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    Shelley
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Shelley
    Von Andreas Staben

    Der aus dem Iran stammende und inzwischen in Skandinavien lebende Regisseur Ali Abbasi hat nach eigenem Bekunden selbst nicht allzu viele Horrorfilme gesehen in seinem bisherigen Leben. Und tatsächlich fühlt sich sein Langfilmdebüt „Shelley“ an wie eine Genrefingerübung, der die übergreifende Vision und der erzählerische Zusammenhalt fehlen. So wie schon der Titel des Schwangerschaftshorrors – eine Anspielung auf die „Frankenstein“-Autorin Mary Shelley – steckt der ganze Film voller mehr oder weniger ins Leere laufender Verweise, unausgearbeiteter Motive und nicht weiter verfolgter Handlungsstränge – bis zum arg willkürlich wirkenden Zickzackkurs auf der Zielgeraden. Auf der Habenseite bleiben die beiden guten Hauptdarstellerinnen, die teils sehr beklemmende Atmosphäre und der zwar schon oft, aber auch immer wieder gern gesehene Schauplatz: ein Haus mitten in der Natur.

    Die junge Rumänin Elena (Cosmina Stratan) möchte für ihren fünfjährigen Sohn und sich eine Wohnung kaufen. Um sich diesen Traum erfüllen zu können, lässt sie das Kind in der Heimat zurück,  um in Dänemark Geld zu verdienen, wo sie von Louise (Ellen Dorrit Petersen) und Kasper (Peter Christoffersen) als Haushaltshilfe engagiert wird. Sie wundert sich zunächst, dass es in dem isoliert in der Natur gelegenen Haus des Paars keinen Stromanschluss gibt, aber sie passt sich an. Schließlich macht ihr Louise einen ungewöhnlichen Vorschlag: Da die gesundheitlich angeschlagene Dänin selbst keine Kinder bekommen kann, will sie Elena gegen ein üppiges Entgelt als Leihmutter engagieren. Die Gastarbeiterin willigt ein…

    „Shelley“ beginnt durchaus vielversprechend mit sehr atmosphärischen Naturbildern (gedreht wurde in Schweden). Der Wald und der See um das isolierte Haus haben zugleich etwas Romantisches und etwas Schauriges an sich. Doch auf diese ambivalente Grundstimmung verlässt sich der Filmemacher nicht lange, sondern lässt es albald kräftig auf der Tonspur rumoren: Ominöse Musik und ein aufdringliches elektronisch verstärktes Sounddesign künden von nahem Unheil. Dieser intensive Klangteppich wird von nun an zur dauernden Einrichtung, was nicht nur zunehmend irritiert, sondern auch immer nichtssagender wird. Damit steht der Umgang mit dem Ton stellvertretend für die gesamte Inszenierung: Abbasi erzielt durchaus beachtliche Wirkungen, findet unheimliche Bilder und beunruhigende Schnittfolgen, aber ihr erzählerischer Zweck ist oft schwer zu erkennen. Wenn beispielsweise mitten im Film das Bildformat von 16:9 auf Scope gewechselt wird, dann akzentuiert das einen sowieso hervorgehobenen Moment bloß zusätzlich, ohne ihm etwas hinzuzufügen.

    Der ohne laute Knalleffekte auskommende, aber ziellos wirkende Film zerfällt in Einzelszenen. Die sind vereinzelt sehr intensiv, vor allem das von Cannes-Preisträgerin Cosmina Stratan („Jenseits der Hügel“) eindringlich gespielte Schwangerschaftsmartyrium geht an die Nieren. Aber viele Einzelheiten bleiben Fremdkörper (wie der waldschrathafte Heiler Leo) und die zunächst durchaus beunruhigenden Fragen nach mütterlichen Urängsten, kindlicher Grausamkeit oder von Zwangsvorstellungen bestimmter Wahrnehmung bekommen nur selten eine emotionale Dringlichkeit und werden nur angerissen. Sie stehen am Ende stellvertretend für die vielen verpassten Gelegenheiten in einer niemals fokussierten Erzählung, was die nahen und fernen Echos von Roman Polanski („Rosemaries Baby“) bis zu Lars von Trier („Geister“) noch unterstreichen.     

    Fazit: Atmosphärische Stärken und gute Darstellerinnen können nicht über die deutlichen Defizite der unterentwickelten und ziellosen Handlung hinwegtäuschen.

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