Obwohl Regisseur Michael Thelin sich seinen Namen vornehmlich mit Werbeclips und Konzertvideos gemacht hat, verlässt er sich in seinem Spielfilmdebüt „Emelie“ nicht auf visuelle Sperenzchen oder simple Wir-drehen-mal-eben-kurz-den-Ton-voll-auf-Schockeffekte. Stattdessen setzt er voll auf sein subtil-verstörendes Drehbuch und seine brillante Hauptdarstellerin: Serien-Star Sarah Bolger (spielt Dornröschen in „Once Upon A Time“) gibt Teenagerin Anna zunächst als perfekt-liebenswerte Babysitterin, die sich nach und nach jedoch immer mehr als Anti-Mary-Poppins entpuppt – und das lange Zeit nicht etwa durch grobe Gewalt oder offenen Wahnsinn, sondern mit perfiden Psychospielchen: Die drei um die Aufmerksamkeit ihrer Aufpasserin buhlenden Geschwister werden beim Malen gegeneinander ausgespielt, für ein gutes Kostüm darf ausdrücklich auch mal ein Teil der Wohnungseinrichtung beschädigt werden und der elfährige Jacob (Joshua Rush) soll der auf der Toilette hockenden Anna beim Auspacken eines frischen Tampons helfen…
Das Sahnestück von „Emelie“ (der Titel ist bereits ein Spoiler, aber auf die Wendungen kommt es hier auch nicht an) ist ganz klar diese erste Hälfte mit ihren zunehmend verstörenden Kinderspielchen – ein wunderbar-bösartiger Psychospaß, bei dem der Zuschauer immer wieder unbehaglich in seinem Sessel hin und her rutscht! Ist die Katze dann erst einmal vollständig aus dem Sack (oder in diesem Fall der Familienhamster im Schlangenterrarium), entwickelt sich „Emelie“ zunehmend zur blutigeren Variante des Chris-Columbus-Weihnachtshits „Kevin – Allein zu Haus“. Das ist auch spannend, aber leider nicht so intensiv wie der vorangegangene Aufbau. Und was lernen wir daraus - und damit hoffentlich auch der eine oder andere zukünftige Horrorregisseur? Eine Babysitterin, die gegenüber ihrem frühpubertierenden Zögling subtile sexuelle Anspielungen auf der Toilette macht (inklusive gerade wegspülendem Menstruationsblut), ist sehr viel furchterregender als eine Babysitterin, die einer Konkurrentin geradeheraus den Schädel einschlägt!
Fazit: Effektiver Babysitterin-aus-der-Hölle-Thriller – nur Eltern sollten lieber verzichten, ansonsten wagen sie sich anschließend womöglich gar nicht mehr ohne ihre Kinder aus dem Haus.
„Emelie“ läuft auf den Fantasy Filmfest Nights 2016 – hier geht’s zum vollständigen Programm.