Der als Burnout-Syndrom beschriebene Erschöpfungszustand gilt zwar laut medizinischer Definition nicht als eigene Krankheit, aber er ist in den Zeiten von zunehmendem Leistungsdruck und Dauerstress nichtsdestotrotz ein Massenphänomen und zugleich auch fast so etwas wie eine Modeerscheinung. Genau diese Doppeldeutigkeit und damit unser Verhältnis zur Arbeit nehmen Regisseur André Erkau und Drehbuchautor Gernot Gricksch, die hier nach „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ erneut zusammenarbeiten, in ihrer Tragikomödie „Happy Burnout“ aufs Korn. Wotan Wilke Möhring („Winnetou – Eine neue Welt“) spielt einen Freigeist und Sozialschmarotzer, der als vermeintliches Burnout-Opfer in einer psychotherapeutischen Anstalt auf allerlei arbeitsgeschädigte Mit-Patienten trifft, und überzeugt als ehemaliger Punk insbesondere in der Pose des Arbeitsverweigerers. Erkau bleibt bei der Umsetzung seines reizvollen und thematisch reichhaltigen Szenarios allerdings immer wieder in Klischees stecken.
Der Alt-Punk Fussel (Wotan Wilke Möhring) pfeift auf das System und auf jede Form der Lohnarbeit. Um weiter sorglos in den Tag leben zu können, bezirzt er Frau Linde (Victoria Trauttmansdorff) vom Arbeitsamt, die ihm bereitwillig Jobangebote vom Hals hält. Als Fussel dennoch auf den Radar der Behörden gerät, besorgt ihm Frau Linde ein Attest, das ihm Arbeitsunfähigkeit wegen Burnout bescheinigt. Der Freifahrtschein geht allerdings mit einer stationären Therapie einher. In der luxuriösen Anstalt trifft Fussel den suizidalen Unternehmer Günther (Michael Wittenborn), den aufbrausenden Kinderunterhalter Datty (Kostja Ullmann), die überanstrengte Familienfrau Merle (Julia Koschitz) und den arbeitssüchtigen Geschäftsmann Anatol (Torben Liebrecht). Klar, dass der mit einem „Burnout für Dummies“-Ratgeber gewappnete Simulant den Klinikalltag und die Routine der Psychologin Alexandra (Anke Engelke) umkrempelt. Aber angesichts des echten Leids der Mitpatienten hinterfragt Fussel, der seine bei der Oma lebende Tochter vermisst, schließlich auch seinen eigenen Lebenswandel.
Schon die erste Einstellung des Films ist eine Simulation: Wir wähnen uns in einem Wald, doch dann enthüllt eine Rückfahrt der Kamera die Natur als Tapete, vor der Fussel in einem Zelt mitten in seiner Wohnung kampiert. In den ersten Minuten bringt André Erkau das ungeregelte Leben des Langzeitarbeitslosen, der sich mit Charme, Findigkeit und Unverfrorenheit im sozialen Brennpunkt durchwuselt, prägnant auf den Punkt. Um sich an die attraktive Nelly (Marleen Lohse) heranzupirschen, entführt er kurzerhand einen Hund und behauptet hinterher, das Tier sei ihm zugelaufen. Auch bei Frau Linde vom Jobcenter, der er eine rührende Geschichte auftischt, dass er sich für einen Flüchtlingsjungen aufopfert, hat seine Masche Erfolg. Als sie erfährt, dass ihr Klient gelogen hat, ist sie tief gekränkt – und landet ironischerweise selbst in der Klinik.
Verantwortung ist nicht Fussels Sache und so tut es kaum Wunder, dass er einige Geburtstage seiner Tochter vergessen und zu viele Treffen verpennt hat. Die von der Therapeutin Alexandra beiläufig gestellte Frage, was er machen wolle, wenn er endlich erwachsen sei, bringt den Alt-Punk ins Grübeln. Anfangs trägt er noch ein Shirt mit dem Slogan „I won't change“, aber natürlich ändert er sich, alleine schon um die Beziehung zu seinem Kind zu kitten. Mit diesem vorprogrammierten Ernst verliert der Film allerdings auch seine anfängliche Lockerheit allmählich und gerät immer mehr in vorhersehbare Bahnen, da der Reifeprozess sehr schematisch verläuft. So bleibt etwa der Flirt zwischen Fussel und Alexandra arg substanzlos: Beide mögen dieselbe Musik, beide dippen mit dem Finger ins Nutella-Glass – das muss Liebe sein.
Eine krasse Szene, in der sich eine Patientin einen Stift ins Ohr rammt, ist in „Happy Burnout“ eine absolute Ausnahme. Die Möglichkeiten einer differenzierten Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen und unseres Umgangs mit ihnen werden weitgehend verschenkt, da die Patientenfiguren, deren Leiden in knappen Rückblenden offengelegt werden, reine Abziehbilder bleiben: der Lebensmüde, der Cholerische, die Überanstrengte, der Workaholic… Auch die bekannten Darsteller Kostja Ullmann („Groupies bleiben nicht zum Frühstück“), Victoria Trauttmansdorff („Gegenüber“) und Anke Engelke („Frau Müller muss weg“) können diese Oberflächlichkeit nur bedingt überspielen, denn einzig der schweigsame Sonnenstudio-Betreiber Günther bekommt ein etwas individuelleres Profil. Mit seiner geknickten Erscheinung und grotesk geschminkten Verbrennungen im Gesicht weckt Michael Wittenborn („Toni Erdmann“) Neugier auf das Schicksal der Figur. Und auch wenn am Ende wieder ein Klischee steht, kommt das Fünkchen Wahrheit darin hier immerhin zu seinem Recht. Letztlich ist „Happy Burnout“ trotz des doppeldeutigen Titels ein Wohlfühl-Film mit seinen Hochglanzbildern, der soften Punkmusik und den durch Zeitlupen verstärkten emotionalen Momenten ein Wohlfühlfilm, der immerhin ein paar bedenkenswerte Fragen aufwirft.
Fazit: In der kurzweilig-trivialen Tragikomödie täuscht ein von Wotan Wilke Möhring gespielter Alt-Punk einen Burnout vor – und hinterfragt im Verlauf der stationären Therapie sein Leben.