„Heart Of A Dog“ hat es 2016 zwar nicht zu einer Nominierung, aber immerhin auf die vorläufige Oscar-Shortlist der Besten 15 Dokumentarfilme des Jahres geschafft – und das war trotz hervorragender Kritiken eine echte Überraschung, denn die in dieser Kategorie wahlberechtigten Academy-Mitglieder sind geradezu berüchtigt dafür, in der Regel nur für sehr klassisches Doku-Handwerk zu stimmen. Nun ist „Heart Of A Dog“ alles, aber ganz sicher kein klassischer Dokumentarfilm: Laurie Anderson setzt darin ihrem verstorbenen Terrier Lolabelle ein Denkmal, das zugleich auch ihrem 2013 verstorbenen Ehemann Lou Reed gewidmet ist (selbst wenn dieser erst im Abspann explizit erwähnt wird, ist doch klar, dass viele ihrer Reflexionen eigentlich ihm gelten). Los geht es mit Tintenzeichnungen der New Yorker Künstlerin, die ihre geradezu mütterliche Beziehung zu Lolabelle – inklusive Geburt - illustrieren, dabei aber eher an die abgründigen Märchen der Gebrüder Grimm als an eine süße Hundewelpen-Homestory erinnern. Anschließend folgen aus dem Off eingesprochene, scheinbar völlig frei fließende Gedanken zu den Themen Liebe, Tod, Erinnerung, Sprache und Überwachung, unterlegt mit Animationen, verzerrten und verformten Bildern, Aufnahmen aus der Hundeperspektive und alten Super-8-Heimvideos.
Sowieso ist die Oscar-Einordnung von „Heart Of Dog“ als Dokumentation sehr unglücklich, ist er doch eher Essay, Gedicht und Meditation in einem: Als es Laurie Anderson 2001 nach den Anschlägen auf das World Trade Center mit all dem weißen Staub, den überall auftauchenden Überwachungskameras und FBI-Schnellbooten nicht mehr in New York aushält, reist sie mit Lolabelle in die Berge Kaliforniens. Sie hat gelesen, dass Rat Terrier 500 Wörter verstehen, und nun will sie beim täglichen Wandern herausfinden, welche das sind. Aber dann wird Lolabelle von einem Vogel attackiert – und das löst in dem Hund die profunde Erkenntnis aus, dass er zukünftig nicht länger nur nach allen Seiten, sondern auch nach oben Ausschau nach Feinden halten muss. Andersons Kommentare sind nicht nur klar, augenöffnend und tiefgründig (und damit meinen wir nicht das „tief“ von Likes haschenden Facebook-Mantras), sondern auch berührend, humorvoll, widerborstig und vollkommen uneitel. Nur selten gleitet „Heart Of A Dog“ dabei ins Spekulativ-Spirituelle, etwa mit Andersons lyrischen Gedanken zum plötzlichen Kindstod, den sie damit erklärt, dass die Babys in Träumen von früheren Leben hängen bleiben - das kann man versöhnlich finden, sich aber genauso gut auch daran stören.
Fazit: Avantgardistisch. Anregend. Anders.