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    Ghost Stories
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Ghost Stories
    Von Christoph Petersen

    Als „Ghost Stories“ am 4. Februar 2010 seine Premiere am Liverpool Playhouse feierte, war das Bühnenstück von Sitcom-Autor Jeremy Dyson und Magier-Show-TV-Produzent Andy Newman eine echte Sensation – und der Erfolg ließ auch nicht nach, als die Produktion einige Zeit später nach London umzog (und anschließend noch eine Australien-Tour unternahm). Das Besondere an der Inszenierung: Angelehnt an klassische britische Anthologie-Horrorfilme wie „Geschichten aus der Gruft“ oder „Die Todeskarten des Dr. Schreck“ brachten die Macher mit viel technischer Finesse die vor allem aus dem Kino bekannten Jump Scares (= Schreckmomente, bei denen etwas plötzlich auftaucht, oft unterstützt durch einen lauten Soundeffekt) auf die Theaterbühne – ein Stück, bei dem der Schrecken dem Zuschauer also tatsächlich in Mark und Bein fuhr. Nun hat das Regie- und Autoren-Duo seinen Bühnenerfolg fürs Kino verfilmt – und die Jump Scares damit wieder dorthin zurückgetragen, woher sie eh schon jeder kennt. Das Ergebnis: Während das Theaterstück wirklich etwas Außergewöhnliches war, wirkt derselbe Stoff als Kinofilm auf einmal sehr viel gewöhnlicher. Mitunter ganz gewaltig zusammenzucken werden nicht völlig abgebrühte Zuschauer bei den Grusel-Episoden in „Ghost Stories“ aber trotzdem.

    Professor Goodman (Regisseur und Autor Andy Nyman selbst) hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, paranormale Erscheinungen als das zu entlarven, was sie wirklich sind: nämlich als bloßen Humbug. Sein großes Vorbild ist dabei ein TV-Moderator aus den 1970ern, der in seinen Sendungen damals schon den Betrug hinter angeblich übernatürlichen Geschehnissen aufgedeckt hat, dann aber plötzlich selbst von der Bildfläche verschwunden ist. Nun taucht genau dieser Moderator wieder auf – und übergibt Goodman drei Akten von Fällen, die er selbst für wahrhaft paranormale Erfahrungen hält. Goodman macht sich also auf den Weg, um sich die drei Geschichten persönlich von den Betroffenen erzählen zu lassen: Er trifft auf den Wachmann Tony (Paul Whitehouse), der die fürchterlichste Nachtschicht aller Zeiten durchlebt hat; den Teenager Simon (Shootingstar Alex Lawther aus „The End Of The F***ing World“), der nach einer Autopanne im Wald von einem fantastischen Wesen bedroht wurde; und auf den Banker Mike Priddle (Martin Freeman), der in seiner abgelegenen Villa eine Begegnung mit einem Poltergeist durchstehen musste…

    Die größte Stärke von „Ghost Stories“ ist mit Sicherheit seine Verdichtung – die Szenarien der drei Episoden, die sich alle in gewisser Weise mit den Themen Schuld und schlechtes Gewissen auseinandersetzen, sind an Simplizität kaum zu übertreffen (eine Nacht in einer verlassenen Industrieanlage, eine Nacht in einem verlassenen Waldstück, eine Nacht in einem verlassenen Anwesen) und in ihren besten Momenten gerade deshalb so effektiv. Da gibt es nichts, was man nicht schon x-Mal gesehen hätte, aber das Timing stimmt und so kriegen einen die Macher doch immer wieder, ganz egal, ob man schon ahnt, was gleich passieren wird. Dazu kommt eine gesunde Portion schwarzer Humor – vor allem in der Episode mit Martin Freeman („Der Hobbit“, „Black Panther“) als arroganter Aristokrat, der sein ihn ausfragendes Gegenüber mit einer solch trockenen Selbstverständlichkeit runterputzt, wie sie nun mal nur arrogante Aristokraten draufhaben. Da schleicht sich allem Schrecken zum Trotz dann doch auch eine gewisse diebische Freude ein, wenn der Schnösel kurz darauf im Zimmer seines noch ungeborenen Kindes von einem Poltergeist mit Babysachen attackiert wird.

    Zusammengehalten werden die Episoden von der Rahmenhandlung um den zunehmend an seiner Rationalität und seinem Skeptizismus zweifelnden Goodman, die in diesem Genre selbstverständlich auf eine ganze Reihe von Twists zusteuert, die uns aber nur zu einem Drittel wirklich überzeugen konnten: Bei einer der Wendungen haben wir erst im Nachhinein erfahren, dass das eigentlich als Überraschung gemeint war; eine andere erschien uns als zu aufgesetzt moralisch. Aber dafür ist der finale Twist tatsächlich sehr schön stimmig. Weil wir jetzt noch ein wenig auf die zwei Wendungen eingehen wollen, die für uns nicht funktioniert haben, gibt es von hier an bis zum Fazit Spoiler-Alarm.

    ACHTUNG SPOILER

    Schon beim ersten Auftritt von Goodmans TV-Idol haben wir sofort erkannt, dass da natürlich Martin Freeman unter der dicken Maske steckt – und wenn er sich diese dann schließlich mit großer Geste herunterreißt, konnten wir nur noch mit den Schultern zucken. Klar ist es schön, einen Superstar wie Martin Freeman in seinem Film zu haben und als Mike Priddle ist er auch tatsächlich super, aber an dieser Stelle wäre ein weniger bekannter Schauspieler, den man eben nicht sofort erkennt, egal wie viel Silikon er sich ins Gesicht klebt, womöglich doch effektiver gewesen. Die Offenbarung von Goodmans schrecklicher (Nicht-)Tat in seiner Jugend passt zwar thematisch sehr gut zu den einzelnen Episoden, wirkt aber gerade nach der schwarzhumorigen Priddle-Episode unpassend bierernst – ganz im Gegensatz zur verspielt pfiffigen Schlusspointe, die sicher auch nicht ganz taufrisch ist, aber trotzdem volle Kanne zündet.

    ENDE SPOILER

    Fazit: Was auf der Theaterbühne noch herausragend gut funktioniert hat, ist auf der Kinoleinwand lediglich solider Gruseldurchschnitt.

    Wir haben „Ghost Stories“ auf den Fantasy Filmfest White Nights 2018 gesehen.

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