In New York explodieren die Häuserpreise – und das interessiert nicht länger nur die Stadtbewohner selbst, sondern inzwischen auch immer mehr Filmemacher. Die meisten von ihnen verfolgen dabei mit ihren Werken eine klare Agenda: steigende Mieten, zunehmende Gentrifizierung und Wohnungsbesichtigungen, die an die Hungerspiele erinnern – das ist alles total doof! So entscheiden sich etwa Diane Keaton und Morgan Freeman nach einer zermürbenden Wohnungssuche in Manhattan am Ende von „Ruth & Alex: Verliebt in New York“ verständlicherweise dafür, doch lieber in ihrem alten Zuhause zu bleiben. Aber so berechtigt solche parteiischen Filme auch sein mögen – zu oft haben sie außer ihrer eindeutigen Botschaft einfach nicht besonders viel zu bieten. Ganz anders nun „Little Men“ von Ira Sachs: Der mit „Liebe geht seltsame Wege“ endgültig zum Indie-Darling aufgestiegene Regisseur schimpft nicht einfach auf die Situation, sondern erforscht mit einer erstaunlichen Offenheit die menschliche Dimension dahinter. Dabei erreicht er eine emotionale Wahrhaftigkeit, die das letztendliche Scheitern der Protagonisten zwar besonders schmerzhaft macht, einen zugleich aber auch wieder ein wenig mit der Menschheit versöhnt.
Der mies bezahlte Theaterschauspieler Brian Jardine (in seiner besten Rolle seit Jahren: Greg Kinnear) zieht mit seiner Frau Kathy (Jennifer Ehle) und seinem Sohn Jake (Theo Taplitz) in ein geerbtes Haus nach Brooklyn. Dort freundet sich der sonst sehr schüchterne Jake sofort mit dem extrovertierten Tony (auf dem Weg zum nächsten Robert De Niro: Michael Barbieri) an, dessen Mutter Leonor (Paulina Garcia) im Erdgeschoss eine einfache Mode-Boutique für Einzelstücke von südamerikanischen Designern betreibt. Alles ist eitel Sonnenschein, bis Brian irgendwann nicht mehr umhinkommt, das Thema Miete anzusprechen – Leonor zahlt aktuell nämlich nur etwa ein Fünftel des ortsüblichen Quadratmeterpreises. Die angespannte Stimmung verschlechtert sich zunehmend, was die besten Freunde Tony und Jake nun gar nicht nachvollziehen können – sie treten in einen Schweigestreik …
Aus der kindlichen Perspektive erscheint die Situation so simpel: Wir mögen uns doch alle, also vertragt euch einfach wieder! Die Freundschaft zwischen Tony und Jake ist absolut pur – und erscheint hier entsprechend als etwas Wunderbares und Wertvolles. Aber „Little Men“ ist trotz seines hoffnungsvollen Tons kein Märchen, in dem die Realität ausgeblendet wird: Immer noble Helden gibt es hier ebenso wenig wie bösartige schwarze Mietritter. Jeder tut innerhalb seiner Möglichkeiten sein Bestes – und es gehört zu den profunden Wahrheiten des Erwachsenenlebens, dass selbst das eben manchmal einfach nicht genug ist. In einer der berührendsten Szenen verzweifelt Brian schließlich am Schweigen seines Sohnes: Natürlich sei er der Vater, aber daneben doch auch nur ein Mensch, der unter der Situation genauso leidet. „Little Men“ ist ein leichtfüßig erzähltes, zutiefst menschliches, trotz allem immer optimistisches Indie-Drama - und obwohl im Film hauptsächlich die Perspektive der weißen Mittelschichtfamilie vorherrscht, wird die aus Chile stammende Leonor nie in die klassische Opferrolle gedrängt, ganz im Gegenteil: Mit ihrer schneidenden Art kann die ansonsten so herzliche Frau sehr wohl auch gehörig austeilen (selbst wenn sie als Mieterin letztlich am kürzeren Hebel sitzt).
Kritik: In seinem bewegenden Drama „Little Men“ holt Ira Sachs durch präzise Beobachtung und Empathie für alle Seiten unheimlich viel aus einem eigentlich ganz alltäglichen Konflikt heraus.