100% Til Schweiger – und doch ganz anders
Von Michael BendixTil Schweigers Karriere befindet sich aktuell an einem Wendepunkt: Nach mehreren Flops und Fehlschlägen in Folge war „Manta Manta – Zwoter Teil“ für den einstigen Publikumsmagneten ein kurzes kommerzielles Aufbäumen (wenn auch weit entfernt von „Keinohrhasen“ oder „Honig im Kopf“, die zu den erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten zählen), zugleich war es aber auch der Anfang dieses Jahres erschienene Millionenerfolg, um den sich bald allerlei hässliche Geschichten rankten. Berichte über missbräuchliches Verhalten am Set machten die Runde, und zu den von Schweiger teilweise eingeräumten Vorwürfen, die von verbaler bis hin zu physischer Gewalt reichten (und meist mit Alkoholkonsum zu tun hatten), kam noch eine Klage von „Keinohrhasen“- und „Zweiohrküken“-Co-Autorin Anika Decker, die eine höhere Beteiligung am Gewinn der Komödien-Hits einforderte – und Recht bekam.
Was das alles mit „Das Beste kommt noch!“ zu tun hat? Gar nicht so wenig: Nicht nur, dass es sich bei der Tragikomödie – deren Titel wahlweise ironisch oder trotzig-programmatisch zu lesen ist – um Schweigers erstes filmisches Lebenszeichen handelt, seitdem er öffentlich in Ungnade gefallen ist. Auch ist sie sein vielleicht ehrlichster Film bislang, indem sich der 59-Jährige nicht – oder besser gesagt: nicht ausschließlich – als idealisiertes Zerrbild inszeniert, sondern seine Schwachstellen, seine Sterblichkeit und seinen angekratzten Starruhm mitverhandelt. Was nicht bedeutet, dass „Das Beste kommt noch!“ nicht auch als klassischer Til-Schweiger-Film abliefern würde, und zwar in jeder Bedeutung, die in diesem Satz stecken könnte...
Der Film beginnt mit einer Kindheits-Rückblende in Schwarz-Weiß: Felix und Arthur stehen kurz vor der Aufführung eines Schul-Theaterstücks. Felix (später Til Schweiger) spielt die Hauptrolle, hat aber daran zu knabbern, dass seine verstorbene Mutter nicht mehr im Publikum sitzen kann – und der Platz seines buchstäblich wie im übertragenen Sinne abwesenden Vaters wieder einmal frei bleibt. Arthur (als Erwachsener: Michael Maertens) muss sich mit einem einzigen Satz begnügen, der den Film aber wie ein Mantra durchziehen wird: „Das ist der Anfang vom Ende.“ Beide sind unzufrieden mit ihrer Situation, also beschließen sie, zu türmen – wobei Felix der Drahtzieher ist, während sich Arthur von ihm mitzerren lässt.
Viele Jahrzehnte später sind die Dynamiken eigentlich noch genau dieselben: Felix lebt unbekümmert in den Tag hinein, steht gern im Mittelpunkt und verdrängt den Schmerz darüber, dass das Verhältnis zu seinem Vater mittlerweile zerbrochen ist. Arthur arbeitet als Arzt und lehrt an einem renommierten Forschungsinstitut, ist ansonsten aber ein Nebendarsteller in seinem eigenen Leben, ein pedantischer Spießer, der eigentlich von allen Menschen in seiner Umgebung wahlweise übersehen, verlacht oder verachtet wird: seiner Ex-Frau Vivian (Franziska Machens), an der er immer noch hängt, seiner aufmüpfigen Teenager-Tochter Julie (Emma Schweiger), seinem niederträchtigen Chef (Heino Ferch) und seinen Student*innen. Felix ist der einzige, der wirklich zu ihm hält, obwohl auch ihre Beziehung zunächst nur über Differenzen gezeichnet wird.
Auch nach vielen Jahrzehnten sind Felix (Til Schweiger) und Arthur (Michael Maertens) noch beste Freunde
Das im Zentrum des Films stehende Drama nimmt seinen Lauf, als der völlig abgebrannte Felix von Schuldnern besucht wird und darüber vom Balkon stürzt. Arthur leiht ihm aus der Not heraus seine Krankenversicherungskarte – und findet dadurch heraus, dass Felix todkrank ist und nur noch etwa sechs Monate zu leben hat. Er versucht, seinem Freund die schreckliche Nachricht mitzuteilen, bringt es aber nicht übers Herz. Doch nicht nur das: Durch ein verbales Missverständnis glaubt Felix, dass nicht er, sondern Arthur unheilbar erkrankt ist. Und so bietet ihm der eingebildete Gesunde an, ihn bis zu seinem Tod zu pflegen und ihm dabei zu helfen, die letzten Wochen seines Lebens zu genießen...
Die durchaus absurde Verwechslungs-Konstruktion stammt nicht aus der Feder des „Kokowääh“-Regisseurs, sondern lag schon dem gleichnamigen französischen Original von 2019 zugrunde, das der Regisseur hier, nun, weniger neuverfilmt als neuverschweigert hat. Denn längst spielen die Filme von Til Schweiger in einem völlig eigenen Paralleluniversum, dem man mit Fragen nach Glaubwürdigkeit nicht mehr beikommt: Die finanzielle Situation seines Charakters dient nur als Katalysator, wird im Anschluss aber nie wieder aufgegriffen – beziehungsweise nur insofern, als dass sich Felix nicht nur ungefragt beim vermeintlich kranken Arthur einquartiert, sondern sich auch munter an dessen Portemonnaie und Kreditkarte bedient, was nie zu größeren Unstimmigkeiten führt.
Als er wiederum eines Abends auf die Idee kommt, sich in den E-Mail-Account seines Freundes einzuloggen, um in dessen Namen (und dem der gesamten Belegschaft) eine beleidigende Mail an den ungeliebten Chef zu schreiben, hat das nicht etwa ein Zerwürfnis zur Folge. Stattdessen geigt Arthur dem herablassenden Dr. Karven tatsächlich endlich selbst die Meinung, fordert seine 2000 (!) Überstunden ein und rast schließlich noch mit voller Wucht in seinen Porsche, der ihn ständig einparkt. So funktionieren die Figuren im Schweiger'schen Komödien-Kosmos.
Im Grunde bleibt schon unklar, wie es die beiden grundverschiedenen Männer geschafft haben, ihre Verbindung über 50 Jahre hinweg aufrecht zu erhalten, schließlich verwendet der Film in erster Linie enorm viel Zeit darauf, ihre Unterschiedlichkeit herauszukehren – selbst im Angesicht des Todes zieht Felix seinen Freund noch mit dessen Defiziten auf. Doch in der Welt von Til Schweiger muss man so etwas als gegeben hinnehmen. Den Rest erledigt die sich langsam herausschälende Buddy-Chemie zwischen dem „Knockin' On Heaven's Door“-Star, der einmal mehr seine Version des virilen man child spielt, und Michael Maertens, der glücklicherweise nicht vergessen hat, dass er vor allem als Graf Falko in den „Bibi & Tina“-Filmen zu komödiantischer Höchstform aufgelaufen ist.
Wie jeder Film von Til Schweiger schlägt „Das Beste kommt noch!“ am laufenden Band die wildesten Volten. Stile und Stimmungen werden ebenso schnell ausgewechselt, wie Schweiger von einem Gesicht zum nächsten schneidet. Wenn Felix beim gemeinsamen Abhaken ihrer jeweiligen Bucket Lists den Wunsch äußert, ein Kamel zu streicheln, fragen die beiden nicht etwa beim örtlichen Zoo an, sondern reisen kurzerhand gemeinsam mit Julie nach Marokko. Dort schauen wir ihnen eine etwa zweiminütige Montage lang unter anderem dabei zu, wie sie zu Dr. Albans Eurodance-Hit „It's My Life“ mit einem Wüstenauto durch den Sand cruisen.
Hier driftet „Das Beste kommt noch!“ in beinahe tagtraumartige Gefilde – und das, obwohl wir die ausufernde Slapstick-Sequenz, in der Felix seinem natürlich auch in Liebesdingen unbeholfenen Kumpel ausgerechnet in einem Nobelrestaurant das Flirten beibringen will, gerade erst verdaut haben.
Zum Kamele-Streicheln geht’s mal eben nach Marokko
Doch etwas ist anders als sonst: Ja, die wenigen Frauenfiguren – vor allem Arthurs Exfrau, die sich gleich zweimal als „hart und selbstgerecht“ bezeichnen lassen muss – sind gewohnt schwach geschrieben. Schweiger inszeniert erneut sprunghaft und unrhythmisch, verheddert sich in umständlich aufgebauten Gags, die grundsätzlich über ihren Zenit hinausgetrieben werden, kann sich den einen oder anderen boomerhaften Zeitgeist-Kommentar etwa über gesunde Ernährung nicht verkneifen. Und eine Zeit lang gefällt er sich wie eh und je in der Rolle des Draufgängers, der im Gegensatz zu Arthur versteht, wie man ein Leben lebt. Aber anders als etwa noch „Klassentreffen 1.0“ ist „Das Beste kommt noch!“ kein boshafter Film: Wenn einmal der Satz fällt, Zynismus sei das Gegenteil von Liebe, dann scheint sich darin tatsächlich ein Paradigmenwechsel, vielleicht sogar so etwas wie eine Einsicht zu spiegeln. Passend dazu versieht Schweiger die von ihm gespielte Figur erstmals mit Brüchen.
Felix ist kein Womanizer, zu dem reihenweise andere Männer aufschauen. Als er seine (ziemlich junge) Freundin auf der Straße mit einem anderen Mann erwischt, muss er sich als „alter Mann“ bezeichnen lassen, und genau so – angezählt und abgehängt – nimmt man ihn in dieser Szene auch wahr. Er ist pleite und hat offensichtlich ein Alkoholproblem, das er sogar eingesteht, als Arthur ihn mit seinem Trinkverhalten konfrontiert. Der Anfang vom Ende hat längst begonnen, nur dass sich Felix darüber ebenso wenig bewusst ist wie über seinen bevorstehenden Tod.
Während man sich wie bei Schweiger üblich noch fragt, wie sich eine Geschichte über tödliche Krebs-Diagnosen mit Witzen über vollgepinkelte Klobrillen verträgt, wird „Das Beste kommt noch!“ tatsächlich klammheimlich zu einer Auseinandersetzung mit Endlichkeit und Sterblichkeit – zumindest so sehr, wie es in einem Film von Til Schweiger eben möglich ist.
Am Ende führt ihn der unvermeidliche Roadtrip nicht ans Meer, sondern nach Österreich in die Berge, wo sein Vater Bernhard wie ein Einsiedler lebt. Der wird von Peter Simonischek („Toni Erdmann“) gespielt, der hier seinen letzten Filmauftritt hatte, bevor er 2023 selbst einer tödlichen Krankheit erlag. Auch wenn die (natürlich durchs gemeinsame Trinken herbeigeführte) Versöhnung zwischen Vater und Sohn äußerst abrupt geschieht, durchmischen sich Kino und Wirklichkeit hier auf durchaus anrührende Art und Weise.
Peter Simonischek spielt als Felix' Vater Bernhard die letzte Rolle vor seinem Tod
Es ist kein Spoiler, wenn wir hier verraten, dass Felix am Ende tatsächlich stirbt – denn daran, dass er nur noch kurze Zeit zu leben hat, besteht von Anfang an kein Zweifel. Wie Schweiger seinen eigenen (Film)Tod inszeniert, ist dann aber durchaus bemerkenswert: Vor seinem Grab inmitten einer verschneiten Berglandschaft (vielleicht nicht zufällig ein archetypisches Bild der deutschen Kinogeschichte) prangt ein Model-Foto in Schwarz-Weiß, das ihn in der Blüte seiner Jahre mit freiem Oberkörper zeigt – als würde hier nicht nur Felix beerdigt, sondern auch Schweigers Star-Persona.
In der Abspann-Szene, die zurück in die Kindheit der Protagonisten springt, schließt sich daran ein Meta-Gag an, der auf den späteren Erfolg von „Manta Manta“ verweist – und dadurch eine längst vergangene Zukunft vorweggreift. Der Anfang nach dem Ende. Wehmütiger war das Kino von Til Schweiger nie.
Fazit: Wer „Das Beste kommt noch!“ wegen des typischen Til-Schweiger-Irrsinns schaut, wird mit Sicherheit nicht enttäuscht – doch das Tragikomödien-Remake überrascht auch mit wehmütigen und selbstreflexiven Momenten, wie man sie bei Schweiger noch nicht gesehen hat.