1995 kam mit „Dilwale Dulhania Le Jayenge – Wer zuerst kommt, kriegt die Braut“ (kurz: „DDLJ“) das Regiedebüt von Aditya Chopra, dem Sohn des legendären Bollywood-Filmemachers Yash Chopra („Solang ich lebe - Jab Tak Hai Jaan“), in die indischen Kinos. In einem Saal in Mumbai läuft er sogar 20 Jahre später noch und ist damit ein ernsthafter Anwärter auf den Weltrekord der längsten ununterbrochenen Laufzeit eines Films in einem Kino. Das beherzte Musical über die Liebe zwischen den zwei in Europa sozialisierten jungen Indern Raj und Simran machte seinerzeit seine Hauptdarsteller Shah Rukh Khan und Kajol zu Megastars. Und noch heute ist die Popularität des vielzitierten Klassikers des indischen Mainstream-Kinos ungebrochen. Auch Rohit Shettys „Dilwale“, die jüngste Zusammenarbeit des legendären Leinwandpaares Khan und Kajol nach langjähriger Pause, steckt voller Anspielungen auf ihren berühmtesten Film. Und wieder sind ihre gemeinsamen Szenen und Song-Sequenzen voll romantischer Bollywood-Magie alter Schule. Da verzeiht man dem insgesamt recht chaotischen Genre-Mix auch die nicht wenigen erzählerischen Fehlgriffe.
Im Grunde lässt sich das zweieinhalbstündige Kinoevent „Dilwale“ in mehrere Filme sehr unterschiedlicher Qualität aufteilen. Zunächst gäbe es da die Rahmenhandlung, in der sich Veer (Varun Dhawan), ein junger, aufbrausender Mechaniker in die hübsche Ishita (Kriti Sanon) verliebt. Das gestaltet sich dann weitgehend als alberne Teenie-Komödie mit lauten und hibbeligen kindischen Protagonisten in knallbunten Kulissen. Doch damit das junge Paar den Hafen der Ehe ansteuern kann, bedarf es der Zustimmung von Veers älterem Bruder und Arbeitgeber Raj (Shah Rukh Khan). Dieser wird aber geplagt vom Verlust seiner großen Liebe Meera (Kajol) nach einem Vorfall in seiner mysteriösen kriminellen Vergangenheit. Mehr Plotdetails zu verraten würde die Wirkung der zugegebenermaßen hanebüchenen, aber wunderbar melodramatischen Wendungen der Geschichte schmälern. Es werden wild die Zeitebenen und die Genres gewechselt, wobei allerdings vieles Stückwerk bleibt.
Vor zwei Jahren noch legte Regisseur Rohit Shetty mit dem Shah Rukh Khan-Projekt „Chennai Express“ eine sehr unterhaltsame, amüsante Actionkomödie mit viel Esprit und Romantik hin. Hier aber strauchelt er beim angestrengten Versuch, eine spritzige Komödie, ein romantisches Liebesmelodram, eine clevere Gangstergeschichte und ein hochemotionales Familiendrama in rascher Abfolge oder sogar gleichzeitig auf die Leinwand zu bringen, die wirre Mischung wird letztlich vor allem durch die einzigartige Chemie zwischen den beiden Superstars zusammengehalten: Wenn Shetty dem gewohnt vitalen Shah Rukh Khan und der eindrucksvoll anmutigen Kajol (nach fünfjähriger Leinwandabstinenz!) den Raum gibt, sich schmachtende Blicke zuzuwerfen oder charmante Wortgefechte zu führen, entwickelt sich echte Kinomagie. Das gipfelt in der visuell berauschenden, in Island gedrehten Sequenz zu dem schmachtenden Liebessong „Gerua“, (angeblich das teuerste Bollywoodvideo seiner Art), in der sich das Traumpaar so schön und verliebt in den Armen liegt wie 20 Jahre zuvor in DDLJ.
Fazit: Bewunderer von Shah Rukh Khan und Kajol, dem wohl schönsten Liebespaar der indischen Filmgeschichte, kommen bei dem ansonsten durchwachsenen Bollywood-Spektakel „Dilwale“ auf ihre Kosten.