Gibt es eigentlich ein Lexikon all jener schönen Begriffe, mit der in der DDR die Realität verdreht oder zumindest etwas gefälliger umschrieben wurde? Kundschafter des Friedens ist so eine hübsch-verharmlosende Formulierung, die nichts anderes als die Auslandsagenten der DDR bezeichnet, die aus der Sicht des sozialistischen Staates natürlich den Frieden verteidigten. Ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall sind die einstigen DDR-Spione im Rentenalter angekommen - und werden in Robert Thalheims amüsanter Komödie „Kundschafter des Friedens“ reaktiviert: Ihre Kontakte in den ehemaligen Ostblock sind gefragt, ihre veralteten Methoden erweisen sich dagegen zunächst als weniger brauchbar…
Berlin, 2017. In der einstigen Sowjetrepublik Katschekistan droht der Friedensprozess zu scheitern. Der designierte Präsident ist entführt worden und mit ihm sein Bewacher vom BND, der nicht mehr ganz junge Agent Kern (Jürgen Prochnow). Dessen Tochter Paula (Antje Traue) arbeitet ebenfalls bei seiner Dienststelle und will endlich einmal selbst in den Außeneinsatz. Tatsächlich betraut ihr Chef sie mit der heiklen Aufgabe, für die Freilassung der Gekidnappten zu sorgen, aber er stellt ihr etwas spezielle Begleiter als Experten an die Seite: die Ex-DDR-Agenten Jochen (Henry Hübchen), Jacky (Michael Gwisdek), Locke (Thomas Thieme) und Harry (Winfried Glatzeder). Doch vor Ort müssen die älteren Herren feststellen, dass die Welt sich seit den Tagen des Kalten Krieges doch ziemlich verändert hat.
Regisseur Robert Thalheim („Am Ende kommen Touristen“, „Eltern“) und sein Co-Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg („Friendship!“, „Mein Blind Date mit dem Leben“) bringen ihre originelle Prämisse um die gewissermaßen aus der Zeit gefallenen DDR-Agenten voll zur ironischen Geltung, indem sie auf die (n)ostalgische Verklärung der historischen Realität verzichten und sich in erster Linie auf die Kinogeschichte beziehen. So wird schon während des mit funkiger Musik unterlegten Vorspanns mit seinen Splitscreens das (westliche) Kino der 70er Jahre heraufbeschworen und auch in der Folge zitiert Thalheim immer wieder die Agentenfilme und Gaunerkomödien jener Zeit – in diesem Kontext wird die heimelig-hässliche, von Laminat und Pressspan geprägte Oberfläche des Films ganz ohne hollywoodmäßigen Aufwand zur perfekten Kulisse für eine launige Konfrontation zwischen Gestern und Heute, Ost und West, bei der alle Seiten gleichermaßen ihr Fett wegbekommen.
Das sozialistische Altherrenquartett, dessen noch auf echter Handarbeit basierendes Agentenwerk angesichts der technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte mehr als antiquiert wirkt, wird eben nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, vielmehr erscheinen die diversen Kluften, wie sie sich hier auftun, als tragikomisches Ergebnis eines allgegenwärtigen Anpassungsdrucks. Die zunächst so von sich überzeugten Spionageveteranen werden dabei zwar ordentlich zurechtgestutzt, am Ende tragen sie jedoch gerade mit ihren ganz speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten dazu bei, in der alten Bundeshauptstadt Bonn den Tag zu retten.
Ohne allzu sehr in die Tiefe zu geben, macht Thalheim spürbar, wie gewaltig die Umwälzungen waren, die mit der Wende über die ehemaligen DDR-Bürger hereingebrochen sind. Selbst ein Geschäft, wie es Jacky hier führt, erscheint da als echter Anachronismus: Er repariert alte Geräte! Aber deshalb gehört er noch lange nicht zum alten Eisen wie Michael Gwisdek („Good Bye, Lenin!“) mit seinem augenzwinkernden Spiel unterstreicht. Und seine Mitstreiter Henry Hübchen („Alles auf Zucker“), Thomas Thieme („Das Leben der Anderen“) und Winfried Glatzeder („Die Legende von Paul und Paula“) stehen ihm in nichts nach. So wird aus „Kundschafter des Friedens“ schließlich eine ebenso amüsante wie schöne Kinofantasie über die harmonische Vereinigung zweier Länder und Lebenswelten.
Fazit: Eine pointierte, toll ausgestattete und hervorragend gespielte Agentenkomödie aus deutschen Landen.