Erinnern Sie sich noch an die Ludolfs? Die vier Brüder vom Schrottplatz waren zwischen 2006 und 2011 die Hauptfiguren einer Dokusoap im Privatfernsehen und haben dabei Kultstatus erreicht. Sogar einen Kinofilm mit Uwe, Horst Günter (starb 2011), Peter und Manni gibt es. Mittlerweile ist ihre Show nach einer Generalüberholung bei Kabel eins gelandet – und ein Blick auf die Einschaltquoten verrät: Das Interesse an den Schrottgeschichten ist nach wie vor vorhanden. Vor allem die kantigen Kumpane der Familie Ludolf machen aus der eigentlich recht unspektakulären Arbeit ein kurzweiliges Fernsehvergnügen. Genau solche unterhaltsamen Figuren mit hohem Wiedererkennungswert fehlen nun allerdings Max Zähles Langfilmdebüt „Schrotten!“, auch deshalb ist sein komödiantischer Kinoausflug auf einen Schrottplatz nicht annähernd so amüsant und kernig wie die Formate um die Ludolfs. Außerdem zeigt sich einmal mehr, dass das Schrotten keinen abendfüllenden Spielfilm trägt. Das ist den Filmemachern zwar durchaus bewusst, aber ihr Schlenker in die Gefilde einer launigen Räuberpistole kommt ein wenig zu spät. So kommen die Abenteuer der Talhammers (so heißen die fiktiven Pendants der Ludolfs) trotz einer gehörigen Portion norddeutschen Lokalpatriotismus und mit Leidenschaft für den Schrott gepaartem Insiderwissen nicht über das Mittelmaß hinaus.
Nach dem Tod des Vaters befindet sich die Talhammers in einer wirtschaftlich prekären Lage, die der Recyclingunternehmer Kercher (Jan-Gregor Kamp) nutzen will, um seinen Dorfnachbarn den familiären Schrottplatz abzuluchsen. Um Abhilfe zu schaffen, planen die ungleichen Talhammer-Brüder Mirko (Lucas Gregorowicz) und Letschko (Frederic Lau) einen Zugraub …: Nach seinem oscarnominierten Kurzfilm „Raju“ ließ sich Regisseur Max Zähle für seinen ersten langen Spielfilm von der Lebensgeschichte eines guten Freundes inspirieren, durch den er schon im Kindesalter die Gepflogenheiten auf Schrottplätzen und Autoverwertungsanlagen kennenlernte. Diese persönliche Nähe zur Materie ist „Schrotten!“ anzumerken. Die authentischen Schrottplatz-Kulissen, die instinktive Interaktion innerhalb der Familie sowie das traditionsreiche norddeutsche Kauderwelsch der Schrott-Spezialisten (das für Außenstehende so unverständlich ist, dass es untertitelt werden musste), verleihen „Schrotten!“ ein bodenständig-unverfälschtes Flair, das auch den Kleinkrieg mit dem Recyclingbaron Kercher glaubwürdig erscheinen lässt.
Von der kernig-schroffen Schrott-Romantik abgesehen werden weite Strecken des Films von einem klassischen Konflikt dominiert: Mit Lucas Gregorowicz‘ („Lammbock“) Versicherungsfuzzi Mirko trifft der Spießer im Anzug auf die Lebemänner in der „Wildnis“. Dieses Aufeinanderprallen von Stadt-Land-Gegensätzen fällt allerdings auch wegen der nicht gerade tiefschürfenden Figurenzeichnung weder besonders feinsinnig noch sonst irgendwie spektakulär aus. Eine Szene etwa, in welcher der immer im Dorf gebliebene Letscho zum vermeintlich ersten Mal ein Frühstücksei zu Gesicht bekommt, gerät zur wenig subtilen und nur milde amüsanten Hinterwäldlerpersiflage - immerhin gefällt Frederic Lau („Victoria“) mit Kodderschnauze und viel Herz. Als die Talhammers aber schließlich auch noch in Wildwest-Manier auf die Idee verfallen, einen Zug auszurauben, wirkt „Schrotten!“ dann doch allzu konstruiert: Die Schrottplatz-Family will die Bahn mitten auf der Strecke anhalten, den hintersten Wagen abkoppeln und auf einem vorab selbst verlegten (!) Gleis im Wald verstecken … Der Plan ist absurd, aber mit seiner Umsetzung kommt tatsächlich echte Heist-Movie-Spannung und –Atmosphäre auf. Doch das gilt dann nur für die letzte halbe Stunde der gut 100 Minuten Laufzeit.
Fazit: Die Schrottplatz- und Norddeutschland-Hommage „Schrotten!“ hat atmosphärische Stärken und auch das temporeiche Finale ist gelungen, aber das wiegt die Durststrecken in dieser insgesamt sehr behäbig erzählten und klischeehaften Komödie nur zum Teil auf.