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    The Event
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Event
    Von Michael Meyns

    Kann man aus der Geschichte lernen? Oder wiederholt sie sich unweigerlich, ist die Menschheit gleichsam dazu verdammt, immer wieder ähnliche Ereignisse, auch Katastrophen, zu durchleben, unfähig aus dem Vergangenen die richtigen Schlüsse zu ziehen? Dies sind nur zwei von vielen Fragen, die dem Betrachter bei Sergei Loznitsas Film „ The Event“ in den Sinn kommen. Dieses Werk ist im weitesten Sinn eine Dokumentation, aber gleichzeitig auch noch viel mehr: Aus Aufnahmen, die von verschiedenen Kameramännern in den Tagen nach dem 19. August 1991 im damaligen Leningrad (heute wieder St. Petersburg) gefilmt wurden, hat der Regisseur eine nur 73 Minuten kurze, aber überaus vielschichtige Reflexion über das Wesen von Revolutionen, ihre Ursachen und ihre Folgen, über Hoffnungen und Enttäuschungen montiert.

    Es waren historische Tage damals im Sommer 1991. Tage, die die Welt erschütterten oder zumindest die Sowjetunion. Die existierte damals noch, siechte allerdings nur noch vor sich hin und sollte schon bald danach Vergangenheit sein. Am Morgen des 19. August wachten die Bürger Leningrads auf, um zu erfahren, dass ein Putsch gegen den Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow, im Gange war. Vage Meldungen aus Moskau brachten keine Klarheit, man versammelte sich um Transistorradios, Blockaden wurden gebaut, revolutionäre Stimmung entstand, doch die Hintergründe blieben kaum durchschaubar. Sergei Loznitsa fügt die alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu einem beeindruckenden Stimmungsbild zusammen, wir sehen eine Stadt im Aufbruch, aber auch eine Stadt ohne Orientierung und eine Stadt in der Krise – und all das verweist immer wieder unmittelbar in die Gegenwart Russlands von 2016.

    Einmal ist da ein Parteisoldat hinter seinem Chef, dem damaligen Bürgermeister von Leningrad, zu sehen. Der junge Mann dreht sich um und man erkennt den jungen Wladimir Putin, der inzwischen bekanntermaßen als allmächtiger Präsident des kurze Zeit nach jenen Augusttagen entstandenen Staates Russlands zur fast zaristischen Führerfigur aufgestiegen ist. Den Träumen von Freiheit und Demokratie, die in den alten Aufnahmen aufgeregter und erwartungsvoller Menschen spürbar werden, steht unausgesprochen immer die ernüchternde spätere Realität gegenüber. Einen solchen Effekt erzielte Regisseur Loznitsa auch schon in seiner Dokumentation „Maidan“ von 2014, als er die Proteste in der Ukraine filmte. Hier wie dort stößt man auf zum Verwechseln ähnliche Bilder und Stimmungen: Menschenmengen, Barrikaden, vereinzelte Ausbrüche der Gewalt, vor allem aber eine Unbestimmtheit zwischen Hoffen und Bangen: Können die Anfänge einer Revolte wirklich zu einer echten Revolution führen oder werden am Ende doch nur die Machthaber ausgetauscht? Geschichte wiederholt sich manchmal scheinbar doch.

    Fazit: Der Putschversuch kommunistischer Kader gegen den Reformer Gorbatschow 1991 bildet in Sergei Loznitsas experimenteller Dokumentation „The Event“ den Hintergrund für eine brillant-subtile Meditation über revolutionäre Umbrüche und ihre wahren Nutznießer.

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