durchzieht damit gleichsam auch seine Filmografie als Ganzes. Und „After The Storm“ ist im doppelten Sinne ein markantes Beispiel für diese bemerkenswerte und nachhaltige Wahrhaftigkeit.
Fazit: In seinem beeindruckenden neuen Film „After the Storm“ erzählt der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda auf seine typische unterschwellig-subtile Weise von Familienbeziehungen und –problemen.