Weder "Bayhem" noch "Bumblebee"
Von Julius Vietzen„Die Rettung für die ‚Transformers‘-Reihe!“ So lautet die Überschrift der offiziellen FILMSTARTS-Kritik zu „Bumblebee“. Nachdem „Transformers 5: The Last Knight“ 2017 an den Kinokassen zumindest für die Maßstäbe der Riesenroboter-Blockbuster erstaunlich schlecht abgeschnitten hatte, kam das Spin-off scheinbar genau richtig und verpasste der Reihe eine dringend nötige Frischzellenkur: Statt auf seelenlosen Action-Krawall setzte Regisseur Travis Knight auf viel Herz und eine sympathische Protagonistin, während der Rassismus und Sexismus, der Michael Bay immer wieder vorgeworfen worden war, diesmal konsequent vermieden wurde. Aber dann spielte der sechste „Transformers“-Film trotzdem nur knapp 468 Millionen Dollar an den weltweiten Kinokassen ein (und damit nochmal deutlicher weniger als „The Last Knight“).
Deshalb haben die „Transformers“-Verantwortlichen noch ein weiteres Mal ihre Pläne über den Haufen geworfen – und sind dabei offenbar auch ein gutes Stück weit zurückgerudert: „Transformers 7: Aufstieg der Bestien“ orientiert sich inhaltlich und stilistisch wieder deutlich stärker am Michael-Bay-Spektakel, will nebenher aber auch einige der emotionalen Qualitäten von „Bumblebee“ hinüberretten. Doch damit setzt sich Steven Caple Jr. („Creed II“) ein Stück weit zwischen die Stühle: „Aufstieg der Bestien“ kommt so am Ende weder an den Action-Bombast eines Michael Bay (in Insider-Kreisen kurz „Bayhem“ genannt) noch an den Charme eines „Bumblebee“ heran – und auch eigene Akzente kann der neue Regisseur nur bedingt setzen (wobei sich ganz zum Schluss noch ein neuer Masterplan andeutet, der speziell Fans von Achtzigerjahre-Cartoons und Hasbro-Actionfiguren schwer begeistern dürfte).
In „Aufstieg der Bestien“ kämpfen die Maximals um Optimus Primal Seite an Seite mit den Autobots.
New York, 1994: Sieben Jahre nach den Ereignissen von „Bumblebee“ fristen die Autobots um ihren Anführer Optimus Prime (Stimme im Original: Peter Cullen) ein hoffnungsloses Dasein auf der Erde, wo sie sich noch immer versteckt halten. Aber dann macht die Museums-Assistentin Elena Wallace (Dominique Fishback) eine folgenschwere Entdeckung: In einer alten Vogelstatue findet sie den Trans-Warp-Schlüssel, mit dem die Transformers doch noch auf ihren Heimatplaneten Cybertron zurückkehren könnten.
Mit Hilfe des Ex-Soldaten Noah Diaz (Anthony Ramos), der nur mit in die Sache hineingeraten ist, weil er den als Porsche getarnten Mirage (Stimme im Original: Pete Davidson) stehlen wollte, versuchen die Autobots, das mächtige Artefakt in ihren Besitz zu bringen. Doch auch die feindseligen Terrorcons um den gnadenlosen Scourge (Stimme im Original: Peter Dinklage) wollen den Trans-Warp-Schlüssel erbeuten, um ihren Meister, den Planetenfresser Unicron, herbeirufen zu können. Glücklicherweise leben auch die tierähnlichen Maximals im Geheimen auf der Erde – und die haben es bereits in der Vergangenheit auf einem anderen Planeten mit Scourge und Unicron aufgenommen...
Schon diese Inhaltsangabe zeigt: „Aufstieg der Bestien“ ist in vielerlei Hinsicht eine Rückbesinnung auf die ersten fünf „Transformers“-Filme. Jagten in Teil 1 noch alle dem Allspark hinterher (oder in Teil 2 der Matrix der Führerschaft), ist es nun eben der Trans-Warp-Schlüssel. Statt intergalaktischen Eroberern wie dem Fallen (Teil 2) oder Sentinel Prime (Teil 3) müssen nun Scourge und Unicron davon abgehalten werden, die Erde zu zerstören. Und als Ersatz für die Dinobots aus Teil 4 und Teil 5 sind dieses Mal halt die – tatsächlich ziemlich coolen – Maximals dabei.
Immerhin können sich Steven Caple Jr. und seine fünf (!) Drehbuchautoren bei der Charakterarbeit wohltuend von den Michael-Bay-Filmen abheben: Wie schon bei Charlie (Hailee Steinfeld) aus „Bumblebee“ stehen hier nämlich zwei Figuren im Mittelpunkt, denen man zumindest anfangs noch voll und ganz die Daumen drückt: Wenn Noah trotz seiner Soldaten-Vergangenheit keinen Job findet und die Familie Diaz deshalb nicht weiß, wie sie die teuren Krankenhaus-Rechnungen für den chronisch erkrankten jüngeren Bruder Kris (Dean Scott Vazquez) bezahlen soll, oder Elena ihrer Chefin in Sachen Wissen haushoch überlegen ist, diese aber trotzdem die ganze Anerkennung einstreicht, macht das die Figuren nicht nur nahbar. Es schwingt auch eine durchaus sozialkritische Komponente mit, die es so vorher in keinem anderen „Transformers“-Film gab.
In „Aufstieg der Bestien“ kämpfen die Maximals um Optimus Primal Seite an Seite mit den Autobots.
Die Verbindung zwischen Noah und Elena unterstreicht Steven Caple Jr. auch in einer cleveren Montage: Während Noah den vermeintlichen Porsche stehlen will und Elena die Statue untersucht, findet der Regisseur immer wieder Parallelen – vom Einbruch in eine Tiefgarage bzw. das Büro der Chefin bis hin zur Entdeckung, dass sich auf der Erde riesige Roboter verstecken. Doch der Versuch, mit einem starken Fokus auf die menschlichen Figuren und deren Schicksal für ein emotionales Fundament zu sorgen, funktioniert trotzdem nur bedingt. Denn nach dem erstaunlich bedächtig erzählten ersten Drittel rückt dieser Aspekt zugunsten der Action deutlich in den Hintergrund – und wird fortan nur noch mit peinlich-pathetischen Plattitüden über Familienzusammenhalt und ungelenken Lobliedern auf die Bewohner*innen von New York aufgegriffen.
Es ist schon bezeichnend, dass nicht etwa Noah oder Elena die stärkste Entwicklung im Film durchlaufen, sondern Optimus Prime. Denn der wandelt sich hier vom frustriert-grantigen Krieger zu dem weisen und wohlmeinenden Anführer, den man aus den bisherigen „Transformers“-Filmen kennt. Auch das Neunziger-Setting schöpfen Steven Caple Jr. und seine Autoren nicht voll aus. Lebte „Bumblebee“ noch von einem omnipräsenten 80er-Jahre-Vibe, könnte „Aufstieg der Bestien“ größtenteils genauso gut in der Gegenwart spielen – vielleicht mal abgesehen von den altmodischen Röhrenfernsehern und dem World Trade Center in der New Yorker Skyline. Immerhin sorgt der Hip-Hop-Soundtrack von „Transformers 7“ für etwas Zeitkolorit – vor allem in einem gelungen-augenzwinkernden Meta-Moment, wenn eine Figur ausgerechnet zu den Klängen von LL Cool Js „Mama Said Knock You Out“ (mit der bekannten Textzeile „Don't Call It A Comeback“) ihre Rückkehr feiert.
In Sachen Action kann „Aufstieg der Bestien“ hingegen schon durchgängiger punkten: Wenn im ausgiebigen Finale Autobos, Maximals und Menschen auf die Terrorcons und ihre Armee treffen, geht trotz massenhaft kämpfenden Robotern nie die Übersicht verloren. Das liegt auch daran, dass der Regisseur und sein (VFX-)Team die Action größtenteils in langen, beeindruckenden Einstellungen ohne Schnitte präsentieren und die Kamera dabei von einer Figur zur nächsten gleitet. Ebenso übersichtlich bleibt eine waghalsige Verfolgungsjagd entlang einem peruanischen Berghang, obwohl sich dabei ein Teil der Roboter in Auto-Gestalt über die Serpentinen jagt, während Optimus und Scourge sich in Robo-Gestalt auf direktem Weg den Abhang runterprügeln.
Dennoch fehlt in all diesen Szenen (wohl auch aufgrund eines etwas schmaleren Budgets) der pure Bayhem-Bombast, also das gewisse Extra, das die Spektakel-Filme von Michael Bay schon immer auszeichnete, so viel man daran sonst auch kritisieren kann und muss. Das liegt übrigens auch daran, dass alle großen Actionszenen an nahezu menschenleeren Schauplätzen stattfinden und somit häufig eine greifbare Bedrohung und ein Gefühl für die Größenunterschiede zwischen Menschen und Robotern fehlen. Kein Vergleich zur originalen „Transformers“-Pentalogie, wo bei den Kämpfen eigentlich immer im Vergleich winzig wirkende Soldaten mitmischten und Zivilist*innen in Sicherheit gebracht werden mussten. Obwohl sie technisch und inszenatorisch sauber umgesetzt sind, springt so bei den Actionszenen in „Aufstieg der Bestien“ der letzte Funke einfach nicht so richtig über.
Fazit: „Transformers: Aufstieg der Bestien“ will den Action-Bombast eines Michael Bay mit dem großen Herzen eines „Bumblebee“ kombinieren, doch dieser Spagat gelingt nur bedingt. Eine eigene Identität findet der insgesamt siebte Film der Reihe so nur selten.