Félicité (Vero Tshanda Beya) ist eine freigeistige Frau, die sich nicht um die gesellschaftlichen Erwartungen an sie schert - als alleinerziehende Mutter verdient sie ihr Geld als Sängerin in einer Bar in Kinshasa. Als ihr 14-jähriger Sohn Samo (Gaetan Claudia) nach einem Motorradunfall im Krankenhaus landet und Félicité plötzlich eine Million kongolesische Francs (etwa 730 Euro) für eine lebenswichtige Operation auftreiben muss, ist die auf ihre Unabhängigkeit stolze Musikerin aber plötzlich doch gezwungen, andere um Hilfe zu bitten - ihre Bandkollegen, ihre Nachbarn, die Gäste der Bar und sogar wildfremde Wohlhabende, die hinter großen Mauern wohnen… Die erste Hälfte von Alain Gomis‘ Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Félicité“ fühlt sich an wie eine Versuchsanordnung: Wie viele Schicksalsschläge kann diese starke Frau einstecken, bis sie doch irgendwann vor der Gesellschaft und den Umständen buckelt? Trotz der erzwungenen Dramaturgie ist dieser Teil mitreißend und berührend – und das liegt vor allem an Vero Tshanda Beya, die hier ihre erste Filmrolle spielt. In ihren Augen funkelt ein unzähmbarer Stolz, der nicht einmal dann verlöscht, wenn Félicité von dem Bodyguard eines der abgeschottet lebenden Reichen brutal zusammengeschlagen wird.
Wirkt die erste Filmhälfte noch überkonstruiert, schlägt das Ganze im Anschluss geradezu ins Gegenteil um: Wenn sich die Sache mit der Operation nach einer guten Stunde erledigt hat, verliert Regisseur Alain Gomis (dessen vorheriger Film „Tey“ 2012 ebenfalls im Berlinale-Wettbewerb lief) zunehmend seinen Fokus - und da Félicités Stolz nun doch erst einmal gebrochen ist, fehlt plötzlich auch die treibende Energie der Hauptdarstellerin: Statt einer stilistisch und erzählerisch kohärenten Weiterführung gibt es von hier an vor allem lose zusammenhängende Vignetten und dazwischen impressionistische Einschübe von nächtlichen Tanzpartys oder Szenen vom täglichen Straßentrubel inklusive eines Mobs, der zwei eingeholte Marktdiebe blutig prügelt. Diese Passagen fallen auch in der Qualität sehr unterschiedlich aus, aber zwischendrin gibt es immer wieder wirklich starke Momente – am meisten sticht wohl der heraus, in dem Félicités neuer Freund Tabu (Papi Mpaka) auf einer Kreuzung einen Ampelroboter mit der Aufschrift „Made In Republic Of The Congo“ erspäht und von dieser „technischen Errungenschaft“ ausgehend eine rosige (Raumfahrt-)Zukunft für sein Land herbeifantasiert: „… und am Ende werden wir von Stern zu Stern springen.“
Fazit: Kinodebütantin Vero Tshanda Beya ist in der Titelrolle eine absolute Wucht – der Rest des Films hingegen ist trotz elektrisierender Szenen aus dem nächtlichen Kinshasa frustrierend uneinheitlich.
Wir haben den Film im Rahmen der Berlinale 2017 gesehen, wo „Félicité“ als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wird.