J.Lo is Back! Aber sowas von!
Von Carsten BaumgardtDie Zeiten, in denen Jennifer „J.Lo“ Lopez als Superstar im Film- und Musikgeschäft galt, schienen schon seit längerem endgültig vorüber. Ihr bis dato letzter Kinohit „Das Schwiegermonster“ datiert immerhin aus dem Jahr 2005. Umso erstaunlicher ist nun die filmische Wiederauferstehung der mittlerweile 50-jährigen New Yorkerin in Lorene Scafarias emotionalem, auf wahren Begebenheiten beruhendem Stripper-Heist-Drama „Hustlers“, in dem Lopez zwar nur die zweitgrößte Rolle verkörpert, aber Hauptdarstellerin Constance Wu mit einer fulminanten Performance dennoch an die Wand spielt.
In ihrer Karrierebestleistung, die an vergangene Highlights wie „Selena“ (1997) und „Out Of Sight“ (1998) erinnert, bringt sich Lopez aus dem Nichts als heiße Kandidatin für die anstehende Award-Season in Position. Ebenso überraschend wie das Rampenlicht-Comeback von Lopez, die zwar nie wirklich weg vom Fenster war, aber eben kleinere Brötchen backen musste, ist der große Erfolg des mit 20 Millionen Dollar bescheiden budgetierten Films selbst – zumindest Nordamerika, wo er mehr als 100 Millionen Dollar einspielte. „Hustlers“ erzählt die Lebensgeschichte der Stripperin Destiny, die mit ihren Kolleginnen reiche Wall-Street-Banker und Geschäftsleute abzockt. Regisseurin Scafarias inszeniert das als einen hochglänzend-extravaganten Rausch nach dem Kater der Bankenkrise, der auch die New Yorker Stripper-Branche hart getroffen hat.
Schrill: Constance Wu (links) und Jennifer Lopez in "Hustlers"
2007: Die junge Dorothy (Constance Wu) kämpft in New York ums finanzielle Überleben. Sie wohnt mit ihrer Großmutter (Wai Ching Ho) in einem kleinen Apartment und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Stripperin Destiny in einem Nachtclub. Der Erfolg bleibt zunächst aus, weil sie im Heer der erfahrenen Tänzerinnen an der Stange kaum wahrgenommen wird. Das ändert sich, als sie sich an die Fersen der Chef-Stripperin Ramona (Jennifer Lopez) heftet und von ihr lernt, wie man den Gästen die Scheine aus der Tasche zieht.
Doch die Finanzkrise 2008 stürzt auch das Stripper-Business in eine tiefe Depression. Aber Destiny, Ramona und ihre Freundinnen Mercedes (Keke Palmer) und Annabelle (Lili Reinhart) wollen sich damit nicht abfinden. Sie hecken eine kriminelle Masche aus, um wohlhabende Kunden auszunehmen: Sie setzen sie unter Drogen, sodass sie selig benebelt sind und sich später an nichts mehr erinnern können, während de Stripperinnen die Kreditkartenkonten der Männer plündern. Doch irgendwann gerät ihr Geschäft außer Kontrolle…
„Hustlers“ basiert auf dem preisgekrönten New-York-Magazine-Artikel „The Hustlers At Scores“ von Jessica Pressler aus dem Jahr 2015. Den Rahmen des zwischendrin auch immer wieder erstaunlich humorvollen Dramas bildet ein Interview, das die Journalistin Elizabeth (Julia Stiles) 2014 mit der ehemaligen Stripperin Destiny führt. Ihre Erzählung führt zurück ins Jahr 2007, wo der Film seinen Anfang nimmt. Durch diese Rückblick-Erzähler-Struktur liegt der ungefähre Ausgang der Geschichte zwar von Beginn an auf dem Tisch und doch hat sich Lorene Scafaria („Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“) einen cleveren Trick überlegt, um ihr auf den ersten Blick konventionelles Konstrukt zu würzen.
Damit landet sie gerade im Finale einen emotionalen Volltreffer: Denn auch wenn Destiny keine klassische „unzuverlässige Erzählerin“ ist, also den Zuschauer nicht bewusst anlügt, so deutet sie bei ihrer Erzählung doch einige Fakten falsch, was eine Reihe der Geschehnisse nachträglich in ein komplett neues Licht rückt. Das ist fast wie bei einem Twist, nur viel beiläufiger. Ein ganz starkes Finish!
Kriminelles Quartett in "Hustlers": Lili Reinhart, Jennifer Lopez, Keke Palmer und Constance Wu (von links)
Aber es geht nicht nur um Destinys Schicksal, ein zentraler Teil des Films ist immer auch die Beziehung zu ihrer Mentorin, besten Freundin und Rivalin Ramona. Sie ist die Verruchte, mit allen Wassern Gewaschene, was schon der Einstieg impliziert, wenn die grazile Veteranen-Stripperin wie eine Supernova erscheint und zu Fiona Apples 90er Hymne „Criminal“ zur Textteile „I’ve been a bad, bad girl“ auf die Bühne steigt. Jennifer Lopez dominiert „Hustlers“ mit ihrer mitreißenden Vorstellung. Sie strahlt zwar etwas Mütterliches für ihre wesentlich jüngeren Mitstreiterinnen aus, zieht aber auch wie ein Magnet die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Sie ist immer der Mittelpunkt, egal wo. Die Männer begehren sie, die Frauen bewundern sie. Doch am Ende verfolgt Ramona immer ihre eigene Agenda, was Destiny im Interview mit der Journalistin Elizabeth bitter bemängelt.
Dieser Konflikt treibt „Hustlers“ emotional an, weil man erfahren will, an welcher Stelle sich die ehemals besten Freundinnen wohl entfremden. Und warum? Constance Wu („Crazy Rich“) verblasst zwar neben der überragenden Leistung von Jennifer Lopez merklich, liefert aber eine solide und keineswegs schlechte Vorstellung ab. Sie funktioniert sehr wohl als Hauptfigur, die interessantere Person ist dennoch die ambivalente, pragmatische Alphafrau Ramona, die sich ihren Platz im Leben hart erkämpft.
Dabei stehen beide Frauen nicht nur für sich ein, sondern versorgen auch ihre Töchter, was zusätzlichen Druck erzeugt. Zu ihrer Hochzeit verdienen sie pro Jahr „mehr Geld als ein Hirnchirurg“. Denn letztendlich können sie der Versuchung, das leichte Geld zu machen, nicht widerstehen. „Ein Stück vom Kuchen nehmen“, heißt es einmal im Film. Das wollen die Frauen, die das komplette männliche Figurenkabinett wie arme Würstchen aussehen lassen. Das Mitleid mit den Gehörnten CEOs und Top-Managern, die zumeist ihre Frauen betrügen, hält sich in Grenzen. Arrogante, geifernde Typen, die mit Geld um sich werfen und sich überlegen fühlen, was Regisseurin Scafaria aber ins Gegenteil umkehrt, indem sie die Raubzüge der Stripperin – von viel Empathie flankiert – als rauschhafte, durch Zeitlupen aufgepumpte Hochglanz-Exzesse in Szene setzt.
Aufgeheizt von einem energetischen R&B-Soundtrack mit Stücken von Britney Spears, Bob Seger und Janet Jackson erinnert „Hustlers“ in seinen besten Momenten an eine Stripperinnen-Version von „GoodFellas“, selbst wenn der Film am Ende nicht ganz mit der Virtuosität von Martin Scorseses Crime-Meisterwerk mithalten kann. (Deshalb überrascht es auch nicht, dass der Stoff ursprünglich sogar Scorsese selbst als Regiearbeit angeboten wurde.) Scafaria interessiert sich allerdings kaum für die durchaus hinterfragungswürdige Moral der Story, dafür ist ihr Film aber entwaffnend effektiv. So wird aus dem Drama manchmal sogar eine regelrechte Feelgood-Tragikomödie, wenn das Publikum seinen Spaß daran hat, wenn die arroganten Bonzen vorgeführt werden.
Fazit: „Hustlers“ ist ein unterhaltsames, energiegeladenes Charakterporträt starker Frauen, die sich im harten Pflaster New Yorks mit Finesse und Gewalt ihren Platz erkämpfen – und ein Paukenschlag-Comeback für Jennifer Lopez!