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    Der Name der Rose
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Der Name der Rose
    Von Ulrich Behrens

    Adson: „Meister, glaubst du, dass das

    ein Ort ist, an dem sich Gott wohl fühlt?“ William: „Gibt es irgendeinen Ort auf der Welt, an dem sich Gott wohl fühlt?“

    Friedlich und mächtig liegen sie da. Veränderungen sind kaum spürbar. Der Blick geht weit hinaus bis an den Horizont. Ein Meer von Bergen und Tälern, überwölbt vom Himmel. Ein gewaltiger, mächtiger Anblick. Auf der Erde dagegen ist das Grauen existent, ein heimliches und verstecktes Grauen, ein verborgenes und mächtiges Grauen, das Grauen der Macht, das immer wieder zuschlägt – aus dem Hinterhalt, schnell. Zwei Wanderer treffen nach einem mühsamen, langen Weg in einer einsam in diesen Bergen gelegenen Abtei ein. Wir schreiben das Jahr 1327. Diese Abtei in den italienischen Bergen ist der Ort, an dem der Disput zwischen den Kaiserlichen und dem Papst über die Macht stattfinden soll, an dem Franziskaner und Benediktiner um den „richtigen“ Glauben und die „richtige“ Kirche streiten, an dem der päpstliche Gesandte und der Inquisitor diese Frage ein für allemal für sich entscheiden wollen.

    William von Baskerville (Sean Connery) aus England und sein Novize, der junge Adson von Melk (der 17-jährige Christian Slater in seinem dritten Kinofilm) aus Niederösterreich, treffen in der Abtei ein, weil William an dem Disput teilnehmen will. Der Abt (Michael Lonsdale) allerdings bittet William auch darum, ihm bei der Aufklärung des Todes des Mönches Adelmus behilflich zu sein. Man fand Adelmus entstellte Leiche hinter der Abtei, dort, wohin man die Abfälle aus der Abtei schüttet, in denen dann die verarmten Bauern der Gegend noch etwas Essbares suchen.

    Jean-Jacques Annauds Adaption des Erfolgsromans Umberto Ecos gehört zu jenen überzeugenden Literaturverfilmungen, denen selbst eingefleischte Eco-Fans Tribut zollen. Während Eco damals immer wieder betonte, sein Roman sei sein Roman, und der Film sei eben der Film und damit darauf hinwies, dass es nie eine irgendwie geartete Kongruenz zwischen beiden Kunstformen geben könne, und sich im übrigen nicht dazu bewegen ließ, in irgendeiner Weise an dem Film mitzuwirken, legte Annaud sehr viel Gewicht auf ein möglichst authentisches Produktionsdesign und die Herstellung einer Atmosphäre, die die widerstreitenden kirchlichen und weltlichen Gegensätze ebenso berücksichtigte wie die Inszenierung der Geschichte als Kriminalfall.

    Dies gelingt dem Film von Anfang an. Wir treffen auf einen für diese Zeit ungewöhnlichen, geradezu aufgeklärten Franziskaner, William, der sich weder von apokalyptischen Visionen, noch von Aberglauben leiten lässt, sondern im Gegenteil von sehr irdischen Erklärungen für irdische Vorgänge überzeugt ist. Ihm gegenüber stehen Mönche, u.a. auch sein Glaubensbruder Ubertino (William Hickey), die den Teufel und biblische Prophezeiungen für die Ursache der Vorkommnisse halten, und andere Mönche der Abtei, denen es um nichts anderes geht als: Macht.

    Nicht nur der Buchillustrator Adelmus, auch ein mit ihm befreundeter Mönch, Venantius (Urs Althaus), einer, der aus dem Griechischen übersetzte, u.a. Aristoteles, kommt zu Tode. Man findet ihn in einem Bottich mit Tierblut, ertränkt. Eine in jeder Hinsicht unheimliche Szenerie tut sich auf. Während sich Adelmus offensichtlich wirklich selbst getötet hatte, wurde Venantius ermordet. William und Adson – und wir – treffen

    - auf den glatzköpfigen Berenger (Michael Habeck), der etwas zu wissen scheint, was William weiter helfen könnte.

    – auf den ein merkwürdiges Kauderwelsch brabbelnden, fast zahnlosen und buckligen Salvatore (Ron Perlman in einer Glanzrolle), der genau beobachtet, von den anderen Mönchen eher gemieden wird, weil er einmal zu einem Orden gehörte, der Reiche bestahl und tötete, ein „Ketzer“, der sich bekehren ließ, oder besser: der so schlau war, sich als Bekehrten darstellen zu können, um dem Scheiterhaufen der Inquisition zu entgehen.

    – auf Remigio (Helmut Qualtinger), der große Angst zu haben scheint vor dem Unheimlichen, das in der Abtei geschieht, William aber dennoch in den Turm führt, der zur verschlossenen Bibliothek führt.

    – auf Malachias (Volker Prechtel), den Vorsteher des Scriptoriums, in dem einige Mönche arbeiten und in dem sich nur sehr wenige Bücher aus der Bibliothek finden, einen verschlossenen, William sehr distanziert gegenüber tretenden Mönch, der ihm den Zugang zur Bibliothek verweigert.

    – und auf den alten Jorge de Burgos (Feodor Chaliapin Jr.), einen Mönch, der das Lachen verurteilt, der William davor warnt, Lachen sei eines Mönches unwürdig. Es verzerre das menschliche Gesicht zum Antlitz eines Affen.

    Nachdem William, von Remigio heimlich in den Turm gelassen, einen Zettel entdeckt, auf dem mit Zitronensaft geschriebene Zeichen stehen, findet man kurze Zeit später auch Berenger in einer Badewanne tot auf. Ein Geheimgang führt William und Adson in die verwinkelte, von etlichen Gängen durchzogene, wie ein Labyrinth angelegte Bibliothek. Unterdessen trifft der Inquisitor Bernardo Gui (F. Murray Abraham) mit Gefolge in der Abtei ein und versucht, William, seinem alten Gegner, einen Strich durch die Rechnung zu machen: Er will Remigio und Salvatore für den Mord an einem weiteren Mönch, dem Kräuterexperten Severinus (Elya Baskin), der etwas Wichtiges zur Aufklärung der Morde entdeckt hatte, auf den Scheiterhaufen bringen und zudem den anstehenden Disput ein für allemal für den Papst und die heilige Inquisition entscheiden...

    „Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben.“ (Jorge de Burgos)

    Umberto Ecos Roman, aber auch Annauds Film sind mehr als eine mittelalterliche Kriminalgeschichte. Eco rechnet offensichtlich mit dem „finsteren“ Mittelalter ab. Im Film wird dies einerseits durch den fanatischen Jorge de Burgos, andererseits durch den Inquisitor repräsentiert. Ihr Gegenspieler William vertritt – obwohl man ihm insbesondere von seinen franziskanischen Ordensbrüdern Arroganz und Besserwisserei vorwirft – einen Standpunkt, der sich schon fast der Jahrhunderte später erst eintretenden Aufklärung genähert hat. In einer Mischung aus Sherlock Holmes und sich auf Aristoteles berufendem, die Inquisition und den Aberglauben ablehnendem Mönch, der sich von seinem Weg nicht abbringen lässt, versucht er, seinem Novizen Adson in eine Welt einzuführen, die von Hass und Macht geprägt ist, damit sich Adson in dieser Welt zurecht finden kann. Dabei ist Williams Erziehung keine, die Adson „auf den rechten Weg“ führen soll. William zeigt Adson „nur“, welche Möglichkeiten in dieser finsteren Welt für ihn bestehen. Die Entscheidung, welchen Weg er geht, muss Adson selbst treffen.

    Als Adson auf der Suche nach Berenger ein junges Mädchen trifft, das ihn verführt, verurteilt ihn William deswegen nicht. Auch dies, die Verbindung mit einer Frau, stellt er Adson als einen möglichen Weg dar, auch wenn er deutlich werden lässt, dass er selbst von diesem Weg nicht viel hält.

    Zugleich – auch dies zeigt der Film – hätte William trotz seiner fortschrittlichen Überzeugungen im ihm umgebenden Meer von kirchlicher Verfolgung und Unterdrückung keine Chance gegen Jorge und Bernardo Gui, wenn nicht die armen Bauern ihrerseits wegen der von Gui geplanten Verbrennung auch des jungen Mädchens auf die Barrikaden gegen die Inquisition gehen würden.

    Annauds Film lebt zudem – neben der exzellenten Besetzung bis in die Nebenrollen – von der Entfaltung einer geheimnisvollen, dunklen, angsterfüllten Atmosphäre, in die nur William Licht eindringen lässt. Zu den Höhepunkten des Films zählen (nicht nur im visuellen Sinn) der Disput zwischen Franziskanern und der päpstlichen Seite, der Prozess, die Szenen, in denen William und Adson durch die Bibliothek gehen, um das verschwundene, wohl einzige Exemplar des zweiten Buches der Poetik des Aristoteles über die Komödie zu finden, aber auch viele Einzelszenen, wie der Fund des im Bottich ertränkten Mönchs oder die Scheiterhaufen-Szene. Ausstattung und Kostüme ergänzen dieses insgesamt homogene Bild.

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