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    Der Vollposten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Vollposten
    Von Ulf Lepelmeier

    Der Vollposten“ steckt voller Italienklischees und präsentiert einen schmierigen Macho als Protagonisten – doch nichtsdestotrotz (und ein wenig auch gerade deswegen) ist die im tiefen Dschungel Afrikas beginnende Beamten-Komödie eine extrem spaßige Angelegenheit. Regisseur Gennaro Nunziante katapultiert Themen wie Arbeitsplatzgarantie, Stempelwut und Bürokratievernarrtheit in völlig neue komische Sphären und hält dem berüchtigten italienischen Staatsapparat genauso wie den überkommenen Rollenvorstellungen im Land auf humorvolle Weise einen Spiegel vor. So avancierte „Der Vollposten“ zum erfolgreichsten einheimischen Film aller Zeiten in Italien – mehr als zehn Millionen Kinozuschauer zwischen Mailand und Palermo wollten sehen, wie Starkomiker Checco Zalone als Muttersöhnchen und Möchtegernmacho auftrumpft.

    Seit Kindheitstagen steht für Checco Zalone (Checco Zalone, deutsche Stimme: Bastian Pastewka) fest, dass er wie sein Vater Provinzbeamter werden will. Schließlich haben die italienischen Staatsdiener ein relaxtes Leben mit sicherem Einkommen, profitieren von netten (Bestechungs-) Geschenken und können sich vor Frauen nicht retten. Doch als eine große Verwaltungsreform ansteht, versucht die Karrieristin Dottoressa Sironi (Sonia Bergamasco) mit allen Mitteln Zalone loszuwerden. Sie versetzt ihn in die entlegensten Winkel des Landes und schließlich sogar in die afrikanische Savanne, um ihn zu zermürben. Doch der will seinen Beamtenstatus um keinen Preis einbüßen und arrangiert sich mit den Gegebenheiten. Als Sironi ihn an den Nordpol schickt, wo er Wissenschaftler bei einer Eisbärenexpedition schützen soll, verliebt sich Zalone in die Umweltschützerin Valeria (Eleonora Giovanardi) ...

    Auch wenn die Handlung nur ein dürftig zusammengezimmerter Vorwand ist, um den heimatverliebten, arbeitsscheuen Provinzbeamten in berufliche Abenteuer hinaus in die Welt schicken zu können, bereitet die nicht abreißende Kette komischer Situationen und der gelungene humorvolle Umgang mit allerlei Italienklischees durchgängig viel Vergnügen. So ist das pointierte Porträt des Landes als Pascha-Paradies nicht nur lustig, sondern lässt auch ahnen, wie die bürokratischen Zustände über Jahrzehnte andauern konnten (und dabei auch Karrieren wie jene von Silvio Berlusconi beförderten). Hier gehen Egoismus und Korruption Hand in Hand, die Kombination gehört gleichsam zur italienischen Folklore. Und der Protagonist von „Der Vollposten“ ist die dazugehörige Figur: Der Künstler- und Rollenname Checco Zalone ist nicht zufällig an den Ausspruch ‚Che cozzalone’ angelehnt, was in der Gegend um Bari so viel heißt wie „Was für ein Proll!“

    Der Beamte Checco Zalone ist vor allem ein bequemer Drückeberger, aber auch ein einfallsreicher Trickser, wenn es darum geht, den Status quo zu sichern. Als er zu seiner Überraschung feststellt, dass für ihn keine der zahlreichen maßgeschneiderten Ausnahmeregelungen von den Personalkürzungen gilt (eine köstliche Szene, wenn ein erleichterter Staatsdiener nach dem anderen den Saal verlässt, bis nur noch Zalone übrigbleibt), will er sich eben an die Ausnahmen anpassen: Für den Traumjob jedes passionierten Müßiggängers ist er sogar bereit zu heiraten. Er macht seiner Freundin in einem teuren Restaurant den Antrag, doch dann erfährt er von seinem Tischnachbarn, dass er die Auflagen nicht rückwirkend erfüllen könne. Natürlich nimmt Zalone sofort den Antrag samt Ring zurück…

    Hauptdarsteller und Co-Drehbuchautor Checco Zalone, der hier bereits zum vierten Mal mit Regisseur Gennaro Nunziante zusammenarbeitet, sorgt mit seinem verspielten und menschlichen, aber nie allzu vulgären oder schrillen Humor dafür, dass der egozentrische Staatsbedienstete mit Mutterkomplex trotz aller asozialen Anwandlungen auch eine schräg-sympathische Seite besitzt. Die zeigt sich vor allem, als er Valeria kennenlernt und für sie sein gesamtes Weltbild umzukrempeln versucht. Plötzlich wird der Schmalspurmacho mit Political Correctness konfrontiert und dabei wird dem Kleingeist eine gewisse Lernfähigkeit zugestanden. Er beginnt zu ahnen, dass sein Weltbild nicht mehr zeitgemäß ist und sein Vollposten-Dasein genauso vom Aussterben bedroht ist wie die gefährdeten Tierarten, die Valeria zu schützen versucht. In Norwegen hilft er schließlich sogar im Haushalt und wartet im Straßenverkehr brav statt zu hupen - was wiederum seine zu Besuch kommenden Eltern schockiert, die ihn gleich wieder mit zurück nach Italien nehmen wollen...

    Fazit: Regisseur Gennaro Nunziante und Hauptdarsteller Checco Zalone  nehmen in  ihrer überspitzten Beamtenkomödie „Der Vollposten“ gekonnt alles aufs Korn, was in Bella Italia so im Argen liegt - und haben damit in ihrer Heimat einen verdienten Megahit gelandet.

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