Knapp zweieinhalb Jahre nach ihrem Debüt als Hauptkommissarin Katharina Lorenz im „Tatort: Feuerteufel“ verabschiedet sich Petra Schmidt-Schaller („Stereo“) schon wieder aus der Krimireihe: Nach nur sechs Einsätzen an der Seite von Bundespolizei-Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, „Alles ist Liebe“), die von Kritik und TV-Publikum eher verhalten aufgenommen wurden, hat die Schauspielerin offenbar genug vom „Tatort“. Während ihre Nachfolgerin Franziska Weisz („Kreuzweg“) bereits in den Startlöchern steht, beschert der federführende NDR Schmidt-Schaller einen Abschied auf der großen Leinwand: Thomas Stubers „Tatort: Verbrannt“ feiert in bundesweit 160 Kinos seine Vorpremiere, bevor er wie gewohnt am Sonntagabend im Fernsehen ausgestrahlt wird. Echtes Leinwandformat erreicht der Film, der auf einem vieldiskutierten realen Schreckensfall von 2005 basiert, allerdings nicht ganz: Die Flüchtlingsproblematik und das Thema Rassismus werden trotz guter Ansätze zu oberflächlich abgehandelt, und dem starken Auftakt des beklemmenden Krimi-Dramas steht ein schwaches Schlussdrittel gegenüber, das den Gesamteindruck deutlich beeinträchtigt.
Ein nächtlicher Einsatz im niedersächsischen Salzgitter endet für Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) im Desaster: Der Asylbewerber Djibril Baly, der verdächtigt wird, mit gefälschten Pässen zu handeln, entzieht sich nach einer Observierung der Festnahme und wird daraufhin von Falke mehrfach ins Gesicht geschlagen. Anschließend nimmt man den Afrikaner auf der Polizeiwache von Dienststellenleiter Werl (Werner Wölbern) in Gewahrsam. Am nächsten Morgen liegt der aufmüpfige Verdächtige, dessen Hände und Füße mit Handschellen fixiert wurden, verbrannt auf seiner Matratze: In seiner Zelle ist in der Nacht ein Feuer ausgebrochen, doch die diensthabenden Polizisten Maria Sombert (Annika Kuhl) und Mehmet Mutlu (Taner Sahintürk) haben zu spät auf den Alarm reagiert und konnten dem Inhaftierten nicht mehr helfen. Wer hat das Feuer gelegt? Falke und Lorenz ermitteln gegen die eigenen Kollegen – und stoßen schon bald in ein Wespennest...
tra Schmidt-Schaller ist nicht die Einzige, die dem „Tatort“ mit der Bundespolizei den Rücken kehrt: „Wenn einem etwas nicht passt, muss man es ändern oder gehen. Ändern habe ich versucht, bis ich zum Querulanten wurde und man mich auch so behandelte“, begründete Nebendarsteller Sebastian Schipper im Juli seinen sofortigen Ausstieg aus der öffentlich-rechtlichen Krimireihe. Man kann den Schauspieler und Regisseur, der mit dem Berlinale-Hit „Victoria“ einen der stärksten deutschen Filme des Jahres 2015 inszenierte, verstehen: Seine Rolle als Oldenburger Kumpel-Kommissar Jan Katz war spätestens seit seinem zweiten Auftritt im „Tatort: Mord auf Langeoog“ und Falkes Wechsel vom LKA zur Bundespolizei schlichtweg überflüssig. Nach Katz‘ Abschied bleibt hier dann auch mehr Zeit für die Gefühlswelt von Falke und Lorenz, die sich im „Tatort: Die Feigheit des Löwen“ erstmalig nähergekommen waren: Während er seine Überreaktion bei der Festnahme nicht begreifen kann, muss sie sich spätestens nach dem Besuch eines Flüchtlingsheims eingestehen, dem psychischen Druck nicht standhalten zu können. Ihrem „Tatort“-Abschied räumen die Filmemacher viel Zeit ein – das gerät zwar gelegentlich etwas kitschig, geht aber zumindest nicht auf Kosten der Spannung.
Drehbuchautor Stefan Kolditz („Unsere Mütter, unsere Väter“) arbeitet im 957. „Tatort“ den realen Fall von Oury Jalloh aus Sierra Leone auf, der 2005 in einer Dessauer Gefängniszelle verbrannte: Zwar wurde nach jahrelangen Prozessen ein Polizist wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, doch sind die genauen Todesumstände bis heute ungeklärt. Genau hier setzen die „Tatort“-Macher an: Falke und Lorenz bekommen nach einem mitreißenden Auftakt im Präsidium und der Auswertung der Brandspuren einen reizvollen Whodunit vorgesetzt und stoßen bei ihren Nachforschungen auf eine Mauer des Schweigens. Einzig die labile Polizistin Maria Sombert erweist sich als schwächelndes Glied in der Kollegen-Kette: „Hier geht jeder für jeden durchs Feuer“, dudelt Andreas Bouranis WM-Hit „Auf uns“ bei einer Grillparty im Hintergrund – ein ebenso doppeldeutiges wie bitterböses Detail, das geübten Krimi-Zuschauern als Indiz in der Täterfrage nicht entgehen dürfte. Der „institutionelle Rassismus“, den Kabarettist Serdar Somuncu bei seinem bissigen Gastauftritt als Anwalt des Toten als Tatmotiv benennt, wird allerdings nur angedeutet: Der Frust der niedersächsischen Beamten, ständig „den Dreck wegmachen“ zu müssen, wird in Allgemeinplätzen abgehandelt, die mit einer übertriebenen Referenz auf Siegfried-Mörder Hagen von Tronje aus der Nibelungen-Sage garniert werden.
Auch dem Schicksal afrikanischer Flüchtlinge in deutschen Asylantenheimen schenken die Filmemacher nur am Rande Beachtung: Anders als die Schweizer „Tatort“-Kommissare, die sich zuletzt im „Tatort: Schutzlos“ mit dem perspektivlosen Dasein einer jungen Afrikanerin in Luzern konfrontiert sahen, beschäftigen sich Falke und Lorenz kaum mit dem Umfeld des Asylbewerbers. Exemplarisch zeigt dies die halbherzig ausgearbeitete falsche Fährte um den undurchsichtigen Dr. Arnold (Peter Jordan, der von 2008 bis 2012 sechs Mal im Hamburger „Tatort“ mit Mehmet Kurtulus zu sehen war): Er stand in einem speziellen Verhältnis zum Toten, scheidet als Verdächtiger aber schnell wieder aus. Ganz anders der schweigsame Polizist Andreas Kohler (Julius Feldmeier, „Tore tanzt“): Der junge Beamte rückt nach einer auffallend kurzen Auftaktbefragung am Ende fast obligatorisch wieder in den Blickpunkt. Hier greifen die üblichen „Tatort“-Mechanismen – zugleich offenbart dieser Drehbuchkniff aber ärgerliche Parallelen zum Münchner „Tatort: Die letzte Wiesn“, in dem Jungschauspieler Feldmeier erst wenige Wochen vor „Verbrannt“ in einer ganz ähnlichen Schlüsselrolle zu sehen war.
Fazit: Thomas Stubers „Tatort: Verbrannt“ ist ein beklemmendes und spannendes Krimi-Drama aus Niedersachsen, aber seinem Drehbuch fehlt es an Raffinesse.