IM GIFTSCHRANK DER KARTELLABWEHR
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Denis Villeneuve, der eben mit Dune sein Kinopublikum von der großen Leinwand weg beeindruckt, hatte sechs Jahre zuvor einen Drogenthriller inszeniert, der die Mittel und Wege der USA, den Drogenkartellen im benachbarten Mexiko Herr zu werden, infrage stellt. Mittendrin in diesem schmutzigen Krieg ohne Moral findet sich Emily Blunt wieder, die nicht weiß, wie ihr geschieht. Eine Identifikationsfigur für das Publikum. Jemand auf greifbarer Höhe. Vernünftig, anständig, fehl am Platz in Missionen wie dieser. Klar wusste Villeneuve wieder ganz genau, wie er seinen finsteren und künstlerisch hochwertigen Kriminalfilm in Szene setzt. Mit stilvoll komponierten Gemälden aus Nacht und Nebel, hinterlegt mit dem bedrohlich wummernden Score von Hildur Gudnadottir. Drei Jahre später dann die Fortsetzung. Emily Blunt ist womöglich in der Privatwirtschaft tätig und hat dem fragwürdigen Business der Kartellbekämpfung den Rücken gekehrt. Übrig bleibt Charles Bronson-Imitat Josh Brolin, der sich längst schon nicht mehr fragt, wohin die fairen Wege führen. Alle anderen führen nämlich nach Mexiko. Ziel ist es, sämtliche Clans gegeneinander aufzuhetzen. Wen würde Brolin wohl dringender für diesen Job benötigen als seinen Busen-Sicario Alejandro – Ex-Anwalt und wortkarger Racheengel, stets in den Diensten der US-Behörden, die so tun als wären sie der Geheimdienst – es aber nicht sind. Kernstück des Auftrags: die Tochter von Oberboss Reyes zu entführen.
Von der ersten Minute an wird klar, dass Villeneuve mit seiner akribischen Art und Weise, Filme zu inszenieren, längst das Boot verlassen hat. Stefano Sollima hat übernommen, der zuletzt mit Tom Glancy´s Gnadenlos ein recht schales Stück Actionkino hervorgebracht hat. Genauso wenig Bedeutung hat Sicario 2. Dieser Film hinkt meilenweit hinter dem Original aus 2015 hinterher. Und in erster Linie deshalb, weil hier so jemand wie Emily Blunt nichts mehr zu melden hat. Töchterchen Reyes, gespielt von Isabella Merced (u. a. Sweet Girl) hat nicht die narrative Kraft dafür, diesen unbesetzten Blickwinkel einzunehmen. Sie ist Teil des Syndikats, aber nicht Teil einer Welt, die sich der unsrigen auch nur irgendwie annähert. Brolin ist viel zu desillusioniert, und del Toro, in seinem Charakter deutlich inkonsequenter als 2015, wäre lieber in einem Italowestern gelandet, zwischen Lee van Cleef und Clint Eastwood.
Enttäuschend dabei ist, dass eigentlich Taylor Sheridan das Drehbuch verfasst hat. Wir kennen ihn aus Werken wie Hell or High Water oder Wind River, beides achtbare Scripts. Zuletzt lief Angelina Jolie unter dessen Regie in They Want Me Dead durch brennende Wälder, verfolgt von zwei platten Killern ohne Charisma. Das kommt hin, wie ich finde. Charisma hat in Sicario 2 auch kaum jemand. Von Integrität keine Rede. Was bleibt, ist das Hinbiegen einer undankbaren Mission, die letzten Endes die prophezeite Sinnlosigkeit eines Antikriegsfilms zelebriert und den Moralapostel peitscht, bis dieser angesichts seiner misslichen Lage nur noch resigniert.
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